Als die Bevölkerung Österreichs sich 1978 mit knapper Mehrheit gegen die Inbetriebnahme des bereits fertiggestellten Atomkraftwerks Zwentendorf aussprach, wusste man damals noch nicht, wieviele Diskussionen man sich später noch ersparen würde. Dabei war diese Entscheidung eher politisch motiviert als rationell durchdacht. Nach Tschernobyl 1986 war man dann wohl wirklich froh und spätestens nach dem März 2011 (Fukushima) wagte hierzulande kein Hahn mehr, nach Atomkraft zu krähen.
In Deutschland sah das schon etwas anders aus und hatte auch deutlich mehr Folgen...
Als 2000 die rot-grüne Koalition in Deutschland einen Atomkonsens erzielte (nach Erreichen von gewissen Strommengen sollten Atomkraftwerke nach und nach vom Netz gehen), war das schon ein Meilenstein in der Energiewende Deutschlands. Immerhin war die Atomkraft in Deutschland schon jahrzehntelang ein wesentlicher Beitrag zur gesamten Strommenge und ein Ausstieg warf viele Fragen auf, die sich Österreicher ob des hohen Wasserkraftanteils gar nicht stellen mussten.
2003 und 2005 ging je 1 Atomkraftwerk in Germany vom Netz und im Herbst 2010 beschlossen Merkel und Co. sogar eine Laufzeitverlängerung einiger Kraftwerke - der Atomkraftausstieg schien in die Länge geschoben.
Als es dann aber im März 2011 in Fukushima kräftig krachte und folglich strahlte, war die deutsche Regierung sich nicht zu vornehm, den Energiekurs Deutschland absolut und rasch zu drehen und im Sommer 2011 wurde via Bundestag der Komplettausstieg aus der Atomkraft beschlossen.
Schon im August 2011 wurden 8 ältere Meiler vom Netz genommen und ein Ausstiegsplan aus den 9 verbleibenden Atomkraftanlagen beschlossen. Die Rechnung "Hohe Kapitalkosten - niedrige Brennstoffkosten" sowie Risken wie Störfälle, Unfälle, Endlagerungsproblematik, Zwischenlagerung etc. ging sich also selbst für eine konservative Regierung nicht mehr aus und die Deutschen Wähler unterstützen diese Entscheidung sogar deutlich.
Zwar fürchtete man sich ob der raschen Abschaltungen anfangs noch vor dem Winter 2011/2012 - mit Kohlekraftwerken, Gaskraftwerken und Stromimporten aus dem Atomstromland Frankreich (ca. 75% Atomstrom, riesengroße Atomstromlobby) sowie auch mit ein wenig Spitzenstrom aus Österreich und Co. kam man aber locker über den Winter und erzielte im 2. Halbjahr 2011 einen Nettoüberschuss (Stromexporte minus Stromexporte). 2012 setzte es dann sogar Strom-Exportrekorde und 2013 wurden ob des raschen (und teuren) Ausbaus der erneuerbaren Energieträger sogar konventionelle Kraftwerke stillgelegt!
Deutschland hat sich damit trotz Abschaltung einiger Atomkraftwerke zum Stromexporteur entwickelt - der weitere Abschaltplan von Atomkraftwerken kann demnach nach Plan abgewickelt werden:
Im Mai 2015 geht Grafenrheinfeld vom Netz, 2017 Gundremmingen B, 2019 Philippsburg 2, 2021 Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen C und 2022 geht es dann schließlich Isar II, Neckarwetheim 2 und Emsland an den Kragen. Schwupp, schon ist der deutsche Atomstrom weg...
Wenige lustig waren die Abschaltungen naturgemäß für die Betreiber der Atomkraftwerke: Vattenfall (Schweden), E.ON, RWE und EnBW erlitten dadurch schwere Verluste und klagen daher wohl nicht zu Unrecht ob "kalter Enteignung" auf Milliardensummen.
Auch in der Schweiz ist Fukushima übrigens nicht spurlos vorübergegangen - die Eidgenossen haben mit der Abschaltung aber nicht so viel Stress und wollen bis 2034 atomstromfrei werden.
Dass damit der Atomstrom aus dem Stromnetz verschwindet, ist natürlich nicht gewährleistet - schließlich hat der Strom kein Mascherl und ist in Bruchteilen einer Sekunde über das europäische Stromnetz auch in Österreich, in Deutschland oder in der Schweiz...
Natürlich hat die Energiewende Deutschland einen hohen Preis, welchen (ähnlich wie in Österreich) primär die Stromverbraucher (Endkunden) berappen müssen.
Die plötzliche Stromschwemme in Deutschland durch erneuerbare Energieträger hat zwar den Strompreis an den Börsen deutlich nach unten getrieben, die Förderungen für Ökostrom machen die Stromrechnung aber trotzdem teurer.
