Nachdem die oekostrom AG ziemlich eindeutig meine heimische Lieblingsfirma ist, war es auch 2018 angesagt, die (am 14.6.2018 abgehaltene) Hauptversammlung zu besuchen - wiewohl es mir nach wie vor ein Greuel ist, Hauptversammlungen zu besuchen...
Die 20. HV der oekostrom AG darf man im Rückblick (und insbesondere im Vergleich mit anderen Hauptversammlungen) als fast ruhig und harmonisch bezeichnen. Nachdem das Unternehmen über eine ausgesprochen breite Aktionärsstruktur verfügt (nur 10 Aktionäre halten jeweils 1-5% des Grundkapitals und decken damit nur rund 25% des GK ab), ist hin und wieder für brisante Abstimmungen gesorgt, insbesondere wenn es um Aufsichtsratmandate geht. Und 2 von 4 Aufsichtsräten standen eben 2018 zur (Wieder-)Wahl.
Weil W.E.B-Windenergie CEO Michael Trcka seinen AR-Job nicht prolongiert haben wollte (in der W.E.B gibt es ohnehin viel zu tun und Trcka machte auch den kommenden (größeren) Einstieg der W.E.B ins Endkundengeschäft publik, was sich mit der AR-Tätigkeit bei der Konkurrenz dann wirklich nicht mehr ausgeht), war auch klar: Es gibt zumindest einen "frischen" Aufsichtsrat.
Insgesamt 5 Personen bewarben sich für die 2 vakanten AR-Jobs, mit "Altaufsichtsrätin" Astrid Kiener sowie mit Mag. Maria Zesch wurden seitens AR auch zwei Wahlempfehlung abgegeben, die dann bei den Abstimmungen auch sehr solide Mehrheiten erhielten. Mit T-Mobile Austria-Chefin Zesch kriegt die oekostrom AG nun also erfreulicherweise starke weibliche Verstärkung.
Trotz intensivem Wettbewerb am Endkundenmarkt (125 Angebote im Strompreisrechner der E-Control, steigende Wechselraten, Durchblicker-Kampagnen, Verbund-Werbeflut, Kampfpreisen etc.) gelang der oekostrom AG 2017 wiederum ein Rekordjahr (die Geldmarie hat berichtet), hauptverantwortlich dafür waren die tollen Zahlen bei der Stromproduktion. Aber auch die Kundenzählpunkte entwickelten sich trotz Gegenwind (Konkurrenzsituation, Preisdumping, Kundenabfluss durch seinerzeit gewonnene VKI-Aktion bei welcher oft nur der Preis und nicht der Inhalt zählt) positiv - ein großer Erfolg für das Unternehmen und den Vertriebsbereich (Rene Huber), den nur wenig Aktionäre nicht richtig interpretieren konnten (wollten).
Die oekostrom AG wird auch in den folgenden Jahren die Direktvermarktung von (echten) Grünstrom aus Kleinkraftwerken forcieren und möchte diesbezüglich bis zum Jahr 2020 den Einkauf auf 100% (bei Kleinkraftwerken) bringen. Ein löblicher Ansatz.
Für einen (im Vergleich zum Vorjahr gemäßigten) Diskurs sorgte auch die Tatsache, dass man bei der oekostrom AG auch Gas kaufen kann. Hier bietet die oekostrom AG 100% österreichisches Gas mit Biogasanteil an - ein Produkt, welches österreichweit einzigartig ist und helfen soll, auch bei Gas in Zukunft ein "Gütesiegel" (Herkunftsnachweis, Umweltzeichen) zu kriegen.
