Vorab gilt es anzumerken: Die aktuelle Regierung Österreichs hat sich in den letzten Jahren schon deutlich ungeschickter verhalten als in den letzten Wochen. Die fixierte Schweigepflicht anlässlich der Verhandlungen zum Sparpaket 2012 hat ziemlich gut gehalten - auch wenn zuletzt schon einiges an die Medien durchgesickert ist. Fix ist: Links und Rechts der (in Österreich nicht vorhandenen) Mitte gab es wohl einiges Kopfweh - aber immerhin resultiert daraus ein schon längst notwendig gewordenes Sparpaket. Insofern war der Verlust des AAA-Ratings Österreichs wohl gar nicht so schlechte Munition für unsere müden Politiker.
Die Details zum Sparpaket 2012 (und Folgejahre) werden wohl heute abend präsentiert und die nächsten Wochen von Gewerkschaften, nicht einbezogenen "Parteifreunden", Spezialisten aller Art, Opposition & Co. zerpflückt - teilweise wohl auch nicht ganz zu unrecht. Die an den Tag gelegte Geschwindigkeit der Bundesregierung erstaunt aber doch einigermaßen - damit hat man sich vielleicht so manche (unnötige) Diskussion erspart. Dass darunter vielleicht die Qualität leidet, steht auf einem anderen Blatt...
27 Milliarden Euro sollen in den nächsten 5 Jahren durch Einsparungen bzw. neue Steuern für den krachenden Staatshaushalt erleichternd wirken - hier einige bereits bekannt gewordene (geplante) Maßnahmen:
Bei den geplanten Einsparungen muss man sehr vorsichtig sein: Diese könnten noch am Widerstand so mancher Interessensvertreter scheitern oder stark reduziert werden bzw. sind nicht klar definiert.
Die Pensionen stehen im Mittelpunkt der Einsparungen: Das tatsächliche Pensionsantrittsalter soll in den nächsten Jahren um 4 Jahre (das wären dann 62 statt 58 Jahre) gesteigert werden. Eine Harmonisierung der Pensionssysteme bis 2014 wird angestrebt - ein sehr ambitioniertes Vorhaben...
Die Korridor-Frühpension soll weiterhin ab 62 möglich sein, dafür sollen aber zukünftig 40 Beitrags- bzw. Ersatzjahre notwendig sein. Auch bei der Altersteilzeit wird reformiert; die umstrittenen Invaliditätspensionen (Österreich dürfte hier Europameister sein) werden zum "Rehabilitationsgeld" und folglich vom AMS betreut. Ob das wirklich Einsparungen bringt...
Pensionserhöhungen dürften 2013 und 2014 (zumindest für mittlere und höhere Pensionen) sehr gering ausfallen - höchstwahrscheinlich bei Null oder jedenfalls unter der Inflationsrate liegen.
Am Pensionsalter bzw. beim Pensionsantrittsalter für Frauen wird wohl nicht gedreht - das ist jedenfalls ein grober Fehler dieser "Reform".
Die Beamten sollen zur Budgetsanierung immerhin 2,7 Mrd. Euro beisteuern - Nulllohnrunden bzw. geringe Erhöhungen in den nächsten Jahren sowie ein Aufnahmestopp in den meisten Bereichen (außer Bildung, Justiz und Polizei) sollen dies ermöglichen.
Im Gesundheitsbereich sind fast 2 Mrd. Ersparnis bis 2016 angepeilt - der Plan dürfte hier aber noch ziemlich fehlen. Spitalsaufenthalte reduzieren und hin zu den Hausärzten bzw. Schließungen/Zusammenlegungen von Spitälern könnten hier beabsichtigt sein.
Doppelförderungen von Bund-Länder-Gemeinden sollen vermieden werden - individuelle Betragsgrenzen pro Stelle sollen dies ermöglichen.
Fest sparen müssen auch die Länder: Mehr als 5 Mrd. Euro bis 2016 sind hier angestrebt - und wohl auch sehr schwer zu realisieren...
