Noch unter dem Eindruck der Budgetdebatte stehend, steht wirtschaftsinteressierten Menschen auch schon der 1. Mai bevor, welcher in Österreich, Deutschland, der Schweiz und vielen anderen Ländern als Feiertag begangen wird. Ein Feiertag für die Arbeiterbewegung, welcher für die meisten Arbeiter natürlich ohne Arbeit abläuft.
In den letzten Wochen knallten Wirtschaftsvertreter (Wirtschaftskammerchef Leitl, Industriellenvereinigungs-Chef Kapsch) immer wieder (mehr oder minder heftig) mittels Presseaussendungen und Diskussionen gegen ÖGB (Gewerkschaft) und Arbeiterkammer. Insbesondere die linksstehende Politikszenerie warf eine Aussendung nach der anderen raus: Lohnsteuersenkung, Bankenabgabe, Bekämpfung Arbeitslosigkeit (im Vorjahr mit 7,6% auf Rekordhoch, heuer weiter ansteigend), gerechte Verteilung der Abgabenlast (mittels Grunderwerbsteuer oder Millionärssteuer) etc. forderte erst jüngst AK-Chef Kaske anlässlich der aktuellen Budgetnot.
Das hier auch stellvertretend EU-Wahlkampf gemacht wird, liegt wohl auf der Hand - die meisten Forderungen der AK sind aber natürlich durchaus auch berechtigt und finden Gefallen bei den Beitragszahlern.
Dagegen beklagen die Wirtschaftsvertreter die hohen Löhne, die enormen Staatsschulden (die Investitionen, Bildung, Forschung etc. blockieren), hohe Energiekosten, Bürokratie, hohe Umweltauflagen und -Kosten und lästige, bonzenartige Gewerkschaften.
Wurde WK-Chef Leitl noch vor Monaten für seine Formulierung "Wirtschaftsstandort Österreich sandelt ab" geprügelt, so werden dieser Tage Stimmen aus der Wirtschaft und dem Bankbereich immer lauter, welche dieses Faktum durchaus bestätigen und mit Abwanderung ins Ausland "drohen".
Der voest sind die Energiepreise zu hoch (darüber hinaus gibt es in den USA deutlich weniger Auflagen und höhere Förderungen), die OMV würde wohl gerne Fracking auch in Österreich testen und die Banken regen sich laut über die Bankensteuer auf und drohen mit Abwanderung. Nur ein paar Beispiele von vielen Möglichkeiten, mit dem Wirtschaftsstandort Österreich nicht zufrieden zu sein.
Die Wirtschaft bringt die schwachen Zahlen aus dem Vorjahr ins Spiel (2013 gab es nur ein Wachstum von 0,4% - Nachwehen der Finanzkrise), die Arbeitnehmervertreter sehen mit Bangen auf die steigenden Arbeitslosenraten.
Man möchte angesichts der negativen Entwicklung meinen: Ja, Österreich sandelt ab.
Was die Wirtschaftstreibenden nicht erwähnen aber sehr wohl wissen: Österreich ist noch immer sehr attraktiv - allerdings weniger für die Industrie. Und das wird leider so bleiben...
Hohe Sozialstandards sind für internationale Konzerne zwar mit hohen Kosten verbunden - Spitzenpersonal für "Far-East-Units" (welche den Osten via Wien mitbetreuen) fühlt sich in Österreich wohl und möchte sicher nicht nach Bratislava oder Budapest gehen. Darüber hinaus ist die heimische Mentalität im Osten nach wie vor sehr gefragt.
Auch der soziale Friede und die politische Stabilität (welche aber derzeit wieder ziemlich bröckelt) sowie die geringe Streikbereitsschaft und die hohe Arbeitsleistung in Österreich sind für Unternehmen bei Standortentscheidungen nicht uninteressant.
Das qualifizierte Personal wird immer besser ausgebildet (im Mittelstand oder in den unteren Schichten herrscht allerdings leider Stillstand), die Umwelt ist schön (Land der Berge, Schuldenberge versucht man gerade abzutragen), die historischen Städte boomen und auch so manche Förderung lässt sich da und dort noch lukrieren.
Darüber hinaus ist die Besteuerung von Betrieben moderat (nicht allerdings die Lohn- und Lohnnebenkosten).
Während der voest oder der OMV das alles einigermaßen egal sein könnte (Arbeiter gibt es überall genug, Umweltauflagen anderorts weniger), sollten sich Banken oder Versicherungen bei Überlegungen bezüglich Verlegung der Zentralen eher zurückhalten - die Reaktion der Österreicher könnte nämlich rasch folgen...
Schon die Bank Austria leidet durch den Umstand, der italienischen UniCredit zu gehören. Wer noch dazu derzeit laufend Filialen schließt und Mitarbeiter abbaut, könnte sehr bald rückläufende Umsatzzahlen im heimischen Geschäft (welches dem Ostgeschäft derzeit vorzuziehen ist) zu spüren bekommen: Frau und Herr Österreicher sind nämlich bei Finanzgeschäften sehr konservativ und häufig immer noch Fans von persönlicher Betreuung - fehlt diese bzw. ist das Unternehmen plötzlich nicht mehr "österreichisch", könnte das rasch einen ungewollten Imageschaden mit sich bringen.
Die Erste Bank Group oder auch die Raiffeisen Bank sei hier einmal gewarnt: DenizBank, Santander, ING DiBa, direktanlage.at & Co. haben nämlich die besseren Konditionen und auch in Österreich flüchten verärgerte Bank- und Versicherungskunden immer häufiger ins Internet.
Wer IT bzw. Betreuung in ausländische Callcenter verlegt, wird dies früher oder später bezüglich Umsatz und Ertrag spüren...
Die Wahrheit liegt also wieder einmal in der Mitte - und nicht im dauerhaft schlechten Kompromiss von ÖVP und SPÖ: Die nächste Regierung (wie auch immer die aussieht) muss endlich einmal längst notwendige Reformen anpacken und das träge Schiff Österreich wieder auf Zukunftskurs bringen!
Pensionsreformen (massive Einschnitte vornehmen und Wahrheiten schaffen), Gesundheitsreformen, Abgabenquote senken, Lohnnebenkosten reduzieren, Bürokratie lockern, Energiewende einleiten, Steuerschlupflöcher schließen, doppelgleisige Förderungen evaluieren und gegebenenfalls streichen, Bildung und Forschung fördern, Kollektivverträge verflachen (ganz wichtig - junge Menschen benötigen Geld, Alte werden dann leistbarer), Staatsreformen angehen (Bundesrat abschaffen, Länder verschlanken), Privatvorsorge und Eigenverantwortung fördern, Vermögenssteuern (leicht) erhöhen etc. - es gibt viel zu tun.
Österreich kann sich in Zukunft nicht mit "Bildungsfreaks aus Südkorea" oder "Turbokapitalisten aus den USA" messen - vielmehr muss der innovative und selbstgesteuerte Typus Austriacus wieder deutlich mehr Luft zum Atmen bekommen - dann muss einem um die Zukunft nicht Angst und Bange werden...
Die Alternative: Am Tag der Arbeit stehen bald nur noch ein paar Parteifunktionäre am Rathausplatz - der Rest ist arbeitslos. Ja, klingt übertrieben - hat aber wohl einen wahren Kern...
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - April 2014