Auch wenn es derzeit recht einfach ist, die alten Buberln der FPÖ auszuspotten - für das evidente Versagen in Sachen heimischer Klimapolitik ist primär die ÖVP in die Pflicht zu nehmen: Seit 1987 stellt diese nämlich die Umweltminister. Ob Berlakovich, Rupprechter oder -aktuell- Elisabeth Köstinger - irgendwie wurde dieses Ministerium zuletzt immer Personen zugeteilt, welche innerparteilich (und auch in der jeweiligen Koalition) kaum bis gar nicht über die nötige Durchschlagskraft verfügen, die akute Umwelt- und Klimaproblematik ordentlich anzugehen.
War seitens FPÖ in Sachen Klimaschutz und ökosozialer Steuerreform ohnehin genau nichts zu erwarten (vom Klimawandelleugnen bis hin zu 140 km/h auf der Autobahn seitens Norbert Hofer, das ist in etwas so intelligent, wie heute auf die Idee zu kommen, neue Telefonzellen aufzustellen) so hat sich auch die SPÖ in Sachen Erneuerbare (gelinde gesagt) sehr zurückgehalten: Ökostrom ist schlichtweg kein Thema der Stammwähler (ausgenommen vielleicht Beschwerden über Ökostromzuschläge auf der Stromrechnung...), darüber hinaus sitzen wohl auch einige Genossen in Toppositionen heimischer Landesversorger...
Das Resultat: Österreich wird mit einiger Sicherheit (so nicht rasch in vielen Bereichen gehandelt wird) seine Klimaziele deutlich verfehlen, Strafzahlungen für den Zukauf von CO2-Zertifikaten von 1,3 bis 6,6 Milliarden Euro (je nach Zertifikatpreisen im Zeitraum 2021-2030) drohen. Geld, dass anderswo dringend gebraucht werden könnte...
Das politische Blabla von (rechnerischen) 100% erneuerbarer Strom bis 2030 erfordert den raschen Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und auch von Wasserkraft - 2017 lag der Ökostromanteil an der österreichischen Stromproduktion bei (scheinbar guten, danke Wasserkraft!) 74%, 2018 wird dieser ob steigendem Stromverbrauch und rückläufigem Ausbau (sowie auch der schlechten Wasserführung) wohl sogar unter dem Vorjahreswert liegen...
Teure und steigende Stromimporte (aus fragwürdigen Quellen) des einstigen Stromexporteurs Österreich resultieren daraus, die Bilanz in Sachen Treibhausgase (THG) verschlechtert sich weiterhin: 2017 zog der Treibhausgasausstoß in Österreich um 3,3% an, auch für 2018 ist ein Plus zu erwarten, für 2019 wohl ebenso. Diese Erhöhung bei den Treibhausgasen ist aber natürlich auch der guten Wirtschaftslage zu "verdanken" (u.a. Stichwort "Mitteleuropas Dieseldiskonter Österreich"), bei Treibhausgasen ist der Verkehr besonders relevant, aber auch die Landwirtschaft, Gebäude (Heizung), Energie und Industrie sowie die Abfallwirtschaft sind hier wesentliche THG-Verursacher.
Während sich die Branchenvertreter IG Windkraft und Photovoltaik Austria quasi den Mund via vieler Aussendungen zur aktuellen Ausbaumisere in Österreich fusselig reden, sieht es politisch derzeit ganz klar nach weiterer Verzögerung in Sachen Klimastrategie Österreich aus. Zu gering dotierte Fördertöpfe versiegen inzwischen in Rekordzeit und lange Warteschlangen in Sachen Projektfördergenehmigung (Windkraft!) bilden sich.
Damit verpasst man in Österreich viele Möglichkeiten: Einerseits in der technikaffinen Branche neue Betriebe und Beschäftigte zu fördern, deren Know-How und Tun auch ein zukünftiger Exportschlager werden könnte, andererseits die Möglichkeit, von fossilen Brennstoffen (und deren oft dubiosen Produktionsländern) unabhängig(er) zu werden. Von Klimazielen, Strafzahlungen uvm. gar nicht einmal zu reden...
2018 konnten mit Windkraftwerken in Österreich immerhin schon ca. 7 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugt werden (ca. 11% des Jahresstromverbrauches in Österreich), die Deutschen haben schon vor Jahren kräftiger ausgebaut (aktuell wurden die Förderungen für die Windkraft deutlich reduziert) und lagen 2018 bei einem Windkraftstromanteil von 20,4% der Gesamterzeugung. 2019 liegt man (lt. Daten ISE Fraunhofer) aktuell sogar bei 26,3% Windstrom, das wird sich aber ob zu erwartender Windflaute im Sommer noch reduzieren. Gut möglich aber, dass die Windkraft in Germany 2019 sogar zur wichtigsten Stromerzeugungsvariante wird: Diesbezüglich war 2018 noch die Braunkohle (24% Anteil, 2019 bisher 19,8%) vorne - der Kohle- und Atomausstieg Deutschlands ist natürlich deutlich schwerer zu schaffen, als die bei uns kolportierten 100% Strom aus erneuerbaren Quellen...
Noch evidenter ist der Nachholbedarf in Sachen Photovoltaik: Mit einer installierten Leistung von 1,4 GWp (15 GWp wünscht sich übrigens Photovolatik Austria bis zum Jahr 2030) deckt man gerade einmal rund 2% der heimischen Stromproduktion ab - und das mit einer Technologie, die schon einige Jahre die (auch rechnerische) Marktreife erlangt hat...
Im Vergleich zu Deutschland (wo die "Photovoltaikgoldgräberstimmung" derzeit abebbt) sind diese Zahlen fast lächerlich: Starke 8,4% der gesamten deutschen Stromproduktion kamen dort 2018 aus Solarenergie - und zwar dann (untertags), wann dieser Strom immer dringend benötigt wird und damit den Kohleanteil deutlich reduziert.
Kohle ist übrigens in der heimischen Stromerzeugung nicht mehr wirklich ein Problem (nur noch wenige Kraftwerke heizen hier an Bedarfstagen ein), mit einem höheren Anteil von Wind- und Solarstrom kann man aber sehr häufig die Gasverstromung reduzieren. Gas wird übrigens auch in den nächsten Jahrzehnten für die heimische Stromerzeugung wichtig sein - starke Netzschwankungen bzw. Spitzen können mit Gas (und natürlich auch Pumpspeicherkraftwerken) sehr gut kompensiert werden.
Ungeachtet des politischen Stillstands im Lande können Sie natürlich Ihre eigenen Klima-, Strom- oder Finanzziele definieren: Eine Photovolatikanlage aufs Dach stellen (oder auch eine "Balkonlösung" - diese rechnet sich aber derzeit nur für die Umwelt...) oder (private) Windkraftwerksbetreiber wie die W.E.B Windenergie, die Windkraft Simonsfeld oder die oekostrom AG via Aktien- oder Anleihenkauf unterstützen.
Geldmarie-Linktipps:
Ad hoc-Meldung - Mai 2019