Erst jüngst durfte sich so manche Fossillobby hierzulande über das EAG (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz - betrifft primär Strom) ärgern, nach der gestrigen Präsentation des "EU-Green-deal" rotieren die Benzinbrüder aller Art nun höchst aktiv - selbst in den Foren der eher linken Medien. Kein Wunder: Die heilige Kuh, die vor der Haustüre steht, scheint in Gefahr!
Bei der Senkung der Emissionen ist die EU ja schon derzeit auf dem richtigen Weg - auch ohne Corona-Jahr 2020 sind in den meisten Ländern die Emissionen schon leicht sinkend. Verglichen mit dem Basisjahr 1990 würde man bis 2030 (ohne neue Maßnahmen) immerhin bei rund -43% landen - die europäischen Politiker haben sich aber -fast überraschend- schon zum Jahreswechsel auf ein ambitioniertes Ziel von -55% geeinigt. Bis 2050 ist gar die "Klimaneutralität" Europas angestrebt - ebenfalls ein sehr ambitioniertes (ja fast unerreichbar scheinendes) Ziel.
Die Richtung zu den -55% wurde nun von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen präsentiert - und Stunk mit Lobbyisten vieler Branchen sowie schwere Verhandlungen mit manchen Ländern sind natürlich vorprogrammiert. Da gibts die Klimawandelleugner, die Verdränger ("...macht eh keinen Sinn, wir verursachen in Europa ohnehin nur 8%...mir wuascht, hob eh kane Kinder und die Heizkosten werden günstiger..."), die Benzinbrüder, die bezahlen Lobbyisten ("mache alles, Hauptsache, die Kohle stimmt") uvm.
Primär hat die EU bei den Senkungen die Bereiche Energie (+Gebäude) und Verkehr im Auge - die ja für den Großteil der Emissionen sorgen. Aber auch Industrie, Landwirtschaft, Schifffahrt, Luftfahrt oder Müllwirtschaft werden da und dort mit neuen Regeln bzw. Vorgaben leben müssen.
Eine eigene CO2-Bepreisung für Benzin, Diesel oder Gas steht ante portas (gerade in Österreich absolut notwendig) und die Verschmutzungszertifikate (mit denen sich u.a. die Industrie "freikaufen" kann) sollen ab 2025 laufend reduziert werden sodass auch der Preis für diese Zertifikate steigt.
Die Ankündigung, ab 2035 keine Verbrennungsmotoren für PKW mehr neu in der EU zuzulassen sorgt aber logischerweise für die größte Unruhe im Volk: Beim eigenen Auto fühlt sich der Durchschnittsbürger dann nämlich tatsächlich betroffen - und stellt sich schon ein trauriges und teures Leben mit der heutigen Generation von Elektroautos vor. Dabei sei aber erwähnt, dass man sich ja 2034 sicher noch ein neues Benzinfahrzeug (oder eine Hybridvariante davon) kaufen kann, welches dann wohl gut und gerne 15 bis 20 Jahre noch gefahren werden kann. Auch Gebrauchtwagen (Diesel oder Benzin) sind dann ab 2035 noch weiter zu erwerben und vielleicht sogar Hybridmodelle mit sehr wenig Treibstoffverbrauch. Dass Verbrennermotoren dann im Betrieb wohl ein teures Vergügen sein werden, sollte aber keine Überraschung sein...
Bis 2035 wird es wohl auch schon wirklich alltagstaugliche UND preisgünstige E-Cars geben, die weit mehr als 300-400 km schaffen und welche deutlich unter 50.000 Euro erhältlich sind. Sieht man sich die Weiterentwicklung des E-Cars in den letzten 10 Jahren an, sollte das bis 2035 locker klappen - insbesondere, wo jetzt schon fast alle Autobauer in Europa erkennen, wohin der Wind weht.
Sehr wichtig werden hier aber auch deutliche Investitionen in die öffentliche Ladeinfrastruktur sein - Staus an manchen Stromtankstellen sind an Spitzenreisetagen wohl schon in den nächsten Jahren zu erwarten. Und nachdem die technische Entwicklung der Ladestationen so rasch vorangeht (= Betreiber muss laufend nachrüsten), ist das Geschäft für private Betreiber hier noch längere Zeit nicht in Sicht - daher muss hier auch der Staat mithelfen.
Auch Wasserstofffahrzeuge sollte man weiter im Auge behalten - die sind das "Dark horse" der Mobilität.
Bei Flugzeugen möchte man seitens EU auf nachhaltige Treibstoffe setzen - auch eine Kerosinbesteuerung (einheitlich bzw. generell) ist hier wohl schon längst fällig. Bei der Schifffahrt (Kreuzfahrten sind unglaublich klimaschädigend) könnte man auch europaweit über eine Ticketsteuer nachdenken bzw. internationale Linien mit einer zusätzlichen Hafengebühr in Sachen Klimaschutz belegen.
