Es war ein zähes Ringen um auch noch die SPÖ an Board zu kriegen (Dreiviertelmehrheit im Nationalrat notwendig), nun ist es aber endlich gelungen: Das EAG (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz) wird nun im Parlament beschlossen. Damit soll Österreich bis 2030 bezüglich Strom 100% Erneuerbare Energie erzeugen - zumindest rechnerisch, denn bei wenig Produktion (wenig Wasserführung, wenig Wind, wenig Sonne - oft im Winter) und viel Stromverbrauch wird wohl weiterhin viel Dreckstrom via Tschechien oder Deutschland zu uns kommen.
Das Ziel ist jedenfalls einmal mittels Zahlen definiert und da wie dort herrscht vorrangig positive Stimmung bis Jubelstimmung: Global 2000, Arbeiterkammer, Industriellenvereinigung, E-Wirtschaft, Erneuerbare Energie Österreich, IG Windkraft, BV Photovolatic Austria oder Kleinwasserkraft Österreich - alle genannten haben schon ihre Freude bzw. Zufriedenheit über das EAG bekundet.
Eine Milliarde Euro soll nunmehr jährlich in den Ausbau von Ökostrom fließen, die Produktion soll um satte 27 Terawattstunden (TWh - 1 TWH = 1 Milliarde Kilowattstunden) gesteigert werden. Zuletzt betrug die Ökostromproduktion 55,6 TWh, die Gesamtstromerzeugung bei ca. 71 TWh und der Gesamtstromverbrauch 2020 in Österreich lag bei 73,5 TWh.
Der Hauptzubau bei Ökostrom soll via Photovoltaik gelingen - um fette 11 TWh soll hier zugebaut werden. Dass dies in etwa das Siebenfache der aktuell installierten Leistung ist (2020 lag die Produktion bei 2,035 TWh = 3,6% der Stromerzeugung), zeigt schon, wie ambitioniert das Ausbauprogramm bei Photovoltaik ist.
Auch der zuletzt sehr schleppende Ausbau der Windkraft soll wieder in die Gänge kommen: 10 TWh Produktion sollen hier hinzukommen. Die IG Windkraft zeigt sich hier schon skeptisch und meint, dass mit dem EAG nur ein jährlicher Zubau von 400 MW möglich sei, 500 MW wären jedenfalls zur Zielerreichung notwendig.
Starke 5 TWh sollen auch zusätzlich aus der Wasserkraft gewonnen werden - angesichts vieler zu erwartenden Proteste bei nahezu jedem Wasserkraftwerk wohl auch keine einfache Übung.
Auch die zuletzt ziemlich geprügelte Stromerzeugung aus Biomasse (weil recht teuer) soll zulegen dürfen und eine zusätzliche Terawattstunde pro Jahr zusätzlich produzieren - auch hier darf man gespannt sein, wer es (ob einiger Pleiten in der Branche) wagt, diese Terawattstunde zu errichten.
Auch der Fernwärmeausbau sowie die Infrastruktur für Wasserstoff und Grünes Gas soll mit dreistelligen Millionenbeträgen gefördert werden, die Gründung von Energiegemeinschaften soll erleichtert werden.
Die Zustimmung der SPÖ zum EAG erfolgte (sinnvollerweise) erst dann, als man Ausnahmen bei der Ökostromabgabe für finanzschwache Haushalte definierte:
Rund 4 Millionen Haushalte gibt es derzeit in Österreich, davon müssen rund 550.000 Haushalte keine bzw. gedeckelte Ökostromabgaben zahlen. Die Deckelung liegt hier bei 75 Euro pro Jahr, wer von der GIS befreit ist, muss gar keine Ökostromabgaben leisten.
Für den Durchschnittshaushalt (= 3.500 KWh Verbrauch) rechnet man mit maximal 114 Euro Ökostromabgabe pro Jahr - gar nicht so schlimm, wenn man bedenkt, dass 2016 hier schon 120 Euro bezahlt wurden und es 2021 111 Euro sind...