Eine absolute Notwendigkeit, wiewohl einigen der Gasvertrieb in der oekostrom AG nach wie vor nicht schmeckt. Die Diskussionen dazu wurden aber zumeist einigermaßen sachlich geführt, ein Großteil der oekostrom-AG-Aktionäre versteht mittlerweile die Argumentation der Vorstände, hier ein Zeichen setzen zu wollen und ein innovatives Gasprodukt für Vollkunden anbieten zu können. Denn das kleinste fossile Übel Gas ist (leider) noch die nächsten Jahrzehnte fixer Bestandteil der Energiewende - das kapiert mittlerweile sogar die Geldmarie;-)
Für die Hardcore-Anti-Gas-Fraktion unter den Aktionären gab es aber einen kleinen Erfolg: Die neu adaptierte (und IMO sinnvolle) Satzung verfehlte auf der Hauptversammlung die notwendige Dreiviertelmehrheit, 73% Prostimmen waren knapp zu wenig und die Diskussion wird auf der nächsten HV wohl weitergeführt.
Eine Diskussion, die zwar berechtigt ist, leider aber mit oft sehr unsachlichen Argumenten ("dann könnte ja dann auch Kohle verkauft werden") geführt wurde.
Auch die "Fragenrunde" auf der Hauptvesammlung der oekostrom AG (und wohl nicht nur dort) ist oft an Peinlichkeiten kaum zu überbieten: Da kommen dümmliche Fragen ("Haupttäter" sind oft ältere Herren, die wohl zu viel Zeit haben), deren Beantwortung mit "Geschäftsbericht lesen", "online nachschauen", "Zahlen in den Taschenrechner eingeben", "zuhören" oder einfach nur "denken" leicht in Selbstbeantwortung möglich wäre - der Hauptgrund, warum ich Hauptversammlungen eigentlich äußerst ungern besuche. Wiewohl dies natürlich zur "Basisdemokratie" gehört - aber die auf Hauptversammlungen üblichen Selbstdarsteller wird es wohl immer geben...
Die lange Jahre leidgeprüften Aktionäre dürfen sich für 2017 über eine Dividende von 3 Euro freuen, bei (gestiegenen) Aktienkursen von derzeit 110-120 Euro (Bid-Ask) ist das eine durchaus nette Dividendenrendite. Das Rekordjahr 2017 wird aber wohl 2018 nur sehr schwer zu erreichen sein - bisweilen dürfen nämlich alle heimischen Windkraftwerkbetreiber über deutlich zu wenig Wind raunzen. Aber das kann sich im Restjahr ja noch ändern.
Durchaus möglich auch, dass die oekostrom AG 2018 oder 2019 noch eine Kapitalerhöhung durchführt - die Kapitalerhöhung 2017 war ein toller Erfolg, die Aktienkurse haben zuletzt angezogen, die Wirtschaftslage ist (noch) ausgezeichnet, 2017 wurde ein Rekordergebnis eingefahren und die Zinsen sind extrem niedrig. Da muss man dann wohl gar nicht viel in Werbung für neue Aktien machen - die wären wohl ein Selbstläufer...
Die Hauptversammlung sprach sich dann auch noch mit großer Mehrheit (nicht verbindlich abgestimmt sondern einmal abgefragt) für eine optinelle Notiz der Aktien am 3. Markt der Wiener Börse aus - so hier die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden (derzeit in Arbeit), könnte man die Aktien dann auch flüssiger handeln und eine Kapitalerhöhung würde noch mehr Resonanz erhalten.
Einen (diesbezüglich) wichtigen Satz von Lukas Stühlinger (der auch ein Leitsatz in der Privatinvestmentwelt der Geldmarie ist) möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: "Klima wird zum Wirtschaftsfaktor".
Die Finanzwelt hat schon kapiert, dass erneuerbare Energien DER Zukunftsmarkt sind, selbst eher dümmliche Politiker leugnen den Klimawandel immer leiser. Als Anleger/Investor sollte man aber gerade im wachsenden Sektor der Nachhaltigkeit sehr vorsichtig sein, da gibt es auch immer mehr Angebote, von deren Seriösität man sich einmal ausführlich überzeugen sollte. Pleiten im heimischen Crowdinvesting haben dies schon mehrfach bewiesen.
Bei der oekostrom-AG muss man sich diesbezüglich aber keine Sorgen machen, ich werde jedenfalls weiter investiert bleiben und gegebenenfalls auch zukaufen bzw. junge Aktien zeichnen.
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - Juni 2018