Politisch ziemlich heiß wird auch eine "Carbonabgabe" für Importe aus Drittländern. Bei Stahl, Aluminium, Düngemittel und Zement möchte man hier loslegen. Proteste für diese neuen Einfuhrzölle sind wohl vorprogrammiert - Gegenzölle betroffener Länder sind vorprogrammiert.
Dass der internationale Handel sich nicht unbedingt positiv auf die europäische Industrie auswirkt (die sozialen Standards bzw. Umweltstandards in Europa machen Produkte natürlich teurer als diese z.B. in China sind) ist evident, dass zu viel "Outsourcing" nach Asien auch ein Problem werden kann, sah man erst im Vorjahr in Sachen Maskenproduktion bzw. jüngst bei einem Schiffsunfall im Suez-Kanal bzw. einer aktuen Containerknappheit nach Abebben der Frühjahrs-Pandemiewelle...
Ich halte solche Zölle (um beim richtigen Namen zu bleiben, "Carbonabgabe" klingt ja nett...) für absolut richtig und wichtig - dass wir die Produktion aus Europa vielfach ausgelagert haben, war dumm, ist aber natürlich da und dort aus Sicht der betreffenden Unternehmen (= niedrigere Kosten, weniger Hürden bei Bewilligungen, niedrigere Steuern) absolut zu verstehen.
Ob es aber notwendig und auf Dauer intelligent ist, die Produktion vielfach nach Asien auszulagern, ist schwer zu hinterfragen: In vielen Ländern am Balkan, in Nordafrika oder z.B. in der europabereiten Ukraine wären wirtschaftliche Investments deutlich sinnvoller - vorausgesetzt, die politische Lage erlaubt es dort. Da ist natürlich die nun 100-jährige Kommunistische Partei Chinas deutlich besser einzuschätzen als Lokaldiktatoren da und dort...
Klimaschutz bzw. das Senken von Emissionen hat natürlich unglaublich viele Facetten. In Österreich wirkte sich in den letzten Jahren primär der Tanktourismus bzw. der zögernde Ausbau der Erneuerbaren (bei gleichzeitig steigendem Stromverbrauch) sehr negativ auf die Klimabilanz aus.
Mit dem EAG kommt hier nun hoffentlich einiger Schwung in die Erneuerbaren (wo man sich zu lange auf unsere Wasserkraftwerke ausgeruht hat, nun sind wir Jahr für Jahr Stromimporteur). Tatsache ist aber auch, dass (trotz hoher Besteuerung) unsere Spritpreise im Vergleich mit den Nachbarländern (in die wir vor 30 Jahren noch zum Tanken fuhren) extrem günstig sind. Sowohl ausländische LKW`s wie auch Reisende wissen genau: In Österreich kann man sehr billig nachtanken. Rund 1/3 des Gesamtvolumens entfällt bei Sprit in Österreich auf Tanktourismus - hier könnte man mit einer CO2-Abgabe (die aber nicht im Budgetloch versickert sondern die dann ökologischen Projekten bzw. sozialem Ausgleich der Steuererhöhungen dient) auf mitteleuropäisches Niveau erhöhen. Klar aber, dass dann auch die eine oder andere Milliarde aus dem Tanktourismus (2019 betrug nur die Mineralölsteuer 4,5 Mrd. Euro) flöten geht...
Grundsätzlich ist das präsentierte EU-Paket aber ein Meilenstein in die richtige Richtung - ich bin mir aber relativ sicher, dass so manche Maßnahmen in den nun folgenden Verhandlungen (die sich wohl bis mindestens 2023 ziehen werden) gekippt bzw. massiv entschärft werden. Deutschlands Autoindustrie oder Polens Kohleindustrie wird hier wohl massiv aufschreien - und in 27 Ländern gibt es wohl viele Menschen, die da und dort Angst um ihre Branche haben. In vielen Fällen verständlich.
Aber sieht man sich dieser Tage die Faktenlage (und auch nur das Wetter der letzten Jahre) an, muss man erkennen, dass derartige Maßnahmen unausweichlich sind - insbesondere, wenn man den nächsten Generationen noch gröbere Folgen ersparen möchte. Der Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter ist unumgänglich - wird aber wohl noch viele Jahrzehnte dauern und deutlich langsamer gelingen als seitens Politik geplant bzw. versprochen. Sich hier auf die Anderen auszureden, ist höchst dümmlich - vor der eigenen Türe (=Europa) zu kehren zu beginnen, hingegen sehr löblich.
Und wer neue Chancen rasch erkennt, profitiert dann später auch dementsprechend. Wiewohl der Klimawandel natürlich weltweites Handeln erfordert - fangen wir einmal bei uns an. Europa hat unglaublich viel Kapital - und das gilt es auch in den nächsten Jahrzehnten sinnvoll einzusetzen.
Ad hoc-Meldung - Juli 2021Geldmarie-Linktipp: