Eines der Credos der Geldmarie: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Und der Spruch kommt schon ab und an zur Anwendung...
Auch bei den dieser Tage kolportierten Summen bezüglich Wegfall der Wehrpflicht (+Zivildienst) sowie der damit verbundenen Kosten (primär durch den Wegfall von ca. 13.000 bis 14.000 Zivildienern) ist größte Vorsicht angebracht.
Kaum ein Thema spaltet Österreich (und auch die ÖVP und die SPÖ) derzeit so heftig wie die nunmehr wohl ins Finale gehende Diskussion über die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht (für Männer) in Österreich.
Die Positionen sind bezogen: Die ÖVP ist (derzeit) größtenteils für die Beibehaltung der Wehrpflicht, die SPÖ tritt unter Verteidigungsminister Darabos vordergründig für die Abschaffung derselben ein.
Die Konservativen vertreten demnach ein in Europa schon längst aufs Abstellgleich geratenes System (kaum ein Land in Europa hält die Wehrpflicht noch aufrecht), die SPÖ hält mit dem "Zivi" Darabos (der im Bundesheer wohl zurecht der umstrittenste Verteidigungsminister aller Zeiten ist - immerhin hat man den Bock zum Gärtner gemacht) dagegen.
Ob Darabos hier der richtige Mann am richtigen Platz zur richtigen Zeit ist, sei dahingestellt: Vielleicht wäre es für die Abschaffungsbefürworter sogar zweckdienlicher, wenn aktuell ein Minister mit militärischem Tonfall und Charisma (das bzw. hat Darabos keinesfalls) die (wohl berechtigte) Sinnfrage stellen würde. Es muss ja nicht gleich ein Robert Lichal (1987-1990 Verteidigungsminister) sein...
Das Volk scheint noch unentschlossen zu sein: Die eine Umfrage spricht sich gegen die Wehrpflicht aus, die nächste Umfrage befürwortet die Beibehaltung des Status Quo.
Die Meinung am Stammtisch ist demnach noch ziemlich unklar - je konservativer, ungebildeter und älter, desto deutlicher jedenfalls die Zustimmung zum allgemeinen Wehrdienst (für Männer). Ob sich der gefürchtete Stammtisch (der nach wie vor Wahlen gewinnen und verlieren lässt) aber von der Person Norbert Darabos über zeugen lässt, bleibt sehr im Zweifel.
Ein wesentliches Argument in der Debatte rund um die Wehrpflicht war zuletzt die Kostenfrage. Wie schon eingangs erwähnt, kursieren derzeit wilde Beträge bezüglich einer Abschaffung der Wehrpflicht herum. Beträge, die wir Ihnen an dieser Stelle ersparen wollen - keinesfalls wurden hier aber (je nach Standpunkt) immer seriös gerechnet.
Im Jahr 2010 waren von 47.000 Männern im wehrfährigen Alter ca. 25.000 beim Bundesheer und leisteten ihren Wehrpflicht ab. Ca. 13.000 Zivildiener gab es 2010 (2011 waren es dann schon 13.510 - Tendenz seit vielen Jahren steigend), ca. 9.000 Personen eines Jahrganges waren gar untauglich (Zahlen, die Eltern wie auch dem Gesundheitsminister schockieren sollten).
Durch den Wegfall der Wehrpflicht erspart sich die Republik zuerst einmal auch einiges an Geld: Es entfällt die (eher karge) Entlohnung für die Wehrmänner, die Musterungskosten, die Verpflegungs- und Ausrüstungskosten, die Ausbildungskosten (ein großer Teil des Personals beim Bundesheer ist derzeit in der Ausbildung beschäftigt), Bürokratiekosten, Unterkunftskosten (viele Kasernen wären dann unnötig) uvm.
Fällt der Wehrdienst weg, gilt selbiges natürlich auch bei den Zivildienern (egal ob Rettungsdienst, Kindergarten, Behindertenbetreuung, Sozialdienste etc.).
Während man die Kostenersparnis beim Bundesheer wohl recht rasch in (dringend notwendige) Gerätschaften sowie in notwendige Umschulungen der Berufssoldaten investiert (was kostenneutral gelingen könnte), ist das bei den Zivildienern wohl schon etwas schwieriger.
Durch den Wegfall der Wehrpflicht müsste man sich in Zukunft natürlich auch einiges in Sachen erfolgreicher Rekrutierung von Berufssoldaten einfallen lassen - wiewohl das Bundesheer auch ohne Wehrpflichtige noch einige Zeit genug Personal (welches man natürlich oft anders einsetzen muss - auch hier könnten Änderungen einiges kosten) haben sollte. Gegenwärtig zählt der Beruf eines Bundesheerangestellten jedenfalls nicht gerade zu den Stressberufen - und mit den "jungen und immer häufiger unwilligen Gfrastern" muss man sich ja zukünftig auch nicht mehr ärgern...