Auch die ÖBB muss (wie ohnehin schon bekannt) sparen: Langsamerer Ausbau bei den geplanten Tunnels, ein Frühpensionierungsstop und weitere interne Sparmaßnahmen sind hier in Planung.
Auch die Politik möchte ein wenig (symbolisch) abschlanken: Minus 10% bei Nationalrat und Bundesrat werden hier kolportiert. Dabei könnte man den unnötigen Bundesrat doch gleich ganz abschaffen und die (extrem hohen) Parteiförderungen Österreichs kräftig reduzieren...Naja, man wird ja noch träumen dürfen...
Auch die SPÖ hat sich bei einigen Punkten durchgesetzt - fast 8 Mrd. Euro sollen in den nächsten Jahren durch neue Steuern reinkommen. Genaue Details und Fristen sind hier aber noch nicht bekannt und werden wohl erst in den nächsten Monaten folgen:
Die Immobilien-Spekulationssteuer soll hier einen fetten Brocken abwerfen: Bisweilen konnte man nach 10 Jahren Behaltefrist eine Immobilien noch steuerfrei veräußern - schon bald wird der Gewinn dann aber mit 25% vom Gewinn besteuert. So hier nicht noch ein wenig Detailsarbeit und Nachjustierung erfolgt, ist die Inflation schon sehr bald persönlicher Feind von Immobilienbesitzern. Die Immobilien- und Vorsorgewohnungsbranche (die zuletzt boomte) zittert schon. Auch der Vorsteuerabzug bei der Errichtung von Immobilien soll verändert werden.
Für gutverdienende Menschen dürfte die Freude auf den 13. und 14. Gehalt geringer werden: Ab einem Einkommen von ca. 190.000 Euro sollen hier die begünstigten Steuersätze nicht mehr gelten und (nach Höhe des Einkommens gestaffelt) höher versteuert werden. Auch die Höchstbeitragsgrundlage zur Sozialversicherung dürfte leicht angehoben werden.
Die Gruppenbesteuerung für international tätige Unternehmen wird ebenfalls reformiert, ein Steuersünderabkommen mit der Schweiz (ähnlich wie mit Deutschland) ist in Planung.
Bei der -von beiden Parteien begrüßten- Finanztransaktionssteuer gibt man sich noch abwartend (auf die EU) - eine spätere Einführung (2014) ist geplant.
Spekuliert wird auch über Änderungen bei den staatlichen Förderungen für Bausparen und die staatlich geförderte Zukunftsvorsorge: Ca. 5,5 Mio. Bausparverträge und über 1,5 Mio. Zukunftsvorsorgen wären davon betroffen, die Zukunftsvorsorge wäre damit wohl wieder ziemlich tod, Bausparen angesichts der derzeit sehr niedrigen Zinsen auch nicht mehr sehr attraktiv... (Nachtrag: Die Befürchtung hat sich bewahrheitet - die Förderung beim Bausparen wird halbiert, die Förderung der Zukunftsvorsorge temporär (2012-2016) ebenfalls halbiert.
Mehr oder minder sind wohl alle Menschen in Österreich von den geplanten Maßnahmen (soweit diese w.o. beschrieben umgesetzt werden) mehr oder minder betroffen - es handelt sich aber durchaus um ein ziemlich ausgewogenes, wenn auch völlig ambitionsloses Paket. Ob sich dieses so wie geplant durchsetzen lassen wird, werden die nächsten Wochen und die beabsichtigten Details weisen.
Eine richtige Reform bei Pensionen, Gesundheit, Beamten, Bauern etc. ist hier keinesfalls herauszulesen - die Strukturreformen werden weiter nach hinten geschoben. Eine ökologische (nachhaltige) Handschrift ist ebenso absolut nicht und nirgends zu erkennen - Weiterwursteln ist angesagt.
Aber Zukunftsvisionen waren ja seitens SPÖ und ÖVP auch kaum zu erwarten...
ÖVP und SPÖ haben gekocht, gegessen wird dann bekanntlicherweise nicht so warm...
Ad hoc-Meldung - Februar 2012