Auch der Ausbau der Stromnetze kostet Geld und bleibt weiter notwendig - schließlich sind Windstrom oder Strom aus Photovoltaik nicht immer verfügbar und je mehr man von Grünstrom abhängig ist, desto schwieriger wird auch das Strommanagement.
Die Energiewende Deutschlands ist aber jedenfalls eine Erfolgsgeschichte, welche die Deutschen (und auch uns Österreicher) zukünftig deutlich weniger von bedenklichen Regierungen und Ländern (Gas, Öl) abhängig macht: Russland, Saudi-Arabien, V.A.E. etc. seien hier nur stellvertretend genannt.
Vergleicht man die Bruttostromerzeugung Deutschlands in den Jahren 2000 und 2014, ist die Energiewende jedenfalls klar auszumachen:
War 2000 die Kernenergie mit einem Anteil von 29,5% noch Nummer 1, so ist man im Vorjahr schon auf 15,9% der Erzeugung runtergefallen.
Kaum verändert hat sich der Braunkohleanteil: 25,7% im Jahr 2000, 25,6% im Jahr 2014 - insbesondere an Tagen mit wenig Wind oder Sonne bzw. an kalten Tagen wird weiterhin kräftig Braunkohle verbrannt.
Bei der Steinkohle ging der Anteil immerhin von 24,8% auf nunmehr 18% zurück - trotzdem ist Kohle insgesamt noch die Nummer 1 in der Stromerzeug Deutschlands.
Erdgas hat sich von 2000 auf 2014 immerhin von 6,6% Anteil auf 9,6% hochgearbeitet - so Wind und Photovoltaik einmal auslassen oder sehr hoher Strombedarf besteht, wird rasch Gas gegeben.
Besonders deutlich wird die Energiewende Deutschlands aber bei den erneuerbaren Energieträgern: 2000 lag deren Anteil an der Gesamterzeugung noch bei bescheidenen 6,6%, 2014 waren es stolze 25,8 Prozent. Tendenz: Weiter stark steigend.
Im Detail konnte z.B. die Windkraft von 2000 auf 2014 von 1,6% auf 8,4% der Gesamtstromproduktion zulegen, die (teure aber konstante) Biomasse von 0,3% auf erstaunliche 7% und die Photovoltaik von 0% auf 5,8%. Zahlen, von denen Österreich weit entfernt ist - dazu aber weiter unten.
Wasserkraft verlor seit 2000 hingegen an Bedeutung - der Bau neuer Wasserkraftwerke zahlt sich bei den niedrigen Großhandelspreisen derzeit nicht wirklich aus - und notfalls kann man ja auch aus Österreich ein wenig Power aus Speicherkraftwerken beziehen, die die Österreicher vorher mit billigem Strom befüllen. Von 4,3% anno 2000 ging der Wasserkraftanteil der deutschen Stromproduktion auf 3,4% im Jahre 2014 zurück.
Während sich Deutschland ob bzw. trotz des Atomausstiegs zum Nettoexporteur entwickelt hat, verzeichnet Österreich in den letzten Jahren weniger Stromproduktion und steigende Nettostromimporte: 9.300 GWh betrug hier 2014 der Negativsaldo Österreichs.
Nachdem die heimischen Stromlieferanten lieber billigen Strom aus Deutschland, Tschechien oder Polen importieren als selber teuer produzieren, ist der Stromhandel in den letzten Jahren deutlich attraktiver geworden als die Stromproduktion. So ist auch 2014 die heimische Stromproduktion wieder um 4% (auf 64.928 GWh) gesunken - und daran war nicht nur die milde Witterung schuld...
Wie schon gesagt: Bevor man Strom teuer via Wärmekraftwerk (Gas, ÖL) selber produziert, importiert man lieber ein wenig Atomstrom aus Tschechien oder Kohlestrom bzw. Windstrom aus Deutschland. Wirklich sauberer ist der Strom in Österreich demnach nicht geworden!
Heimische Wärmekraftwerke reduzierten ihre Stromproduktion im Vorjahr um 16,5%, Laufkraftwerke produzierten um 4,6% weniger. Der Ausbau der Windkraft fiel mit 36,1% höherer Produktion hingegen sehr positiv aus - der Anteil an der Gesamtproduktion ist aber (im Gegensatz zu Deutschland) noch sehr bescheiden. 2013 (letzte Zahlen) wurde in Österreich 67% der Stromproduktion mit Wasserkraft erzielt, 27% via thermischer Kraftwerke.
Auch hierzulande stockt der Ausbau von Wasserkraft ob der hohen (und billigen) Stromimporte aus Deutschland & Co. massiv - in Sachen Unabhängigkeit darf man sich hier durchaus Gedanken machen. Auch die Kraftwerksgegner der Grünen (sind gegen quasi alle Kraftwerke) sollten sich hier etwas einlesen bzw. auf Kerzen und Feuer umstellen.
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - März 2015