Als am gestrigen Wahlsonntag in Griechenland die Geldmarie kurz vor Wahlschluss im Teletext des ORF stöberte, stand da zu lesen: "Griechenland bleibt bei EURO". Ein kurzes Staunen über die so rasche Entscheidung (noch bevor der Wahlausgang klar war) war alsbald verflogen - es handelte sich dann ja doch nur um eine Schlagzeile aus der Welt des Sports (die Griechen sind bei der Fußballeuropameisterschaft in die nächste Runde aufgestiegen).
Ein paar Stunden später aber dürfte sich diese Sportschlagzeile auch für die Wirtschaftsrubrik bestätigt haben: Der Ausgang der Wahlen in Griechenland wird wohl den Griechen doch noch einige Zeit im Euroraum verschaffen.
Nachdem sich nämlich die konservative Partei ND (Nea Dimokratia) nun doch wieder ca. 30% der Stimmen sichern konnte (und als stimmenstärkste Partei 50 Extrasitze im 300 Personen starken Athener Parlament kassiert), dürfte sich (gemeinsam mit der wieder bei ca. 13% landenden sozialistischen Partei PASOK) eine deutliche Mehrheit im griechenischen Parlament ausgehen.
Wiewohl das Referendum keinesfalls ein "Ja" der Griechen für die Eurozone war: Mit 27% der Stimmen landeten die Kommunisten (SYRIZA) des neuen griechischen Politstars Alexis Tsipras an 2. Stelle bei den Wählern - eine einfache Mehrheit für SYRIZA wäre wohl das baldige Euro-Aus für die Griechen gewesen (zu deutlich waren die Signale in die Eurozone).
Auch wenn aktuell noch keine Koalition in Griechenland gebildet ist, scheint es wahrscheinlich, dass das griechische Parlament sich nun doch für den Euro entscheiden wird und zumindest die meisten Sparempfehlungen der EU durchsetzen wird.
Ein Nachverhandeln und Aufweichen dieser Auflagen ist ebenso fast sicher - immerhin ging durch Europa zuletzt ein kleiner Linksruck (ausgehend vom Wahlsieg des Sozialisten Hollande in Frankreich, dessen Partei auch gestern bei den Parlamentswahlen wieder abräumen konnte).
Nachdem die Griechen zuletzt nur geschoren wurden, wären ein paar Impulse für die darniederliegende griechische Wirtschaft auch gar nicht fehl am Platz - wiewohl diese nun schon reichlich spät erfolgen (so sie erfolgen).
Am längerfristigen Verbleib in der Eurozone zweifelt die Geldmarie nämlich nach wie vor massiv. Kommt es nicht zu einem dramatischen Schuldenerlass, zu Eurobonds (in welcher Form auch immer) sowie zu weiteren Reformen in Griechenland (gekoppelt mit Aufbauförderungen für die griechische Industrie), haben wir als Europa das Thema schon in ein paar Monaten wieder um den Hals.
Auch wenn die Börsen heute wohl etwas über den Wahlausgang jubilieren - in Griechenland ist noch lange kein müder Stein vom anderen gerollt.
Die aufstrebenden Links- und Rechtspopulisten werden sich wohl schon sehr bald wieder auf der Straße treffen - und der tapfere Sommertourist in Griechenland darf sich wohl auch wieder über ein paar Streiks ärgern.
Um in der Fußballsprache zu bleiben: Griechenland wurde trotz Rückstand wieder in die Verlängerung gerettet. Doch es sind eindeutig zu wenig Spieler am Platz und Griechenland hat fast keine Fans mehr - nur noch massive Hilfe durch den Schiedsrichter EU könnte die Griechen vor dem Euro-Abschied retten.
Dabei durchaus pikant: Am Freitag trifft Griechenland bei der Fußball-EM (EURO) auf die Mannschaft von Deutschland. Zuletzt auch ein scharfes Duell auf dem Wirtschaftsrasen - sehr wesentlich in Sachen Griechenland-Unterstützung wird nämlich in den nächsten Tagen auch das Verhalten der deutschen Politik sein...
Ad hoc-Meldung - Juni 2012