Das heimische Heer gilt aber ohnehin eher als "arme Truppe" - ob der veralteten Ausrüstung und Bewaffnung hätten die heimischen Landesverteidiger bei (zum Glück derzeit nicht absehbaren) militärischen Konflikten wohl das Nachsehen. Da helfen auch die paar (ziemlich unbewaffneten, aber teuren) Eurofighter nicht wirklich.
Vielmehr gilt es wohl eine solide und gut ausgebildete Profi-Kerntruppe aufzubauen, gut zu entlohnen und wieder zu motivieren. Altlasten abbauen und auch in Sachen Katastrophenschutz (der derzeit wichtiger erscheint) weiterhin Profil zeigen.
Um ca. 300 Euro pro Monat wird es wohl kaum gelingen (und wäre kollektivvertraglich auch gar nicht möglich), jemanden für ziemlich schwere bzw. belastende Arbeiten wie z.B. den Krankentransport, Altenbetreuung oder Kindergartenhilfe zu finden. Gerade hier haken die Befürworter der Wehrpflicht nun mit verängstigenden Szenarios und unseriösen Zahlen ein - was angesichts deren ursprünglicher Ansichten bezüglich Zivis ja eigentlich schon ziemlich absurd ist...
Aber es gibt auch schon Gegenargumente. So war seitens Sozialminister Hundstorfer dieser Tage von einem "Freiwilligen Sozialen Jahr" die Rede, welches mit 1.300 Euro (brutto, x14) entlohnt werden soll.
Damit will man den etwaigen Wegfall von ca. 13.000 Zivis (wovon mittlerweile mit Sicherheit gar nicht mehr alle Zivis wirklich benötigt werden) kompensieren.
Ausgezeichneter Ansatz, meint die Geldmarie (die ansonsten kein großer Fan von Hundstorfer ist): Damit würde man viele Menschen in den Zukunftsbereich "Sozialberufe" (Krankenpfleger, Kindergarten, Behinderte...) bringen und auch den in Zukunft dramatischeren Arbeitsmarkt (siehe aktuelle Arbeitslosenrate) entlasten bzw. mit neuen Kräften bereichern.
Das "freiwillige Soziale Jahr" sollte allen Österreichern von 18 bis 65 Jahren (bzw. zukünftiges Pensionsantrittsalter) möglich sein - und wäre mit Sicherheit eine Einstiegs- bzw. Umstiegsmöglichkeit in neue Berufe. Kein Muss - aber eine Chance.
Auch in anderen Ländern ist der Umstieg auf ein Berufsheer locker geglückt - warum ist man in Österreich so jenseitig? Am Stammtisch konnte man diesbezüglich sicher schon hören: "De heitige Jugend is so verwöhnt, de solln's a amoi gschissn haum wia wir" - ein feines Argument...
Ein seriöses Argument contra Wehrpflicht, welches derzeit leider noch sehr selten in die Diskussion eingeflossen ist: Die Wehrpflicht bzw. der Zivildienst kostet vielen jungen Männern (auch das Beschränken der Wehrpflicht auf Männer ist schon sehr zu hinterfragen!) ein schönes Lebensjahr.
Denn kaum jemand fängt nach der Schule gleich mit dem Heer oder dem Zivildienst an - oft gibt es lange (von den Eltern zu überbrückende) "Wartezeiten", welche auch länger als ein Jahr dauern können. Und einen Job bekommt man ohne abgeleisteten Präsenz- oder Zivildienst ohnehin nur in der Billigstabteilung...
Wer den jungen Männern dieses eine Jahr jetzt (aus welchen Gründen auch immer) neidig ist, könnte sich daran erinnern, dass in dieser Zeit der Staat für diese Männer nur (derzeit ziemlich sinnlose) Ausgaben (wie schon oben erwähnt) hat - aber aus deren Existenz im nunmehr erwerbsfähigen Alter keinerlei Nutzen (z.B. Steuereinnahmen durch Arbeit) zieht.
Das Gegenteil wäre der Fall, wenn die jungen Männer zukünfig schon ein Jahr früher ins Erwerbsleben eintreten können - bis zur Pension wirkt sich dieses eine Jahr zusätzliche Beschäftigung dann noch wesentlich deutlicher aus.
Und genau dieses Jahr (und dessen Folgewirkung) sollte man einmal in die aktuellen Berechnungen bzw. die Diskussion einfließen lassen. Man würde staunen...
Die Geldmarie war übrigens beim Bundesheer - es war ein ziemlich sinnloser Zeitraub.
Ad hoc-Meldung - September 2012