Die deutlichsten Nachwehen der Finanzkrise 2007/2008 sind auch dieser Tage in unseren Breiten klar zu spüren: Niedrige Zinsen. In fast allen Ländern der Eurozone wurden in diesen Jahren die Staatsbudgets schwer strapaziert (u.a. für Bankenrettungspakete etc.), nur 2011 keimte ganz kurz bei Sparern die Hoffnung auf, die Zinsen würden wieder etwas steigen.
Die Staatshaushaltssanierung in Griechenland war da nur die Spitze des Eisberges - auch viele andere Länder in der Eurozone sind seitdem noch höher verschuldet und die Politik ist (ob durchaus sinnvoller Defizitgrenzen innerhalb der Eurozone) in der groben Verlegenheit, keine Geschenke mehr verteilen zu können.
Während man in der Eurozone da besonders streng ist (und mit einigen Ländern auch sein muss, wie sich schon herausgestellt hat), bläht z.B. die USA ihre Staatsschulden schon auf ca. 110% des BIP (aktuell betragen die Schulden der USA sagenhafte 22 Billionen Dollar) auf, Japan liegt schon länger weit über 230% (und hat schon Jahrzehnte sehr niedrige Zinsen), Großbritannien immerhin bei 88%.
Aber bei den genannten "Großen" handelt es sich ja um eigene Staaten mit relevanter Wirtschaftsleistung, nicht um einen Währungsverbund wie dem Euro - in welchem es gilt, auf finanztechnisch sehr nachlässige bzw. fahrlässige Länder zu achten bzw. diesen auf die Finger zu klopfen.
Griechenland hat aktuell eine Verschuldungsquote von rund 190% des BIP, Portugal hält bei 121%, Belgien bei 101% - diese Staaten sind aber für die Eurozone nicht wirklich DAS große Problem:
Dieses stellen eindeutig große Länder wie Italien (130% Schuldenquote), Frankreich (97%) oder Spanien (97%) dar, in welchen es derzeit politisch immer spannender wird: Mangels Spielraum für Wahlgeschenke kommen dort immer häufiger Populisten auf (bzw. sind schon an den Hebeln) bzw. geht das Volk auf die Barrikaden. Sehr gefährlich...
Gerade für die genannten Länder (aber auch für Länder wie Österreich, wo man derzeit bei rund 75% Verschuldungsquote hält) wären höhere Zinsen absolutes Gift - und könnten auch im Nu die Eurozone sprengen. Schaffen es nämlich Italien, Frankreich oder Spanien nicht, die Verschuldung stabil zu halten oder (idealerweise) zu drosseln, droht dem Euro nämlich früher oder später das Scheitern. Und das weiß natürlich auch die EU-Politik bzw. der EZB-Chef.
Ich tippe hier auf "späteres Scheitern" und eine damit noch länger dauernde Politik der Niedrigzinsen - die Politik wird erfahrungsgemäß so lange faule Kompromisse schließen und den Status Quo bewahren, bis wirklich nichts mehr geht. Und da bleibt wohl noch Zeit - wiewohl es natürlich sehr interessant (aber leider wohl auch für uns sehr teuer) wäre, das eine oder andere Land aus der Währungsgemeinschaft zu verabschieden.
Darob ist zu erwarten, dass -wie in Japan schon lange der Fall- die Zinsen auch in Europa noch lange niedrig bleiben werden.
Während sich die Kreditnehmer und Immobilienhändler über die dauerhaft niedrigen Zinsen freuen (hier wächst schon jetzt eine Blase heran, wie groß die wird, kann aber keiner seriös sagen), sind klassische Sparbuchsparer eindeutig die Leidtragenden der Niedrigzinspolitik.
Für Sparbücher bei der Hausbank sind Zinsen von 0,1% bis 0,2% (selbst bei kurzfristiger Bindung!) keine Seltenheit, bei Tagesgeld und Festgeld (siehe Geldmarie-Rubriken und Vergleiche) sind es 0,5 bis 1% Verzinsung, bei längeren Laufzeiten/Bindungen maximal bis 2%.
Auch wenn hier 2019 wohl schon die Talsohle erreicht sein dürfte - ein deutlicher Anstieg bei den Zinsen ist derzeit nahezu unmöglich und man erleidet bei jeder Sparform nach Abzug der Inflation sowie der Kapitalertragsteuer einen Realwertverlust von 0,5 bis 2 Prozent.
Sparbuch, Festgeld oder Tagesgeld sollten daher nur ein kleiner Teil der eigenen Anlagestrategie sein - eine solche Strategie muss aber natürlich jeder für sich selbst beantworten bzw. ausarbeiten.
Mögliche Alternativen dazu (mit viel Information zu den einzelnen Anlageformen) finden Sie im Anlagebarometer der Geldmarie.
Ad hoc-Meldung - Februar 2019