Rechnet man sich das einmal grob durch, bleibt dann doch noch eine Lücke auf die jährliche Milliarde, die wohl budgetwirksam wird...
Auch wenn die jährliche Milliarde und das Ziel der rechnerischen 100% Ökostrom bis 2030 sich gut anhören - der Weg ist das Ziel. Und hier liegen noch sehr viel Steine im Weg! Hier einige davon:
Der Stromverbrauch wird bis 2030 ziemlich sicher weiter ansteigen - denn bis auf das Coronajahr 2020 (-3,3% zu 2019) stieg der Stromverbrauch fast Jahr für Jahr. Dafür sorgen schon weitere Klimaanlagen im Sommer und wohl auch jede Menge Elektroautos (die derzeit noch nicht ins Gewicht fallen, aber Jahr für Jahr deutlich mehr werden).
Der Ausbau der Photovoltaik um 11 TWh Produktion scheint mir fast unrealistisch. Eine bundesweite Pflicht im Neubau bzw. eine Errichtungspflicht für Landes- und Bundesgebäude (ausgenommen denkmalgeschützte Dächer/Gebäude) scheint hier fast unumgänglich, auch bei Gemeinschaftsanlagen muss hier wohl noch nachgerüstet werden. Bei Freilandanlagen sollte man sehr vorsichtig sein - sonst wird hier jede Menge nutzbares Gründland grauslich verbaut. Da wir schon 2021 schreiben und noch immer keine genauen Details zu den Förderungen haben, ist dieses Ziel wohl absolut unrealistisch und ich wäre schon erstaund, wenn man die Hälfte erreichen würde...
Bei den Windrädern kommt immer mehr Widerstand von diversen Bürgerinitiativen. Hier werden die 10 TWh Zubau wohl primär durch Repowering-Projekte (= z.B. ca. 6-8 alte Windräder werden durch 2 neue, größere Windräder ersetzt und die Stromproduktion kann trotzdem verdoppelt werden da die neuen Anlagen deutlich stärker/größer sind) ermöglicht, neue Windparks wären aber zur Zielerreichung wohl ebenso sehr wichtig. Werden es hier 7-8 TWh plus, wäre das auch schon ein Erfolg...
Bei der Wasserkraft (+5 TWh) wird es genauso schwierig, hier sollte man insbesondere auf Pumpspeicherkraftwerke nicht vergessen, die Überschussstrom aus den Erneuerbaren (vor allem Wind!) speichern können. Auch der Netzausbau ist hier sehr gefragt, schließlich muss der überschüssige Windstrom ja vom Flachland in die Berge fließen können...
Und auch bei der Biomasse habe ich Zweifel, ob hier das (eh schon bescheidene) Ausbauziel erreicht wird.
Darüber hinaus ist nicht fix, dass die Wasserkraft (sorgt immerhin Jahr für Jahr für rund 60-70% der Ökostromerzeugung) auch in den nächsten Jahren für genug Grundlast sorgen kann - immerhin schmelzen die Gletscher Jahr für Jahr ab, es wird heißer und heißer und die Trockenperioden werden länger und die nunmehr immer häufigeren Starkniederschläge sind nicht so brauchbar wie regelmäßige Regenfälle.
Wenn es in Summe zusätzliche 20 TWh Ökostrom pro Jahr werden (27 wären geplant), wäre das wohl schon ein Erfolg - den man nur mit brauchbaren und transparenten Förderschienen (die erst folgen) erreichen kann.
Noch wichtiger in Sachen Klimaschutz erscheint mir aber eine (sozial verträgliche) CO2-Bepreisung: Themen wie Verkehr, Industrie oder Raumwärme haben ja mit dem EAG (= primär Strom) wenig zu tun - sorgen aber für den meisten Dreck...
Ad hoc-Meldung - Juli 2021