Nachdem beim EU-Gipfel in Brüssel schon am Donnerstag die ersten "Njets" zu einer gemeinsamen Stabilitätspolitik der EU-Länder erklangen, zeichnet sich heute wieder ein mauer Kompromiss ohne nachhaltige Wirkung ab:
Nachdem Großbritannien sich fragwürdige Sonderrechte für den Finanzplatz London nicht nehmen lassen wollte und Tschechien, Ungarn und Schweden (alles keine Euroländer) sich gestern noch bezüglich einer gemeinsamen EU-Haushaltspolitik im heimischen Parlament absichern wollten, sieht die Sache heute schon etwas anders aus.
Tschechien, Ungarn und Schweden dürften nun mitziehen - von den 27 Ländern möchte nun nur noch Großbritannien ein eigenes Finanzsüppchen kochen. Die absehbare Einigung bezüglich EU-Haushaltspolitik von 26 Ländern (via Zusatzvertrag abseits von EU-Recht) beflügelt zwar kurzfristig die Märkte, ist aber ein klares Signal, dass die EU eigentlich noch nie so richtig an einem Strang zog und dies wohl auch weiterhin nicht tun wird.
Die zuletzt kolportierten Euro-Bonds sind derzeit wieder weg vom Tisch (Deutschland wehrte sich erfolgreich dagegen), der europäische Rettungsschirm ESM soll dafür schon Mitte 2012 kommen und wird auf 500 Mrd. Euro plus aufgeblasen (was die Staatshaushalte weiter belasten wird).
Bei den neuen Haushaltsrichtlinien sind gegenwärtig noch keine genauen Daten ausverhandelt - man strebt jedenfalls eine maximale Neuverschuldung von 0,5% des jeweiligen BIP an. Eine Marke, die schon im letzten Jahrzehnt kaum ein Land nur irgendwie gestreift hat - sogar die 3%-Marke war zuletzt deutlich zu hoch. Bei schlechter Konjunkturlage darf man dann (lt. kolportierten Plänen) aber immerhin bis 3% Defizit machen.
Auch bezüglich Sanktionen bei Nichterfüllung der gemeinsamen Budgetziele wird noch gefeilt - ob eine EU-Finanzeingriffstruppe dann die Budgetplanung zu hoch verschuldeter Staaten dann temporär übernimmt oder ob die Staaten definierte Reformprogramme bzw. die Defizitreduktion selber übernehmen dürfen gilt es noch auszuverhandeln.
Auch Strafzahlungen (die bisweilen zwar schon vorgesehen waren aber nicht exekutiert wurden) sind wieder im Plan - ob es sinnvoll ist, einem Ertrinkenden hier noch weiter mit Pönalezahlungen unterzutauchen, darf bezweifelt werden.
Ob der Uneinigkeit mit Großbritannien stand der EU-Gipfel schon am Starttag unter einem schlechten Stern. Der Euro sollte ob der aktuellen Tendenzen eigentlich eher schwächer werden - aber der Dollar ist ja "zum Glück" derzeit auch nicht gerade eine starke (und fundamental abgesicherte) Topwährung...
Die 0,5% Neuverschuldungsgrenze (ab wann?) sind ja ein ein anstrebenswertes Ziel - aber man muss sich ja nur das Hin und Her der heimischen Politik bei gröberen (und längst notwendigen) Reformen bei Pensionssystem, Vermögenssteuern, Beamten, ÖBB, Gesundheit, Bildung etc. ansehen. Andere EU-Länder haben derzeit sogar deutlich größere Budgetprobleme - und wohl auch nicht deutlich fähigere Politiker...
Den Populisten wird demnach dieser Tage wieder kräftig Wasser auf die Mühlen gekippt - und das Euro-Problem mangels klarer Sanktionen und Kontrollmechanismen nur auf 2012 verschoben. Man darf wohl jetzt schon auf den nächsten Krisengipfel anno 2012 tippen - wohl schon in der ersten Jahreshälfte, wenn die meisten EU- und Euroländer weit über der 3%-Neuverschuldungsmarke landen werden. Und für die Folgejahre ist mangels guter Konjunkturaussichten und noch kommender Einsparungen bzw. Steuererhöhungen ebenso keine Blütezeit des Euro voraussagbar - die Spekulanten scharren schon wieder in den (Start-)Löchern.
Die durch den (wohl kommenden) schlechten Kompromiss verschobene Lösung der Eurokrise macht das Problem nächstes Jahr nicht kleiner - im Gegenteil: Der Schuldenberg wird rasant weiter steigen und Griechenland kann schön langsam wieder Drachmen drucken lassen...
Ad hoc-Meldung - Dezember 2011