Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone haben in einer Marathonsitzung nun scheinbar (fix ist bei Griechenland derzeit wohl nix...) wieder einmal den Verbleib der Griechen in der Eurozone "gerettet" - der Jubel darüber wird sich aber da und dort in Grenzen halten. Einerseits ist den Gläubigern eigentlich schon in vielen Ländern Europas der Geduldsfaden gerissen und die Solidarität ausgegangen (die Bevölkerung hätte man hier nicht fragen dürfen), andererseits musste die aktuelle Regierung Griechenlands vor den Gläubigern schwer in die Knie gehen und hat damit (insbesondere nach dem taktisch dummen Referendum) komplett ihre Glaubwürdigkeit verloren.
Bis Mittwoch hat das Griechische Parlament nun Zeit, die mit den Geldgebern vereinbarten Reformen in Gesetze umzusetzen - geht man davon aus, dass hier noch keine fertigen Unterlagen in den griechischen Schubladen liegen, sicher ein "ambitioniertes" Vorhaben, welches ob der knappen Zeit wohl auch zu "Husch-Pfusch-Lösungen" führen wird. Mehrwertssteuerreform, Pensionsreform und die Privatisierung von Staatsbetrieben stehen hier zeitlich ganz oben auf der aufgetragenen Agenda.
Neben einer Brückenfinanzierung für schon überfällige bzw. anstehende Schuldentilgungen (die von den EU-Finanzministern noch besprochen wird) gilt es nun natürlich auch wieder Liquidität in die schon ausgetrockneten griechischen Banken zu pumpen, wobei die EZB sicher rasch reagieren wird.
Bringt Tsipras das ausverhandelte Paket am Mittwoch durch das Parlament, dürften wohl spätestens nächste Woche auch wieder die griechischen Banken aufsperren.
Das 3. Hilfspaket für Griechenland (wird im Details dann noch ausverhandelt) dürfte dann ca. 82-86 Mrd. Euro für 3 Jahre nach Griechenland fließen lassen, welche primär aber der Schuldentilgung dienen und keine Konjunkturimpulse im Lande hinterlassen.
Ein wesentlicher Streitpunkt war die Gründung eines Privatisierungsfonds, welcher mittels Privatisierung von Staatsbetrieben mit 50 Milliarden Euro aufgefüllt werden soll. Ein Viertel davon (12,5 Mrd.) soll in die Griechische Wirtschaft investiert werden - ob die 50 Milliarden aber auch nur annähernd realisiert werden, ist jedenfalls schwer anzuzweifeln. Privatisierungen in Milliardenhöhe und Kommunismus - ein schwerer Widerspruch.
Daher scheint es auch aktuell nur eine Frage der Zeit, bis in Griechenland wieder grobe Troubles auftreten - ob der jüngsten Krise (die schon wochenlang die Wirtschaftsleistung Griechenlands blockiert) werden die Zahlen für 2015 wohl noch schlechter ausfallen, als ursprünglich erwartet. Auch in Sachen Tourismus (der eigentlich heuer ob der Nordafrika- und Naher-Osten-Troubles boomen hätte sollen) hat man sich ein Eigentor geschossen - gerade in der Hauptsaison bleiben viele Spontanurlauber derzeit weg.
Interessanterweise hat es die Eurozone aber wieder nicht geschafft, ein klares EXIT-Szenario (für alle Länder innerhalb der Eurozone) zu definieren - ein Fehler, der wohl schon in wenigen Jahren (wenn Griechenland wieder einmal finanzmarod ist, und das ist ohne weiteren Schuldenschnitt wohl fix anzunehmen) wieder Thema sein wird...
Wiewohl man politisch aktuell von "Keine Gewinner, keine Verlierer" spricht, haben sich Alexis Tsipras und seine SYRIZA in den letzten Wochen schwerst blamiert - man ist in so ziemlich allen Punkten umgefallen, muss die Hosen ganz weit runterlassen (Privatisierungen, Pensionskürzungen, Steuererhöhungen) und tut nun genau das Gegenteil der jüngsten (unsinnigen) Volksbefragung.
Scheinbar haben die realistischeren Teile von SYRIZA noch rechtzeitig erkannt, dass man sich stümperhaft in eine Sackgasse manövriert hat - aus welcher man nur noch mit dem totalen Kniefall rauskommt.
Das bleibt innerparteilich und koalitionär natürlich nicht ohne Folgen - die SYRIZA regierte zuletzt schon nur noch mit Billigung der hilfreichen Opposition und wird auch die jüngsten Vereinbarungen intern kaum logisch begründen können und auf die Hilfe der EU-freundlichen Oppositionellen angewiesen sein. Alles andere als eine Regierungsumbildung oder Neuwahlen in den nächsten Wochen wäre verwunderlich...
Aber in Griechenland ist Verwunderung ohnehin an der Tagesordnung: Das Steuereintreiben funktioniert noch immer nicht (Steuerhinterziehung oder Nichtzahlung scheint ein Kavaliersdelikt), Griechenland hat noch immer kein Grundbuch (wie im Mittelalter!), die Verteidigungsausgaben sind europaweit Spitzenwert und die Menschen wählen in ihrer Verzweiflung die Kommunisten (und leider oft auch Rechtsextreme), wollen im Euro bleiben, lehnen aber Sparprogramme ab. Undsoweiter undsofort...
Nein, liebe linke Träumer - am griechischen Wesen wird Europa nicht genesen...das dürfte dieser Tage auch dem (eigentlich sehr sympathisch wirkenden) Alexis Tsipras klar geworden sein. Aber auch am europäischen Wesen wird Koma-Patient Griechenland nicht mehr genesen - in der Medizin nennt man das nämlich "lebenserhaltende Maßnahmen". In Sachen Euro für Griechenland wäre die Geldmarie hier eher für aktive Sterbehilfe = GREXIT und Neuanfang außerhalb des Euros mit Schuldenschnitt. Der kommt nämlich ohnehin früher oder später - früher wäre günstiger für alle Seiten...
Ad hoc-Meldung - Juli 2015