Die rechtspopulistische Regierung in Ungarn unter Premier Viktor Orban (FIDEZ) macht derzeit wieder die heimische Banklandschaft (und auch die Politik) ziemlich nervös. Die Details zum möglichen Ausstieg aus Fremdwährungskrediten (in Schweizer Franken und Euro) wurden nun präsentiert - Banken und Politik schäumen (derzeit eher noch innerlich) vor Wut.
Wie auch in Österreich (und vielen anderen Ländern) wurden auch in Ungarn vor der Finanzkrise Kredite in Schweizer Franken immer populärer. Niedrige Zinsen waren gerade für viele einkommensschwache Ungarn eine Möglichkeit, dass sich doch irgendwie eine Kreditvergabe ausgeht. Auch auf Eurobasis wurden häufig Kredite aufgenommen - diese schienen ebenso günstiger zu sein als in der Landeswährung Forint (wo hohe Zinsen dafür verlangt wurden). Etwas zu kurzfristig gedacht...
In der Finanzkrise stieg jedoch der Schweizer Franken gegenüber dem Forint enorm an und auch der Euro wurde gegenüber der Landeswährung Forint deutlich aufgewertet.
Viele Kreditnehmer sitzen dieser Tage (trotz nun erfolgter 1,20-Mindestkurs-Festsetzung beim Schweizer Franken gegenüber dem Euro) auf deutlich höheren Schuldenbergen als zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme - sehr häufig erfolgte nämlich die Kreditvergabe in Form eines endfälligen Kredites (der erst am Ende der Laufzeit mithilfe eines sich derzeit ebenso schlecht entwickelnden Tilgungsträger zurückgezahlt werden sollte).
Die nun angestrebte Lösung seitens der Regierung in Ungarn soll Kreditnehmer nun einen vorzeitigen Ausstieg aus solchen Fremdwährungskrediten ermöglichen: Wer zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme für den Schweizer Franken nicht mehr als 180 Forint gezahlt hat und für den Euro nicht mehr als 250 Forint zahlen musste, darf nun den Kredit zu diesen festgelegten "Kunstkursen" tilgen bzw. umschulden. Das würde fast alle Kredite betreffen - Fremdwährungskredite wurden in Ungarn fast nur vor der Finanzkrise vergeben und da waren die Kurse deutlich geringer.
Ein verlockendes Angebot für ungarische Kreditnehmer: Die tatsächlichen Kurse von Franken und Euro liegen nämlich derzeit weit darüber - so kostet ein Euro derzeit fast 290 Forint, ein Franken fast 240 Forint.
Die Bankenlandschaft Ungarns ist über diesen Gesetzesentwurf allerdings weniger glücklich - die Differenz vom "Kunstkurs" zum tatsächlichen Kurs muss nämlich die kreditvergebende Bank selbst zahlen. Und das wird wohl pro Großbank einige hundert Millionen Euro kosten (die Banken rechnen derzeit noch).
Unklar ist bisweilen noch, wieweit man zu diesen Kursen nun nur die Tilgung (= gesamte Rückzahlung) zulässt oder ob auch eine direkte Umschuldung in Forintkredite möglich ist. Eine Tilgung wäre nämlich wohl für die meisten Kreditnehmer mangels Kapital gar nicht möglich - und eine Umschuldung in den Forint würde wohl so manche Haushaltsrechnung seitens Bank längst nicht mehr erlauben. Ob es dann für die Banken eine Zwangsumschuldung für notleidende Kredite in Forint gibt, bleibt noch abzuwarten.
Nach der extrem hohen Bankensteuer in Ungarn nun der nächste Kinnhaken für viele internationale Banken in Ungarn - und gerade heimische Banken (Erste Bank Group und Raiffeisen) zählen in Ungarn zu den größten Banken sowie auch zu den Banken, die Fremdwährungskredite in Ungarn populär gemacht haben.
Ob ein solcher Eingriff in private Kreditverträge seitens ungarischer Regierung nicht gegen EU-Recht verstößt, wird wohl sehr bald geklärt werden. Heimische Politiker (die ja oft Nähe zu heimischen Banken haben) haben schon massiv gegen diese seltsame Gesetzgebung protestiert - der Fall wird wohl in Brüssel landen.
Nach der Einführung der hohen Bankensteuer ist für heimische Banken in Ungarn derzeit ohnehin fast nichts zu verdienen - die Umschuldungspflicht zu Fantasiekursen wird wohl das Animo für weitere Geschäftstätigkeit in Ungarn international ziemlich reduzieren. Und nicht nur für Banken...
Ob eine solche Brachialgesetzgebung einer populistischen Partei international nicht zum Eigentor wird, bleibt abzuwarten.
Ungarn stellt sich in Europa immer deutlicher aufs Abstellgleis - den meisten Ungarn wird jedoch ein derartiger Angriff auf die Bankenlandschaft sehr gefallen. In Österreich würde sich das wohl nicht einmal die FPÖ trauen...
Ad hoc-Meldung - September 2011