Spannende Zeiten in Sachen Politik in Österreich: Nach Ibiza-Gate folgten die EU-Wahlen, aktuell kommt es wohl zur Abwahl der Kurz-Regierung und der nächste Wahlkampf steht in Österreich somit schon wieder vor der Tür.
Wohin die Reise in Österreich im September gehen wird, zeigen wohl schon die EU-Wahlen, deren vorläufiges Ergebnis schon ziemlich fix scheint. Nur noch die Briefwähler fehlen für das Endergebis, diese sind aber in der (zumeist ziemlich genauen) Prognose schon inkludiert.
Mit 34,9% der Stimmen konnte die schwarz-türkise ÖVP fette 7,9% gewinnen. Die diesbezügliche Überraschung hält sich aber in Grenzen: Schon vor "Ibiza-Gate" waren die Umfragewerte für die ÖVP ausgezeichnet.
Einerseits gab es den Kanzlerbonus von Kurz (der gar nicht zur Wahl stand, das ist aber den Menschen egal), darüber hinaus konnte Karas mit seiner unaufgeregten bis langweiligen Art, die fast an einen "Sprachbot" erinnerte, die Stammwähler halten. Im Vergleich zum bescheidenen Ergebnis anno 2014 (wo es auch zur stimmenstärksten Partei reichte) wurden aber auch viele Nichtwähler aktiviert und so mancher gemäßigte FPÖ-Wähler konnte angesprochen werden.
Man erinnere sich an das Ende der ersten VP-FP-Regierung: Auch damals konnte Schüssel massiv FPÖ-Wähler zu sich ziehen. Das wird sich dann wohl auch bei den Nationalratswahlen in ähnlicher Form wiederholen.
Ein frustrierender Wahlabend für die Sozialdemokratie: Als stärkste Oppostionspartei (von der zuletzt nur über interne Streitigkeiten bekannt wurden) hätte man sich von Ibiza-Gate wohl mehr erhofft.
Der farblose Spitzenkanditat für die EU-Wahl (Parteisoldat Schieder) und die offensichtlich schwache Parteichefin Rendi-Wagner (der pausenlos der Doskozil reinquatschen muss - der hat wohl noch mehr vor...) führten zu bescheidenen 23,4% (schwächstes EU-Ergebnis für die SPÖ bisweilen), was einem Minus von 0,7% entspricht.
"Jetzt erst recht" reichte für die durch Ibiza-Gate schwer angeschlagene FPÖ immerhin 17,2% zu holen und damit wohl weit über den eigenen Erwartungen zu bleiben.
Es zeigt sich, dass die FPÖ es wohl zwischenzeitlich geschafft hat, eine Stammwählerschaft zu bilden - die selbst die größten Schweinereien negiert. Das Minus von 2,5% ist somit marginal - man sollte aber auch beachten, dass die FPÖ vor 2 Wochen noch irgendwo bei 20-25 Prozent lag!
Trotzdem traurig - und für Österreich nicht untypisch.
Dass man über ein Minus von 0,6% (auf ca. 14%) derart jubeln kann wie bei den Grünen, liegt alleinig in der Tatsache, dass die Grünen erst vor 2 Jahren aus dem österreichischen Parlament geflogen sind.
Ein überzeugendeer Spitzenkanditat Kogler, viele ehemalige Grün-Stammwähler mit schlechtem Gewissen (bereuten sehr rasch, damals Pilz oder die SPÖ gewählt zu haben) sowie auch das aktuelle Thema Klima: Die Grünen haben wieder Rückenwind und haben ein fulminantes Comeback hingelegt.
Gut möglich, dass die Grünen auch im nächsten Parlament wieder zweistellig anschreiben.
Ausgezeichneter Wahlkampf der jungen Spitzenkanditatin Gamon - wie üblich bei Liberalen natürlich mit Inhalten, die mit Populismus wenig zu tun haben. Vereinigte Staaten von Europa, gemeinsame EU-Armee etc. sind Themen, die wohl früher oder später kommen werden - viele aufgeschlossene Wähler waren damit aber überfordert.
Trotzdem steht derzeit ein kleines Plus von 0,6% (auf 8,7%) zu Buche - im Vergleich mit der Wahl vor 5 Jahren (als noch große Aufbruchstimmung bei den NEOS war) ist das ein sehr beachtliches Ergebnis und im Vergleich mit den Nationalratswahlen sogar ein Top-Ergebnis.
Scheint so, als ob die NEOS zur Konstante in der heimischen Innenpolitik werden - das hat die Vorgängerpartei (Liberales Forum) nicht so lange geschafft.
Zusammen 1,9% - ohne Worte...
Wie unterschiedlich Europa wählt, zeigt sich in den einzelnen Ergebnissen: Da gewinnen die Sozialisten, dort die Bürgerlichen und dann sind wieder die Populisten bzw. die Rechten vorne.
Das politische Spektrum in Europa wird breiter, die Altparteien verlieren Jahr für Jahr an Gewicht und links, rechts sowie auch in der Mitte tut sich einiges.
Sowohl Europäische Volkspartei als auch die Sozialdemokraten verloren rund 5% Stimmenanteile, sind aber mit voraussichtlich 179 Sitzen (EVP) sowie 150 Sitzen (Sozialdemokraten) nach wie vor die 2 stärksten Fraktionen im EU-Parlament. Eine Mehrheit im EU-Parlament geht sich aber bei 751 Paramentssitzen da mit Sicherheit nicht mehr aus - da müssen in der nächsten Periode die Liberalen oder die Grünen ran...
Mit 107 Sitzen gehört die ALDE (Liberale) zu den Wahlsiegern in Europa, das Plus von 5% ist aber primär auf die Macron-Partei in Frankreich zurückzuführen.
Zweiter Wahlsieger sind die Europäischen Grünen, die rund 70 Sitze erhalten haben (ca. +2,5%) und wohl weiter wachsen werden.
Für die europäischen Populisten sowie Rechten gab es zwar fast überall starke Zugewinne (z.B. Italien, Frankreich, Ungarn etc.) - nachdem man sich ganz rechts bzw. rechtsaußen nicht auf eine gemeinsame Populistenpartei einigen kann (da gibt es wohl zu viele Egozentriker, gut so), wird es für die Rechten wohl weiter nur zum Rauzen und Sudern über die EU reichen.
Wer glaubt, diesbezüglich kehrt Ruhe ein, der täuscht sich wohl gewaltig: Der Populismus in Europa ist weiterhin stark steigend.
Demokratiepolitisch sehr erfreulich: Die Wahlbeteiligung ist in Europa (und auch in Österreich) deutlich angestiegen.
Ad hoc-Meldung - Mai 2019