Wenn heimische Autofahrer über Benzin- und Dieselpreise (welche 2011 wieder deutlich gestiegen sind) raunzen, dann ist das Raunzen auf hohem Niveau: Einerseits ist der Liter Benzin oder Diesel nämlich über 20 oder 30 Jahre gesehen sogar günstiger geworden (zumindest was die Kaufkraft betrifft), andererseits sind die absoluten Spirtpreise in Österreich noch immer relativ moderat.
Schon bisweilen schätzte man den Anteil des Tanktourismus (ausländische Fahrzeuge tanken in Österreich voll bzw. besuchen Österreich ob der günstigeren Tankstellenpreise in Grenznähe) auf 25% der abgegebenen Menge - und das könnte 2012 noch etwas mehr werden...
Aktuell wurden gerade im (ohnehin schon hochpreisigen) Italien wieder die Steuern auf Treibstoffe erhöht. Die logische Folge: Noch mehr Südtiroler verlegen ihren Tankvorgang nach Tirol oder Kärnten (und kombinieren dies oft sogar mit einem Einkauf in Österreich).
Auch Touristen (insbesondere Deutsche) werden auf der Reise in den Süden im heurigen Jahr noch öfter einen Stopp in Österreich einlegen.
Denn mit Preisen von teilweise über 1,70 Euro pro Liter Super oder Diesel in Italien erspart man sich pro Liter Treibstoff oft mehr als 30 Cent - teilweise sogar 40 Cent. Und 15 bis 20 Euro pro Tankfüllung lassen einen Umweg über die virtuelle Grenze schon ab und an attraktiv erscheinen.
Auch wenn es bei aktuellen Preisen von 1,35 Euro (Diesel oder Benzin - derzeit ziemlich gleichpreisig) für viele Autofahrer seltsam erscheint: Österreich liegt europaweit bei den Spirtpreisen eher im günstigeren Mittelfeld.
Fast alle Nachbarländer Österreichs haben zum Teil deutlich teurere Spritpreise - Tanktourismus ist demnach derzeit wieder vorprogrammiert. So zahlt man in Deutschland 5-15 Cent mehr pro Liter, die ehemaligen Ostländer Tschechien und Slowakei haben Österreich beim Spirtpreis schon vor wenigen Jahren überholt und auch Ungarn ist für Österreicher längst kein Tankparadies mehr und teilweise auch schon teurer.
Einzig Tanken in Slowenien ist zumeist noch etwas günstiger als in Österreich - was Tankstellenbetreiber in Kärnten und der Steiermark noch immer unrund macht.
Insbesondere der Tanktourimus hat in den letzten Jahren die heimische Klimabilanz ziemlich verhagelt. Der Finanzminister darf sich dadurch zwar über Mehreinnahmen von grob einer Milliarde Euro freuen - auf der anderen Seite fallen aber hohe Kosten für das Verfehlen der Klimaziele an.
Eine Erhöhung der MÖSt. in Österreich (zuletzt Anfang 2011) wäre zwar wohl noch drin (und könnte ja auch in den nächsten Wochen wieder Thema werden) - in Summe profitiert Österreich (und die meisten grenznahen Tankstellen) aber sehr wohl durch den Tanktourismus und deren Zusatzumsätze (z.B. Einkauf, Essen etc.). Ob das fair ist (insbesondere gegenüber allen grenznahen Tankstellenbetreibern und anderen Staatshaushalten bzw. der Umwelt) darf an dieser Stelle bezweifelt werden.
Eine Harmonisierung der Mineralölsteuersätze in Europa wäre wohl an der Zeit - auch wenn wir derzeit von den (relativ) günstigen Spirtpreisen profitieren.
Ad hoc-Meldung - Jänner 2012