Der Zeitpunkt für den richtigen Verkauf von Aktien ist eine Diplomarbeit. Schon viel leichter ist es manchmal, ein junges und dynamisches Unternehmen aus der Internetbranche auf den Markt zu werfen - es sei denn, es ist gerade einmal wieder eine "Dotcom-Blase" geplatzt wie knapp nach der Jahrtausendwende.
Das Jahr 2011 dürfte bezüglich Börsegang von Internetwerten ein gutes Jahr sein - gegenwärtig wird in einigen Unternehmen gerade kräftig Kassa gemacht. So holte sich die bei uns ziemlich unbekannte russische Suchmaschine Yandex vor einigen Tagen 1,3 Mrd. Dollar von der Wallstreet.
Auch das US-Karrierenetzwerk LinkedIn (Pflege von Geschäftskontakten - ähnlich populär wie bei uns Xing) ging Mitte Mai an die Börse und erzielte nach fulminantem Kursanstieg recht bald einen Börsenwert von über 8 Mrd. Dollar.
Vergleicht man die Gewinne der genannten Unternehmen mit den Kursen, wird man eine deutliche Überbewertung feststellen - Gedanken an noch nicht lange vergangene Zeiten (.com-Blase) werden lauter...
Ebenfalls die Gunst der Stunde nutzen möchte nun das Gutscheinportal Groupon (welches auch in Österreich mit eigener Domain tätig ist).
Die Begehrlichkeiten von Google bezüglich Übernahme wurden frech abgelehnt (angeblich wurden 6 Mrd. Dollar geboten) - nun wird gerade der Börsengang mit einer kolportierten Bewertung von 15 bis 20 Mrd. Dollar vorbereitet.
Und hier wachen dann selbst die uninteressiertesten Analysten auf und stöhnen: Hat das 2008 gegründete Unternehmen doch im Vorjahr gerade einmal einen Umsatz von 713,4 Mio. Dollar erzielt und ist aktuell mit einer halben Milliarde Dollar verschuldet...
Bei Groupon möchte man aber nicht das ganze Unternehmen verkaufen - primär scheint einmal die Schuldenabdeckung und bessere Kapitalisierung wichtig. Die unkonventionellen Erklärungen des Unternehmens zum IPO sind sogar durchaus ehrlich und realistisch - wer sich heute Groupon-Aktien kauft, sollte das hohe Risiko kennen und muss hoffen, dass das stark wachsende Unternehmen in den nächsten Jahren auch tatsächlich Geld verdient.
Die Gunst der Stunde bei den Internet-IPO's möchte auch US-Onlinespieleentwickler Zynga (kennt man via Farmville, Cityville oder Mafia Wars aus Facebook) nutzen. Ein Unternehmenswert von unglaublichen 8 Mrd. Dollar wird diesem 2007 gegründeten Unternehmen medial zugetraut.
Der eigentliche Internetstar der letzten Jahre gibt sich in Sachen IPO noch sehr zugeknöpft und finanziert sein Wachstum "privat". So gab es in der Facebook-Geschichte schon einige Finanzierungsrunden - zuletzt hat man sich angeblich am Jahresanfang 500 Mio. Dollar gesichert.
Der große Börsegang von Facebook scheint nur eine Frage der Zeit zu sein - immerhin werden hier Unternehmenswerte von rund 50 Mrd. Dollar kolportiert. Das Wachstum von Facebook wird sich früher oder später deutlich einbremsen - die Gewinne (falls überhaupt schon welche erzielt werden) und Umsätze dürften (sieht man sich das Werbevolumen an) noch relativ bescheiden sein.
Ob des noch anhaltenden Facebook-Hypes sollte das Unternehmen aber wohl rasch handeln und in nächster Zeit einen Teil der Anteile an die Börse bringen. So sich Facebook (was zu erwarten ist) auch weiterhin positiv entwickeln, kann man dann ja noch später etwas nachlegen. Google könnte hier ein gutes Beispiel sein - auch die Entwicklung der Google-Aktie war ab Börsegang sehr positiv (wenn auch seit Jahresanfang 2011 etwas matt).
Yandex, Zynga, LinkedIn, Groupon & Co. waren jedenfalls rasch genug und haben einmal Kasse gemacht bzw. sind gerade dabei - ob diese Unternehmen auch noch in 10 Jahren Erfolg haben werden, wird sich weisen. Gekauft wird hier aber jedenfalls derzeit nur eine teure Erwartungshaltung. Das kann natürlich auch ziemlich in die Hosen gehen...
Nur wenige Unternehmen aus dem IT-Bereich konnten sich nach dem Platzen der Internetblase am Markt behaupten: Google, Amazon oder Ebay haben sich nachhaltig etabliert (wobei Ebay ob der Verluste von vielen Privatverkäufern wohl auch Probleme bekommen könnte).
Es gibt aber auch Negativbeispiele: Das einst so begehrte Yahoo sucht schon seit Jahren nach Gewinnbringern (wurde hier von Google und Facebook kräftig ausgebremst) und man erinnere sich an den Untergang von Napster.
Ob Facebook, Groupon oder LinkedIn - solche Aktien sollte man nur erwerben (so man auch welche kriegt), wenn man jede Menge Risikobereitschaft mit sich bringt - ob die Unternehmen nämlich halten, was die Unternehmensentwicklung verspricht, ist sehr fraglich. Die nächste Internetblase schwillt nämlich schon wieder gewaltig an - der Kauf von konservativen (und unterbewerteten) ATX-Aktien wäre wohl deutlich sicherer.
Ad hoc-Meldung - Juni 2011