Wenn in der zweiten Dezemberhälfte die Gasspeicher Österreichs nur noch zu 36,4% gefüllt sind (=34,76 Terawattstunden) und wenig bis nix in die Speicher nachströmt, darf man sich schon ein wenig Sorgen machen ob das Gas im aktuellen Winter 2021/2022 ausreicht.
Die Gasspeicher für Haushalte (rund 900.000 Haushalte verwenden Gas noch immer als primäres Heizsystem, weitere auch fürs Kochen und für Warmwasser), Industrie und Stromerzeugung füllen sich normalerweise ab dem Frühling über den Sommer bis in den Herbst an und werden dann über die Wintermonate geleert.
Traditionell verfügt Österreich über mehr Gas-Speicherplatz als man selbst im Inland verbraucht - 2021 hat man aber deutlich weniger Gas eingelagert als in den Vorjahren: Per 24.10.2021 war mit rund 57% der Speicherkapazität der Höchststand erreicht.
In den kalten Monaten wird dann primär Gas verbraucht (je kälter die Witterung, desto mehr) und nur sehr wenig Gas nachgeliefert, erst ab Ende März bzw. ab April füllen sich die Speicher dann wieder für den nächsten Winter.
Sieht man sich aber nur die Periode vom 14.11.2021 (53% Füllstand der Speicher, 50,35 TWh) bis zum 20.12.2021 an (36,4% Füllstand, 34,76 TWh), darf man schon ein wenig nervös werden: Sind Jänner und Februar sehr kalt, kommt weiter wenig bis nix an Nachlieferungen und benötigt man weiterhin viel Gas zur Verstromung, sind die Gasspeicher Ende Februar 2022 nahezu leer!
Ja, Gazprom bzw. Russland betreibt derzeit ein sehr böses Spiel mit Europa bzw. Deutschland: Primär wird mit abgedrehten Gashähnen Druck in Sachen Northstream 2 gemacht (die eigentlich fertige Pipeline wartet immer noch auf Genehmigung), darüber hinaus ist auch mit den Problemländern Ukraine und Weißrussland wieder ein "Ost-West-Konflikt" ausgebrochen.
Die politischen Spielchen Russlands sollen aber nicht davon ablenken, dass wir in Österreich wohl schlichtweg zu wenig Gas bestellt haben: Gazprom behauptet nämlich, sämtlichen Lieferverpflichtungen nachgekommen zu sein - und das wird weder in Deutschland noch in Österreich dementiert!
In Österreich hüllt man sich bezüglich Gasspeicherengpässen noch in Schweigen - die Frau Gewessler (Bundesministerium auch für Energie) und die Frau Schramböck werden aber wohl in Moskau mit lauten Tönen ohnehin kaum Gehör finden. Da hat man wohl in Österreich schlichtweg gedacht "das Gas wird eh wieder billiger" und schlichtweg zu wenig bestellt.
Hinzu kommt aber sehr wohl, das Gazprom auch in Österreich Spielchen spielt: So ist der Gazprom-Speicher GSA Haidach (immerhin 21,95% der Gesamtspeicherrate Österreichs) gerade einmal zu 9% gefüllt (und das auch erst in den letzten Wochen) - das Interesse der Gazprom, Gas in Österreich zu verkaufen ist offenbar derzeit eher endenwollend...
Primär sieht es aber so aus, dass die schwach gefüllten Gasspeicher eher auf heimischen Mist gewachsen sind!
Auch wenn man sich in Deutschland lauter mit Gazprom & Co. beschäftigt (das ist auch wegen Northstream II evident) - die Füllstände der deutschen Gasspeicher sind mit aktuellen 56% noch deutlich weniger besorgniserregend. In der EU sind es gar 59% Speicherstand - hier sollte man also fast überall gut über den Winter kommen und sogar noch Gas von einem Land ins andere verschieben können (soweit Leitungen vorhanden).
Und wird Gas in Österreich wirklich knapp, ist es durchaus wahrscheinlich, das Gazprom die Hähne wieder aufdreht - schließlich wird man einen der treuesten "Stammkunden" in Europa nicht frieren lassen wollen. Ein bisserl nervös machen aber wohl schon...
Auch wenn man in Österreich (zu Recht, wie man sieht) die Gasheizung im Haushalt zum Auslaufmodell erklärt hat, bleibt Gas in Europa insbesondere bei der Stromversorgung (aber auch in der Industrie) noch viele Jahrzehnte sehr relevant.
Gerade dieser Tage werden an windstillen bzw. laufwasserarmen Tagen rund 1/3 bis zur Hälfte der Stromproduktion mit Gas bestritten (dazu kommen noch kräftige Importe von Kohle- und Atomstrom aus Deutschland und Tschechien) - das wird sich auch nicht so rasch ändern lassen.
Auch die Gasheizungen bleiben noch lange aktiv - insbesondere Benutzer von Gemeinschaftsheizanlagen haben da auch wenig bis gar keine Wahlmöglichkeiten...
Wie wichtig Gas für Europas Strom ist, zeigen auch die aktuellen Strompreise im Großhandel: Rund 300-550 Euro kostet aktuell die Megawattstunde an der heimischen Strombörse EXAA - für Stromlieferanten ohne Eigenproduktion, die sich nicht langfristig günstigere Stromlieferungen gesichert haben sind solche Preise existenzgefährdend. Erste Stromlieferanten haben auch in Österreich schon aufgegeben, weitere Strom- und Gasanbieter werden wohl bald folgen...
