Der Atomausstieg Deutschlands bis Ende 2022 ist fix (3 AKW schalten Ende 2021 endgültig ab, die restlichen 3 dann Ende 2022) und die neue Ampelkoalition in Berlin hat gerade ambitionierte Ziele bekanntgegeben: Kohleausstieg in der Stromproduktion schon bis 2030 (2021 fast 30%!), 15 Mio. Elektroautos zugelassen bis 2030 (derzeit gerade einmal knapp über eine halbe Million!), Ende des Gaseinsatzes in der Stromproduktion bis 2040 (derzeit rund 11% der Gesamtproduktion) sowie 80% Grünstromanteil bis 2030.
Alles extrem hohe Ziele, an denen aber wohl selbst die zuletzt in Sachen Umstellung der Stromproduktion auf Erneuerbare durchaus erfolgreichen Deutschen wahrscheinlich scheitern werden.
Denn immerhin haben wir schon jetzt Ende 2021 - und gerade das Jahr 2021 ist in Sachen Fortschritt der Grünstromproduktion ein schwaches Jahr - ja sogar ein deutlicher Rückschritt.
Vor einigen Jahren war die deutsche Stromerzeugung ja quasi noch eine "Europäische Kloake": So betrug der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung in Deutschland 2005 (alle Zahlen: Fraunhofer ISE, siehe Linktipp) noch peinliche 11,3%. 2010 waren es deren schon immerhin 19,1% (24,8% Atomkraft, 56,1% Fossile wie Kohle, Öl und Gas) und als im März 2011 Fukushima in die Luft flog, beschloss Deutschland den Atomausstieg und förderte insbesondere Wind, Photovoltaik und Biomasse massiv. Was auch die deutschen Strompreise stark steigen ließ.
War 2010 noch die Atomkraft für 24,8% der Stromproduktion zuständig und Braunkohle und Steinkohle folgten mit wenig Abstand auf den Plätzen, so sahen die Zahlen schon 2015 deutlich besser (wiewohl immer noch traurig) aus: 51,2% der Stromproduktion war immer noch fossil, 15,9% entfielen auf Atomstrom und die Erneuerbaren schafften es schon auf nette 33%. 546,2 Terrawattstunden Strom wurden 2015 in Deutschland produziert.
2020 waren es deren nur 481,2 TWh - die Coronakrise hat auch in Deutschland den Stromverbrauch deutlich reduziert. Die daraus resultierende niedrigere Stromproduktion half im Vorjahr den Erneuerbaren auch, erstmals auf mehr als die Hälfte der Stromproduktion zu kommen: 50,3% (242,13 TWh) entfielen auf Wind, Solar, Biomasse, Wasserkraft oder Solar-Selbsteinspeisung. Von 19,1% auf 50,3% in 10 Jahren: Ein stolzes Ergebnis!
Noch 12,7% der Stromerzeugung entfiel in Deutschland 2020 auf Kernenergie, die Fossilen kamen auf 37% (wovon 17,1% auf Braunkohle und 7,4% auf Steinkohle bzw. 11,9% auf Gas entfielen).
27,4% der Stromerzeugung konnte 2020 in Germany schon der Wind erledigen, die Braunkohle belegte mit 17,1% Platz 2 und die Kernenergie (12,7%) belegte Platz 3 vor Gas (11,9%), Solar/Photovoltaik (9,2%), Biomasse (9,0%), Steinkohle (7,4%) und Wasserkraft (4%).
So weit, so gut: 2021 wird es für die Erneuerbaren bei der Stromproduktion in Deutschland aber einen ziemlichen Dämpfer geben - der höhere Strombedarf und die bisweilen eher schwache Stromproduktion durch Windkraft lassen die Fossilen in Deutschland 2021 wieder stärker werden:
Nach fast 11 Monaten des Jahres 2021 zeigt sich klar, dass die zuletzt stark reduzierten Förderungen den Ausbau der Erneuerbaren deutlich abgebremst haben - und dass Ziele wie 80% Grünstromproduktion anno 2030 ziemlich schwer zu erreichen sind. Insbesondere, wenn ab 2023 der Atomstrom (derzeit rund 13% Anteil) gänzlich wegfällt!
Von den bisher (Stand 29.11.21, 12h) im Jahr 2021 produzierten 452,7 TWh (rund 500 TWh werden es 2021 wohl noch werden) entfallen bisweilen 47,4% auf Erneuerbare, 39,5% auf Fossile und 13,2% auf Kernenergie.
