Die gestern von Putin abgesegnete (und wohl schon anlaufende) offizielle Besetzung der Ostukraine durch Russland ist wohl angesichts der Entwicklungen in den letzten Wochen keine große Überraschung mehr. Putin hat damit nur offen bestätigt, was ohnehin schon seit 2014 Status Quo ist: Die bisher von sogenannten Separatisten (= Russland) besetzten Gebiete erhalten nun auch offiziell russische Truppen beigestellt. Grob gesagt: Nur völkerrechtlich macht das einen (großen) Unterschied.
Russland setzt damit seine Tradition der Bildung von "abtrünnigen" Regionen fort: Transnistrien, Achchasien, Südossetien, Berg-Karachbach, die Krim und nun auch die bisweilen unter russischer Kontrolle stehenden Gebiete in den Regionen Donezk und Luhansk.
Aktuell bleibt zu hoffen, dass der Größenwahn des Halbdiktators damit (vorerst) einmal befriedigt ist und er nicht die gesamte Region Donezk & Luhansk militärisch einnehmen möchte (was durchaus zu befürchten ist). Das wäre zweifelsohne nur mit blutigen Kämpfen zu erreichen, wiewohl der Sieger hier ob großer militärischer Überlegenheit Russlands schon feststeht. Noch schlimmer natürlich das Szenario, sich die ganze Ukraine schnappen zu wollen...
Dass schon heute Sanktionen seitens EU und den USA folgen werden, ist wohl evident - so Russland sich nicht über die ohnehin schon "annektierten" Gebiete hinauswagt (was zu hoffen bleibt), werden diese Sanktionen wohl eher gering ausfallen.
Im Worst-Case-Szenario (Komplettinvasion, Krieg) ist auch in Österreich durchaus mit einer starken Fluchtbewegung aus der Ukraine zu rechnen - schließlich trennen uns von der Ukraine nur ein paar hundert Kilometer (durch die Slowakei). Da wäre Österreich dann sehr wohl gefragt.
Aktuell darf man sich aber weiterhin durchaus Sorgen um die Energieversorgung machen: Schließlich ist Österreich in Sachen Industrie und Heizen sehr stark von Gas (Gas aus Russland: 80%) abhängig und die großen heimischen Gasspeicher wurden vor dem Winter 2021/2022 aus taktischen Gründen (man hoffte auf fallende Preise) sehr bescheiden gefüllt.
Aktuell sind diese noch mit 18% der Gesamtkapazität befüllt - ein sehr milder Jänner und Februar sowie (zum Glück) viel Winderträge für die Stromerzeugung konnten zumindest verhindern, dass schon jetzt der "Gasnotstand" ausgerufen wird.
Gibt es aber große Sanktionen bzw. Krieg in der Ukraine (inklusive einer Beschädigung der für uns so wichtigen Gas-Pipeline durch die Ukraine), könnte die Gasversorgung (trotz aktueller Beteuerungen der Russen, Gas jedenfalls liefern zu wollen) schon im April sehr eng werden bzw. dem Großverbraucher Industrie der Gashahn gänzlich zugedreht werden. Denn so einfach lässt sich in Europa ein zugedrehter russischer Gashahn leider nicht kompensieren.
Spannungen mit Russland sind im Gesamtjahr 2022 (und wohl auch noch länger) einzuplanen - ein hoher Gaspreis und wenig Gas in den Speichern scheinen da absolut fix. Dass dies natürlich auch gewaltige Auswirkungen auf den Strompreis hat, ist selbstverständlich - man muss also leider sowohl bei Gas als auch bei Strom mit weiter sehr hohen bzw. sogar noch höheren Preisen rechnen. Die Energiekonzerne haben übrigens die Preisssteigerungen noch nicht gänzlich weitergegeben - da ist noch mit weiteren negativen News für Strom- und Gaskunden zu rechnen...
So Russland weitere Gebiete (oder gar die ganze Ukraine) besetzen sollte, droht durchaus ein neuer kalter Krieg - es bleibt aber die Hoffnung, dass sich Putin bewusst ist, dass nach schweren Sanktionen die exportorientierte Fossil-Wirtschaft (Gas, Kohle, Öl) in seinem Land gewaltig unter Druck kommt und ein Rückfall in die postsowjetische Hungerzeit droht. Das wird auch so manchem Oligarchen nicht gefallen...
Russland ist bezüglich seiner Exportwirtschaft noch immer sehr von Europa abhängig - wiewohl die deutliche Neuorientierung in Richtung China evident ist. Europa den Gas- oder Ölhahn abzudrehen bzw. keine Kohle oder andere Rohstoffe mehr zu liefern, kann sich die sonst sehr schwache russische Wirtschaft aber dauerhaft nicht leisten - und so schnell kann man gar keine neuen Pipelines nach Asien legen, rumort es in Russia gewaltig...
Leider ist aber auch Österreich durchaus stark von der aktuellen Situation betroffen: Die hohen Preise für Energie treiben schon jetzt die Inflation gewaltig (und werden dies ziemlich sicher auch im ganzen Jahr 2022 tun), Produktionsausfälle in der Industrie ob drohendem Gasmangel bzw. prolongierter Rohstoffknappheit könnten massiv sein und mit der RBI (Aktien heute stark eingebrochen) ist auch eine heimische Bank stark in Russland und der Ukraine tätig.
Es bleibt zu hoffen, dass Russlands Amoklauf an den aktuellen Frontlinien in Donezk und Luhansk endet (dafür schon sollten die Sanktionen deutlich ausfallen) und diplomatische Verhandlungen das Schlimmste (echter Kriegsausbruch in der Ukraine) verhindern können.
Ad hoc-Meldung - Februar 2022