Zur Verdeutlichung: Damit zahlen die Stromanbieter an den Börsen rund 30-55 Cent pro Kilowattstunde im Einkauf - und verkaufen aktuell noch um rund 20 Cent inklusive Steuern. Der reine Strompreis macht aber nur rund ein Drittel des Endpreises aus (der Rest sind Netzgebühren und Steuern) - wer da um 7 Cent verkauft und um 30 bis 55 Cent einkauft, wirds wohl nicht mehr lange schaffen.
Auch wenn mit Anfang Jänner 2022 die meisten Stromanbieter Österreichs die Preise massiv erhöhen (viele haben das jetzt schon getan, soweit vertraglich möglich) - halten diese geistesgestörten Großhandelspreise noch ein paar Monate an, sind für die Endkunden noch weitere grausame Preiserhöhungen anno 2022 absehbar.
Auch wenn Russland zuletzt in Sachen Gas immer mehr auf den asiatischen Markt (China!) gesetzt hat - der europäische Markt bleibt weiterhin der wichtigste Markt für Gas aus Russland. So Gazprom-Verantwortliche bzw. Putin keine kompletten Vollkoffer sind, wird man demnach weiterhin damit rechnen können, dass kein europäisches Land in echte Gasnöte kommt. Denn immerhin sind Gas- und Ölexporte DER einzig relevante Exportschlager Russlands - und die daraus resultierenden Erträge auch eine relevante Stütze für das politische System.
Schon mit dem aktuellen Hickhack rund um Gaslieferungen macht man sich in Sachen Energiezukunft keine Freude in der EU und verstärkt da und dort (leider) auch den Ruf nach neuen Atomkraftwerken. Und je weniger Gas nach Europa strömt, desto länger laufen in Europa auch noch diverse Kohlekraftwerke heiß.
Während wir in Österreich die Grundlast fast immer sehr gut mit Wasserkraft abdecken (im Winter ist dann auch Gas diesbezüglich sehr relevant), ist die stabile Stromerzeugung in fast allen anderen Ländern nach wie vor ein Problem. Da ist Gas natürlich deutlich umweltfreundlicher als Steinkohle oder Braunkohle und auch sehr rasch und flexibel zum Einsatz zu bringen - und nur mit (unstabilen) Erneuerbaren kann man diese noch lange Zeit nicht komplett ersetzen.
Die derzeit geistesgestörten Preise für Fossile (immerhin hat sich der Ölpreis aktuell etwas beruhigt) machen aber den Umstieg auf Erneuerbare (insbesondere Photovoltaik und Wind) immer attraktiver und könnten die flauen Bemühungen in Sachen Ausbau derselben durchaus antreiben - jede neue Photovoltaikanlage sowie jedes Windkraftwerk sind dieser Tage auch ohne Förderungen ein Riesengeschäft.
Wind und Photovoltaik alleine sind aber keinesfalls des Energierätsels Lösung: Auch die Wasserkraft (insbesondere Speicher und Pumpspeicherkraftwerke) braucht in Österreich einen kräftigen Investitionsschub. Gerade im Winter sind Pumpspeicherkraftwerke (für Überschussstrom - z.B. aus Windkraft) nach wie vor ziemlich genial.
Ziemlich vergessen hat man in Österreich in der Stromerzeugung auf die Biomasse: Diese kommt in Deutschland auf immerhin 8-9% der Gesamtstromerzeugung und ist darüber hinaus eine sehr stabile Stromquelle. Bei uns sind es wohl gerade einmal 1-2% - auch weil in den letzten Jahren einige Biomasse-Kraftwerke ob zu geringer Förderungen vom Netz genommen wurden.
Aktuell könnte man deren Strom durchaus gut brauchen - und Biomassestromerzeugung mit Holz hat in Österreich noch gewaltiges Potenzial. Denn Wald gibt es in Österreich zuhauf - und nachdem immer weniger Holz für Heizzwecke verbrannt wird (die Holzheizungen sind ob Bequemlichkeit bzw. neuer Technik deutlich rückläufig) besteht hier extrem viel Potenzial. Die Strompreise werden sich spätestens im Sommer dann wohl hoffentlich beruhigen - so billig wie in den letzten Jahren wirds aber wohl nie wieder. Nachdem Wasser, Wind und Solar bei höheren Strompreisen auch ohne Förderungen möglich sind, darf man hier in Österreich wohl ruhig ein paar Millionen in die Hand nehmen...
Apropos Holz: Dass Strom bzw. Heizen 2022 sehr teuer werden, ist mittlerweile klar und bekannt. Hält der Wahnsinn an den Strombörsen noch länger an, wird es sogar für moderne Erdwärme- bzw. Luft-Wasser-Pumpen unangenehm.
Selbst wenn die Preise für Stückholz bzw. Pellets auch etwas in die Höhe gezogen sind - im Vergleich mit allen anderen Heizsystemen sind hier die Preissteigerungen marginal. Kein Wunder: Holz und Pellets kommen in der Regel aus Österreich (bzw. oft bei Holz auch aus Nachbarländern) und es herrscht hier auch kein Nachfrageüberschuss. Vielleicht sollte man dies bei der anstehenden Wahl eines Heizsystems bedenken (so man die Wahl hat) - oder zumindest über einen kleinen Ofen oder Kachelofen im neuen Eigenheim nachdenken...
Abschließend nochmals zum heimischen Gasengpass: Auch wenns heuer eher eng werden wird - es ist wohl realistischerweise zu erwarten, dass das Gas auch im Winter 2021/2022 in Österreich nicht ausgehen wird. Für die Gazprom bzw. Russland wäre das ein gewaltiger Selbstfaller. Österreich muss halt leider ziemlich teuer nachkaufen...
Bezüglich Ausstieg aus Gas und Öl gibt es übrigens auch 2022 wieder hohe Förderungen - für besonders einkommensschwache Haushalte werden hier sogar die gesamten Kosten übernommen!
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - Dezember 2021