Primär resultiert das Minus bei den Erneuerbaren (welches wohl auch Starkwind im Dezember 2021 nicht mehr verhindern kann) aus den heuer ziemlich schwachen Erträgen aus der Windkraft: Konnte man 2020 noch 131,85 TWh erzeugen und kam damit auf 27,4% der Gesamtstromproduktion, so liegt man aktuell bei 101,76 TWh und nur 22,5% der Gesamtproduktion. Ein ähnliches Bild zeigt sich 2021 in Sachen Windaufkommen übrigens auch in Österreich.
Hinzu kommt auch noch die um rund 5% höhere Produktionsmenge (ob besserer Wirtschaftslage als noch im ersten Corona-Jahr) und auch die zuletzt deutlich reduzierten Förderungen, die auch den Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken zuletzt ziemlich bremsten.
Vom 2021 fehlenden Windstrom profitierten hauptsächlich die Fossilen: Braunkohleverstromung steigerte bisweilen seinen Anteil von 17,1% auf 19,6% und die Steinkohle legte von 7,4% auf 9,1% zu.
Die Solarstromerzeugung legte 2021 zwar um rund 10% zu und liegt derzeit bei 11% der Erzeugung - bis Jahresende wird sich dieser Anteil aber ob der geringen Sonnenmengen im Dezember wohl noch auf rund 10% reduzieren. Ein neuer Produktionsrekord ist zwar jetzt schon fix - das Wachstum fällt aber trotzdem eher bescheiden aus.
Auch die Kernenergie hat nach 12,7% im Vorjahr 2021 einen höheren Anteil an der Stromerzeugung: 13,2% lieferten die noch vorhandenen 6 AKW`s bisweilen.
Beim Gas hielten sich die Deutschen 2021 in Sachen Verstromung noch zurück, nach 11,9% Anteil 2020 sind es bisweilen 10,1%. Das hat wohl auch damit zu tun, dass Gas 2021 extrem teuer geworden ist und die Lager in Deutschland vor dem Winter (wie auch in Österreich) nicht wirklich üppig gefüllt sind.
Die in Deutschland durchaus relevante Biomasse lag im Vorjahr bei 9% Anteil an der Stromerzeugung und liegt aktuell bei 8,6% - hier wird ob der hohen Förderkosten derzeit fast nichts mehr zugebaut.
Gas und Biomasse werden aber wohl schon ab 2022 wieder relevanter werden: Nimmt man zum Jahresende (31.12.2021) wie geplant weiter 3 Atomkraftwerke vom Netz, gilt es hier mehr Grundlaststrom (= Biomasse ist hier sehr tauglich) zu produzieren und auch Stromschwankungen (Gas ist diesbezüglich sehr brauchbar) auszugleichen. Nachdem Deutschland kaum über Speicherkraftwerke, Pumpspeicherkraftwerke oder Laufkraftwerke (wie in Österreich sehr häufig) verfügt, muss man aber auch annehmen, dass die Atomkraftwerke sehr häufig durch Kohlestrom ersetzt werden müssen. Nicht wirklich ideal...
Der Wegfall von rund 13% Atomstrom ist demnach eine ziemlich heftige Aufgabe für 2022 und 2023 - da scheint es sogar sehr wahrscheinlich, dass in den nächsten beiden Jahren der Anteil der Erneuerbaren in Deutschland stagniert oder sogar abnimmt. Die Stromimporte werden jedenfalls deutlich ansteigen.
Dass man in Deutschland bis 2030 auf (rechnerisch) 80% Grünstrom kommen könnte, ist derzeit für die Geldmarie absolut nicht in Sicht.
Österreich hätte es hingegen deutlich leichter als Deutschland, bis 2030 (wie geplant) auf 100% Erneuerbare zu kommen: Startend von derzeit rund 75% Erneuerbarer Energie in der Stromerzeugung müsste man nur den Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und Speicherkraftwerken deutlich vorantreiben und auch ein wenig in Biomasse investieren. So lahm wie die Politik aber in den letzten Jahren und derzeit agiert, wird sich auch das leider nicht ausgehen.
Trotz bester Voraussetzungen (Wasserkraft!) ist man in den letzten Jahren sogar zum Stromimporteur geworden (2021 steigen die Stromimporte Österreichs wieder und liegen bei ca. 7,5% des gesamten Inlandstromverbrauchs) - angesichts der stark steigenden Energiepreise wäre es sicher klug, in den nächsten Jahren die Erneuerbaren stark auszubauen und sich wieder zum Stromexporteur zu entwickeln. Öl und Gas werden ohnehin noch viele Jahrzehnte importiert...
Ad hoc-Meldung - November 2021Geldmarie-Linktipp: