Wer die Wahl hat, hat die Qual. Das dürfte anlässlich der unlängst geschlagenen Griechenland-Wahl für die meisten Griechen äußerst zutreffend gewesen sein. Das Protestvotum gegen die einst regierende Koalition von PASOK und ND kam natürlich nicht überraschend, Griechenland steht aber nun nach dieser Protestwahl ziemlich knapp vor dem Euro-Abschied.
Nachdem die sozialistische PASOK unter Venizelos nach 43,9% der Stimmen nun mit 13,2 Prozent zur Kleinpartei dezimiert wurde und auch die ND unter Samaras von 33,5 Prozent auf 18,9 Prozent (= größte Partei!) fiel, lässt sich damit trotz minderheitenfeindlichem Wahlrecht in Griechenland kein Staat mehr machen. Andere Parteien haben bisweilen keine Signale ausgesandt, dem von der EU verordneten Sparkurs zuzustimmen.
Und da heute auch der Versuch einer Regierungsbildung seitens Linkspartei SYRIZA (fast 17% Stimmen) peinlich scheiterte (deren Leader Alexis Tsipras dürfte sich mit dem egozentrischen Vorwahlauftreten in der EU kaum Freunde gemacht haben), scheint Griechenland derzeit wieder auf Neuwahlen zuzusteuern. Neuwahlen, die angesichts der Politikmüdigkeit der schwer geprüften Griechen kaum neue Perspektiven schaffen...
Seitens EU bzw. den meisten Ländern Europas scheint nur der Geduldsfaden gerissen. Schon im Vorfeld der Genehmigung weiterer Gelder Ende 2011 hatten sich die Griechen nahe an den Euro-Abgrund begeben - nun wird der freie Fall in die Drachmen-Schlucht (was auch immer in dieser wartet) wohl kaum mehr aufzuhalten sein. Europaweit heute nur kritische Stimmen in Richtung Griechenland - die EU will (zurecht) keinesfalls von den bereits vereinbarten Sparmaßnahmen in Griechenland abrücken und in Griechenland findet sich aber wohl keine Mehrheit mehr für das Durchziehen der Einsparungen. Der Karren scheint also ziemlich verfahren.
Während die Griechen den Euro als Währung gar nicht wirklich ablehnen, so sind die schon gesetzten Sparmaßnahmen und die noch weiter notwendigen (wenn auch schmerzlichen) Einschnitte für die griechischen Wähler offenbar nicht mehr tragbar und es wurde munter (und verzweifelt) links außen und rechts außen Protest gewählt. Vielleicht gar nicht unverständlich, sieht man sich z.B. nur die politische Situation in Österreich an, wo die Großparteien angesichts steigender Unzufriedenheit der Wähler deutlich geschrumpft sind und eine rechte Kleinpartei seit Jahrzehnten als Protestwählerpartei von Erfolg zu Erfolg eilt...
Auch (bereits angedachte) Neuwahlen werden wohl nicht so rasch für klare Verhältnisse in Griechenland sorgen - der ausländische Unmut könnte den EU- und Eurokritischen Protestparteien (und davon gibt es einige) sogar noch weitere Wähler bringen.
Ein Ausscheiden von Griechenland scheint somit nunmehr sehr nahe (und war ohnehin nur noch eine Frage der Zeit) - die EU trägt daran durch jahrelanges, tatenlosen Zusehen durchaus Mitschuld. Das (auch durch die Finanzkrise) außer Rand und Band geratene Budget der Griechen wäre wohl auch mit weiteren Unterstützungen, Eurobonds, Schuldenerlass etc. nicht so rasch unter Kontrolle zu bringen - der Komapatient wurde einfach zu spät behandelt und konnte in der kurzen Zeit gar keine Fortschritte (wie sollte sich so Wirtschaftswachstum ergeben?) mehr erzielen...
Ein unglaubliches Beamtenheer, extrem hohe Militärausgaben, mangelnde bis keine Steuermoral, Schwarzgeldtransfers in Ausland, Korruption en masse, Flüchtlingsprobleme, durch Streiks in der Feriensaison verärgerte Touristen, manipulierte Zahlen bei den Budgets, schwache bis kaum vorhandene Industrie, Pensionszahlungen an bereits lange Verstorbene etc. - man könnte die Auflistung der Probleme Griechenlands wohl unendlich fortsetzen.
Die Rückkehr der Griechen zur Drachme ist wohl nur noch eine Frage der Zeit - und auch vielleicht gar nicht einmal so negativ (für die Griechen), wie man denken mag.
Der Staatsbankrott der Griechen wurde von den Märkten ohnehin schon längst angenommen - ob der Größe des Landes ist damit ein Totalausfall der Schulden für die meisten Gläubiger einigermaßen erträglich (wiewohl es die europäische Bankenlandschaft wieder kräftig schleudern wird). Kein Vergleich aber mit etwaigen Problemen in Spanien oder Italien - da wäre dann der Euro wohl bald Geschichte.
Die Wiedereinführung der Drachme könnte den Griechen in den nächsten Jahren (oder Jahrzehnten) die Neuerfindung ihres Landes vielleicht sogar leichter machen - mit Abwertungen (wie bei der Drachme) gegenüber den starken Währungen ließe sich vielleicht sogar wieder eine Industrie etablieren (die derzeit null Interesse an Griechenland hat).
Griechenland benötigt vor allem längere Zeit Ruhe (und auch fähigere Poltiker, als derzeit an den Rudern) zur Redimensionierung. Die mittels EU aufgeblasene Wohlstandsblase ohne Leistung ("wo woa mei Leistung" ist wohl auch in Griechenland nicht unbekannt) ist geplatzt.
Griechenland hatte eigentlich schon lange keine Chance mehr, aus dieser (selbstverursachten) Misere rauszukommen - wäre fein, wenn die EU bzw. die Eurozone nun Klartext spricht und die Griechen dann (außerhalb der Eurozone) beim Totalumbau des Staates mit Rat und Tat unterstützt.
Keine Frage: Das ist ein vorzeitiger Nachruf auf griechische Euros - Sammler sollten diese wohl schon bald aussortieren. Ein Weiterverbleib der Griechen in der Eurozone würde die Geldmarie äußerst wundern und wäre für alle Beteiligten (Griechen wie Eurozone und EU) wohl auch keinesfalls mehr vorteilhaft.
Ad hoc-Meldung - Mai 2012