Keine Frage: Das letzten Freitag bekanntgegegene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) in Sachen Bau der 3. Piste für den Flughafen Wien war eine kleine Sensation. Und es ist insbesondere die Begründung des BVwG, welches für Aufsehen erregt: Es würde zu viel Ackerland (ca. 600 Hektar) verloren gehen und Österreich habe die Verpflichtung, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren um dadurch die Klimaziele zu erreichen.
So sich die Geldmarie nicht irrt, ist diese Begründung (wiewohl nicht an der Haaren herbeigezogen) erstmalig und einzigartig in Österreich und vielleicht auch darüber hinaus: Klimaziele einhalten und Verbauung stoppen. Mutig, mutig - und gewagt.
Der Flughafen Wien, deren Belegschaft und natürlich auch deren Eigentümer (20% Wien, 20% Niederösterreich, 38% ein Pensionsfond aus Australien) sowie Parteien (ÖVP, SPÖ) und Kammern (Wirtschaftskammer) und Gewerkschafter rotieren - Grüne, Umweltbewusste und Anrainerinitiativen frohlocken. Auch die FPÖ Wien scheint hier eher zu den Gegnern der 3. Piste zu gehören (ist in Sachen Anrainerproteste immer schnell vor Ort) - vergisst dabei aber auch wohl, dass es für viele jetzt schon geplagte Anrainer eine Entlastung wäre, würde man den Verkehr (Starts und Landungen) auf 3 Pisten aufteilen können.
Der Flughafen Wien geht davon aus, dass rund um 2025 die Kapazitätsgrenze bei nur 2 Pisten erreicht wäre und wird vor dem VwGH in Revision gehen bzw. plant auch eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.
In den letzten Jahren ist es durch neue Passagierrekorde am Flughafen Wien (2016: +2,5% auf 23,4 Mio. Passagiere) tatsächlich mit den Slots ein wenig enger geworden - von einem Stau in der Einflugschneise (der ohne 3. Piste später durchaus möglich wäre) ist man aber noch weit entfernt. 2017 geht man seitens Flughafen Wien von einem Wachstum zwischen 0 und 2% aus - eine Neuordnung des wichtigen Kunden AirBerlin (mit NIKI) könnte den starken Jahresstart (+7,9% im Jänner) noch sehr relativieren.
Ob man die Piste 2025 dann wirklich benötigen wird, ist also derzeit noch nicht wirklich klar: Weltwirtschaft, Ölpreis, Terror etc. können hier sehr rasch andere Verhältnisse bringen. Wird es aber enger, so gibt es auch mehr Stau auf der Landebahn und weitere Kreise in der Einflugschneise - auch nicht gerade sehr der Umwelt förderlich...
Auch wenn die Geldmarie die konsequente Haltung des BVwG durchaus mutig findet - das Urteil muss sicher noch mehrfach hinterfragt bzw. diskutiert werden! Abgesehen von möglichen Einbußen in Sachen Wirtschaftsstandort Österreich (Bratislava oder Budapest würden sich freuen...) müsste eine solche Entscheidung noch weiterführende Konsequenzen haben: So müsste eigentlich jedes Bauprojekt (Straßen, Parkplätze, Häuser) hinterfragt werden, jede neue Öl- oder Gasheizung wäre anzuzweifeln, jedes Autoneuzulassung, Unterschiede bei Benzin- oder Dieselsteuern etc.
Ob man eine solche Entscheidung nur ein paar Herrschaften vom BVwG treffen lassen sollte? Eher nein.
Interessantes Detail am Rande: Der Aktie des Flughafen Wien war diese Entscheidung (die sicher noch nicht das letzte Wort in der Causa war) bisweilen sehr egal - die notiert (fast unverändert) weiterhin bei knapp über 26 Euro. Manche Analysten frohlocken sogar (wohl auch mit dem Wissen um die Baukostenexpolosion des skandalumwitterten Terminal 3) darüber, dass man sich hier ca. 1,25 Milliarden Euro Baukosten sparen kann - Geld, das man erst verdienen muss. 2015 lag der Gewinn des Flughafen Wien übrigens bei genau 100 Mio. Euro, nach dem 3. Quartal 2016 lag man schon bei über 150 Mio. Euro Gewinn.
Jedenfalls eine spannende Sache!
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - Februar 2017