In wenigen Tagen (am 20.01.2013) werden viele Österreicher zu den Wahlurnen pilgern um über das Ende der Wehrpflicht in Österreich (plus freiwilligen Sozialdienst) bzw. über deren Fortbestand abzustimmen. Auch wenn es die meisten Wahlberechtigten nicht mehr direkt betrifft - das Ergebnis dieser Volksbefragung ist für die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP angeblich bindend und somit hat die Befragung fast den Charakter einer Volksabstimmung.
Laut den letzten Umfragen tendieren die Österreicher derzeit eher zu einer Fortsetzung der allgemeinen Wehrpflicht (mit der Möglichkeit, anstatt 6 Monaten Wehrdienst 9 Monate Zivildienst zu leisten).
Wird die Wehrpflicht in Österreich bestätigt, gehört Österreich europaweit weiterhin einer aussterbenden Art an: 93% der Europäer haben nämlich jetzt schon keine Wehrpflicht mehr. Nur noch Dänemark, die Schweiz, Griechenland, Zypern, Estland und Finnland haben derzeit ebenso noch eine aktive Wehrpflicht.
Während selbst die ehemaligen Ostblockstaaten den einst dort so gefürchteten Wehrdienst abgeschaffen haben, kapierte das konservative Österreich weiterhin nicht, wohin der Hase läuft...
Folgt man in den letzten Tagen der Diskussion rund um Wehrpflicht bzw. Berufsheer, so kann man nur den Kopf schütteln. Polemik allerorten - aber kaum Diskussion über die Sache selbst. Die ÖVP behauptet ein Konzept für das Bundesheer zu haben, will dieses aber erst nach der Befragung präsentieren. Unseriöser geht es wohl nicht.
Parteichef Spindelegger macht sich in Diskussionen dauerhaft lächerlich und polemisiert, dass einem schlecht wird. Auf die unlängst aufgekommene (und wohl nicht unberechtigte) Diskussion über die Gleichberechtigung in Sachen Wehrpflicht (warum werden dieser Tage in Sachen Wehrpflicht und Zivildienst nach wie vor nur Männer verpflichtet?) wird nur polemisch und populistisch eingegangen und versucht, den Koalitionspartner zum "Frauenwehrdienstpflichtbefürworter" zu machen. Einzig die Grünen haben hier ansatzweise erkannt, dass der Status Quo eine Ungerechtigkeit wenn nicht sogar eine Menschenrechtsverletzung darstellt, verhalten sich aber (ob vieler Wählerstimmen von Frauen) sehr ruhig.
Überhaupt fällt auf, dass sich zum Thema Wehrpflicht fast nur Männer zu Wort melden. Man(n) war ja schließlich (zumeist) beim Heer und kennt sich daher aus und die jungen Gfrasta (denen es ohnehin zu gut geht) sollen das auch machen. "Geschadet hat es ja noch keinem" ist ein oft zu hörender Satz vom Stammtisch - den Inhalt dieses Schwachsinns möchte die Geldmarie massiv bestreiten (kenne einige Leute, denen das Heer in diversen Bereichen des Lebens tatsächlich SCHWER geschadet hat).
Eher berechtigt allerdings die Frage: Würde man die Wehrpflicht heute noch einführen? Wohl kaum. Aber im konservativen Österreich ist Veränderung deutlich schwerer als zukunftsorientiertes Verhalten - Pensionsreform, Gesundheitsreform, Schulreform etc. sind hier klassische Beispiele.
Auch wenn kaum jemand sagen kann, wofür das Bundesheer heute noch steht (zumeist kriegt man hier "Katastrophenhilfe" zur Antwort) - was so ist, muss so bleiben. Dabei ist das heimische Heer seit Jahrzehnten kaum reformiert worden und ist in Sachen Ausrüstung und Motivation in einem erbärmlichen Zustand.
Ein Neustart mittels Berufsheer wäre hier sicher sinnvoll und würde auch viele Geldmittel freimachen: Keine Kosten mehr für Wehrmänner (ein wenig Geld gibt es ja doch), keine Betreuungs- und Materialkosten für diese, keine Verwaltungskosten für Wehrmänner, keine Kosten für den großen Ausbildungskader (die meiste Zeit beim Heer geht ohnehin für die Ausbildung von Wehrmännern drauf), geringere Kosten für Kasernen etc.
Dieses Geld könnte man 1:1 in die bessere Ausbildung des Stammkaders sowie auch in bessere und modernere Gerätschaft investieren.
Die oft kolportierten Mehrkosten sind hingegen fragwürdig: Haben Sie hier schon eine Berechnung gesehen? Oft wird mit Nato-Ländern verglichen, die ohnehin schon eine wesentlich höhere Budgetquote für das Militär aufwenden. Ob das seriös ist, darf genauso wie der letzte Eurofighterankauf bezweifelt bzw. hinterfragt werden.
Abgesehen davon, dass Verteidigungsminister Darabos wohl der falsche Mann am Platz ist (ein Zivildiener als Verteidigungsminister ist wie ein Elefant im Porzellanladen) - ein straffes Berufsheer in Österreich mit klaren Plänen (wo auch der Katastrophenschutz nicht fehlen darf) hat sicher seinen Sinn.
Dass sich hier (wie auch bei der Polizei) nach wie vor viele Menschen (Männer und Frauen) finden werden, die beim Bundesheer ihre berufliche Zukunft suchen, hat sich auch im Ausland deutlich bezeigt.
Selbiges gilt für den Zivildienst: Das freiwillige soziale Jahr (mit halbwegs brauchbarer Entlohnung) ist eine interessante Option für viele Altersschichten und Lebenslagen. Und hier bleibt wohl eher jemand im zukünftig immer wichtiger werdenden Sozialbereich hängen, als ein 19-jähriger, gezwungener Zivildiener...
Die militärische Bedrohung für Österreich ist nicht vorhanden (und könnte bei Zwischenfällen an der Grenze wie im Jugoslawienkrieg rasch vom Berufsheer abgewandt werden), der Zivildienst kann durch gut bezahlte Freiwillige sicher kompensiert werden und im Katastrophenfall gibt es das Heer ja noch immer (wie auch die vielen freiwilligen Feuerwehren und privaten Helfer). Angst vor einem Berufsheer muss man wohl nicht wirklich haben - ein solches wurde nämlich schon in vielen anderen Ländern lange eingeführt...
Last, but not least: Nehmen wir den jungen Menschen (und auch der Volkswirtschaft!) nicht die wertvolle Zeit zum Start ihres Berufslebens weg!
Gerade die vielen Pro-Wehrpflicht-Serioren bzw. ehemaligen Wehrmänner sollten hier an Enkelkinder, Kinder und auch an ihre Pensionen denken - die muss ja auch jemand bezahlen. Das Bundesheer macht das nämlich nicht. Überlegen Sie sich selbst, was beim eigenen Wehrdienst sinnvoll war - der Geldmarie fällt hier sehr wenig ein. Und ein Schuhputzkurs und Betten machen kann man zu Hause auch lernen;-)
Ad hoc-Meldung - Jänner 2013