Dass der Streit zwischen Demokraten und Republikanern über die US-Schuldengrenze nur ein peinliches amerikanisches Pokerspiel war und in wenigen Stunden auch vom Abgeordnetenhaus sowie dem Senat grünes Licht für eine Schuldenaufstockung (mit Hindernissen) gegeben wird, erstaunt dem gelernten Europäer dieser Tage wohl nicht besonders.
Dass sich die sich schon gestern abzeichnende Einigung in den USA aber nicht deutlich positiv auf die europäischen Börsen ausgewirkt hat, darf gelernte Börsianer schon etwas irritieren: Nach anfänglichen (zu erwartenden) Gewinnen gingen nämlich die meisten europäischen Börsen mit ziemlich deutlichen Verlusten aus dem Markt.
So verlor der DAX heute sogar 2,86% - und auch der ATX ging (nach anfänglichen Gewinnen) noch klar negativ aus dem Markt und verlor immerhin noch 1,43% (und erreichte auch gleich ein 6-Monats-Tief).
Angesichts der nun bald folgenden Halbjahresberichte und der damit verbundenen niedrigen KGV's erscheint ein Investment in heimische Aktien (feinster Wahl) noch immer einen Tipp wert - die meisten Wiener Aktien sind derzeit stark unterbewertet und haben das Vor-Krisen-Niveau noch lange nicht erreicht. Es ist ja fast unglaublich: 2007 konnte der ATX kurzzeitig sogar die 5.000-Punkte-Marke überspringen - derzeit lungert dieser bei 2.574 Punkten herum. Mit EVN, Post, OMV oder Verbund im Portfolio sollte demnach nicht mehr viel negatives passieren können (soweit man das von Aktien behaupten darf).
Aber die heimische Politik (und das fehlende Interesse von vielen enttäuschten Privatanlegern) führt dazu, dass die Stimmung pro Aktien in Österreich derzeit wohl so schlecht ist, wie schon Jahrzehnte nicht mehr.
Dass die "Top-Motivatoren" des Volkes (Faymann-Spindelegger) hier wohl kaum für einen Umschwung sorgen werden, darf angenommen werden - aber vielleicht wir ja Österreich wieder einmal vom Ausland entdeckt und Fonds kaufen sich hier wieder günstig ein. Seitens Opposition kommt hier auch nicht viel Hilfe - die FPÖ wird das Thema Kapitalmarkt wohl nicht so rasch anfassen, für viele der Grünen sind Aktionäre sowieso böse Menschen und das BZÖ nimmt hierzulande (auch ob vieler krauser Vorschläge und fehlender Parteilinie) keiner wirklich ernst.
Aber zurück in die USA - auch ein Obama (den man sich in Österreich vielfach gewünscht hätte) dürfte das Ruder in den USA so schnell nicht herumreißen können: Mit 14,3 Billionen Schulden ist das Land eigentlich ziemlich konkursreif (trotz AAA-Ratings) - höhere Steuern für Reiche und Superreiche (die in den USA noch notweniger wären als in unseren Breiten) werden die Republikaner bis 2012 sicher verhindern. Und ob Obama die Wahl noch einmal so deutlich gewinnen kann, ist derzeit zu bezweifeln.
Dabei hat die Hauptlast des US-Schuldenberges eigentlich ein gewisser Herr George Bush jr. verursacht - zwischen 2001 und 2009 wurden sage und schreibe 6,1 Billionen US-Dollar an neuen Schulden verursacht. In Zahlen: 6.100.000.000.000. Der große Sparwille der Republikaner (getrieben durch eine wahnsinnige radikale Tea-Party, deren Intelligenzniveau selbst die meisten heimischen Rechtsextrempolitiker klar übertreffen dürften) ist also mit Vorsicht zu genießen. Staatsschulden werden übrigens nicht immer nur von Politikern verursacht - häufig auch von dummen Kreditnehmern und Spekulanten, die sich selbst (und ihre Kreditfähigkeit) überschätzen. In den USA gibt es hier deutlichere Beispiele als in Europa - aber auch hier wird wohl in den nächsten Jahrzehnten einmal eine deftige Immobilienkrise ins Land gehen.
Die heutigen Kursverluste in Europa dürften aber primär auf schlechte US-Konjunkturdaten zurückzuführen sein und könnten schon bald wieder kompensiert sein. Der Dow Jones war heute schon deutlich im Minus und konnte dann doch fast ins Plus drehen - gute Börsennahrung für den Dienstag (sollte man meinen).
Mit einem Goldinvestment dürfte man auch in den nächsten Jahren nicht ganz falsch liegen (aber nicht zuviel auf die goldene Karte setzen - auch hier wird es einmal wieder kräftig nach unten rumpsen...) - der Ölpreis dürfte sich ob der schwachen US-Konjunktur in den nächsten Monaten noch etwas zurückhalten.
Letzeres würde die Inflationsraten in allen Ländern sehr freuen - und die wenigen Besitzer der noch im Lande verbliebenen Ölheizungen sollten vielleicht dieser Tage wieder einmal auf Einkaufstour gehen (oder endgültig umsteigen).
Die großen Reformen nach der Finanzkrise sind ausgeblieben - anstatt viel Geld ("Kohle" wäre hier das falsche Wort) in zukunftsträchtige Energieformen zu schaufeln und dort neue Jobs zu schaffen, werden allerorts (in Europa und den USA ganz speziell) bestensfalls Löcher gestopft und neue (viel größere) aufgemacht. Der nächste große (und vielleicht noch viel größere) Finanzcrash steht schon vor der Türe und wird sicher eintreten - fragt sicht nur, wann es tatsächlich soweit ist.
Zum Schluss noch eine relativ gute Nachricht für Sparer: Die Lücke zwischen Sparbuchzinsen (bzw. Tagesgeld und Festgeld) und Inflation wird wohl in den nächsten Monaten in Österreich etwas kleiner werden (leider aber auch das BIP-Wachstum). Realzinsgewinne sind aber noch lange nicht in Sicht.
Und auch noch eine positive Prognose für Kreditnehmer: In den nächsten 1-2 Jahren ist wohl das Kreditzinsenniveau auch noch eher gemäßigt - fast keine europäische Wirtschaft verträgt derzeit massive Zinserhöhungen. Viele nun halbwegs genesenen Banken würden umgehend wieder Staatshilfen benötigen - jede Menge "Non performing loans" (Kredite, die nicht rückgezahlt werden) wären nämlich die Folge. Denn Europa geht derzeit immer noch am Zahnfleisch...
Ad hoc-Meldung - August 2011