Wiewohl es noch die Auszählung der Wahlkarten abzuwarten gilt: Das Endergebnis der EU-Wahl 2014 in Österreich scheint ziemlich fix zu sein und fast überall gibt es nur lachende Gesichter. Wie das sein kann? Die Interpretation von Statistiken und politische Schönfärberei machen es möglich.
Dass sich am Wahlsonntag Othmar Karas für die ÖVP feiern ließ, darf schon ein wenig amüsieren: Immerhin war "Wahlsieger ÖVP" die einzige Großpartei, die prozentuell verlor - mit 27,3% (alle Werte mit Prognose der Briefwähler) liegt man 2,6% unter dem Ergebnis von 2009, welches noch mit einem gewissen Ernst Strasser eingefahren wurde.
Warum sich der farblose (aber scheinbar ehrliche und beim VP-Wahlvolk gut ankommende) Karas so freute, ist wohl nur mit den einst sehr schlechten Umfragewerten zu erklären: Da lag die ÖVP deutlich schwächer - ein Wahlsieg schien noch in weiter Ferne.
"Nett, ruhig, sachlich, europäisch" reichte Karas zum Wahlsieg - die ÖVP selbst sollte jedoch deutlich leiser jubeln.
TV-Journalist Eugen Freund sollte für die Sozialdemokraten die Kohlen aus dem Feuer holen - "Freund-schaft" war aber in der SPÖ kaum zu spüren. Die klassischen SPÖ-Wähler sind ohnehin nicht die großen Freunde der EU und auch die Umfragen zeigten die SPÖ zwischendurch auf Platz 3 - da war es dann gar nicht verwunderlich, dass sich die SP sogar über sehr bescheidene 23,8% (fast eine Punktlandung zur letzten EU-Wahl) freuten.
Die SP punktet wohl bei der Kernwählerschicht (ältere Menschen) eher mit nationalen Themen (Pensionen sichern, Soziale Kälte vermeiden etc.) - für Europa begeistert sich in der SPÖ aber wohl kaum jemand.
Wie die ÖVP erkennt auch die SPÖ die Signale nicht (die alten Wähler sterben weg, von unten kommt nichts nach) und wird wohl einfach weiterwursteln...
Mit 19,5% und einem Zuwachs von 6,8% sieht sich die FPÖ (naturgemäß) als klarer Wahlsieger. Was den Zuwachs an Prozenten betrifft, ist das auch absolut zutreffend - ein guter Wahlkampf ins Segment der vielen Protestwähler sieht aber wohl deutlich anders aus...
So konnte die FPÖ nur einen kleinen Teil der "Liste-Martin-Protestwähler" (immerhin ca. 15% zu vergeben) aus 2009 abwerben und auch der Spitzenkanditat Vilimsky taugte als Zugpferd (der einstige Spitzenkanditat Mölzer stolperte über Alaba-Bashing) nur mäßig.
Sogar mit dem Wahlsieg wurde seitens FPÖ vor ein paar Monaten noch spekuliert - der lag dann doch in weiter Ferne. Die Mobilisierung der EU-Gegner ist demnach nicht wirklich gelungen - da wäre für die FP wohl deutlich mehr drin gewesen...
Wirklich freuen dürfen sich über den Wahlsonntag nur die Grünen: Ca. 15,1% werden es nach Auszählung der Wahlkarten wohl werden - ein historisches Topergebnis für die ruhige und sachliche Spitzenkanditatin Lunacek und die Grüngemeinde.
Dabei war -selbst in den eigenen Reihen- die Plakatserie der Grünen (die Menschenrechtspartei plakatierte doch glatt einen noch nicht rechtskräftig verurteilten Ernst Strasser...) schwer umstritten - die Grünen waren aber die einzige Partei in Österreich, die tatsächliche Sachthemen EU-kritisch unter's Wahlvolk brachten.
Damit konnten die Grünen tatsächlich einmal die Umfragewerte übertreffen (im Normalfall ist das Gegenteil der Fall) und sich ziemlich uneingeschränkt freuen.
Neu im Europaparlament ist auch eine liberale Partei aus Österreich - die NEOS. Trotz ca. 8% (und damit einer deutlichen Verbesserung zu den Nationalratswahlen im Herbst) hielt sich der Jubel bei den NEOS erstaunlicherweise in Grenzen - man hatte sich mehr erwartet und übte Selbstkritik.
Vielleicht war ja der Wahlkampf zu "pro-europäisch" und zu ehrlich: Die NEOS mussten auch lernen, wie falsch die Medienwelt im Politikbereich ist (die NEOS wollten das Wasser eigentlich nur privatisieren, wenn es Vorteilen für die Kunden gibt, was ja nicht böse ist...). Und ein ehrliches "Scheiße" darf man im TV auch nicht sagen;-)
0,5 Prozent (nach 4,6%) für die farblose Angelika Werthmann nach raschem Rücktritt der Haider-Tochter. Das BZÖ scheint endgültig Geschichte zu sein - 2009 hatte man immerhin noch 1 Mandat errungen.
1,2% hochkonservative wählten die Ewald-Stadler-Partei REKOS, 2,1% EUROPA ANDERS von Martin Ehrenhauser (mit KPÖ, Piraten und Der Wandel im Gepäck) und immerhin 2,6% votierten für die einfache Botschaft von EUSTOP.
Auch wenn noch einige Endergebnisse aus Europa fehlen - die Europäische Volkspartei wird im Europaparlament weiterhin das Sagen haben, der Spitzenkanditat Jean-Claude Junker wird (höchstwahrscheinlich) Kommissionspräsident werden.
Die EVP hat zwar massiv verloren (von 274 Sitzen auf knapp über 200), mit (schon vorher klarer) Unterstützung durch die Sozialdemokraten bzw. Sozialisten von Martin Schulz (ein irgendwie sehr lässiger Deutscher, nebenbei erwähnt) ist die Mehrheit aber fix.
Schwache Liberale, stagnierende Grüne stehen europaweit den deutlich wachsenden Rechten (Frankreich, Großbritannien...) und Linken (Griechenland) bzw. neuen Protestparteien gegenüber. In Summe halten sich deren Gewinne aber noch in Grenzen - solche Parteien verstehen es ja auch prächtig, sich früher oder später wieder selbst zu verflüssigen. Was kein großer Verlust ist.
Eine Stärkung Europas ist aus dieser Wahl aber nicht abzuleiten - aus Großbritannien, Frankreich oder Griechenland droht sogar ziemlicher Gestank...
Besonders traurig: Die Wahlbeteiligung in Tschechien und insbesondere in der Slowakei. Die Demokratie bzw. Europa hat in diesen Ländern offensichtlich keinen sehr hohen Stellenwert - was angesichts der Geschichte dieser Länder eigentlich sehr traurig und beschämend ist.
Die Wahlbeteiligung in Österreich: 45,7% (ähnlich wie 2009) - und damit im europäischen Mittelfeld.
Ad hoc-Meldung - Mai 2014