Nach 2 beschissenen Jahren mit Corona nun die nächste schwere Keule: Dass Russland so weit gehen würde, die Ukraine komplett einnehmen zu wollen (was wohl oder übel in den nächsten Tagen auch gelingen wird) - damit hätte wohl kaum jemand in Europa gerechnet. Damit stehen wir vor einem Scherbenhaufen, der in den nächsten Jahren wohl viel Diplomatie benötigen wird und hoffentlich nicht weiter eskaliert - und zweifelsohne auch etwas mit sich bringt, womit wir in Europa seit Jahrzehnten nicht mehr konfrontiert waren: Kalten Krieg zwischen dem Westen und dem Osten.
Putin bzw. Russland haben mit dem Angriff auf die Ukraine nicht nur Staatsgrenzen überschritten - mit einer derartig üblen Machdemonstration ist die Verlässlichkeit Russlands nunmehr gegen Null gesunken. Militärisch darauf zu antworten ist deutlich zu riskant - ein offenbar Machtwahnsinniger aus der alten KGB-Schule ist derzeit nicht mehr berechenbar.
Die politischen Grenzen Europas werden somit neu gezogen (man kann wohl fix davon ausgehen, dass sich Russland die Ukraine via russlandfreudlicher Staatsführung einverleibt), die Ukraine wird damit wohl die nächste Halbdiktatur unter dem Einfluss von Putin & Co.
Flüchtlingsströme aus der Ukraine sind daher durchaus zu erwarten - ob der militärischen Übermacht der Russen (und der Ohnmacht Europas bzw. der NATO) ist es auch niemanden zu verdenken, hier die Waffen ruhen zu lassen bzw. aus Angst vor jahrelanger russischer Besatzung die Flucht in den Westen anzutreten. Auch Österreich ist hier gefragt, möglichst viele Flüchtlinge aufzunehmen.
Auch wenn man im Westen dem bösen Spiel Russlands derzeit nur geschockt zusehen kann - die einzige Macht dieser Tage, die man noch ausspielen kann ist die Wirtschaftsmacht Europas und der USA bzw. einigen weiteren "Demokratie-Verbündeten".
Das tut man derzeit auch - wiewohl auch nur sehr zögerlich. Vielfach auch aus Angst, dass Russland den Öl- und Gashahn zudreht (auch Kohle kommt häufig aus Russland). Während die USA an der Ukraine primär politische Interessen hat, sind es in Europa hauptsächlich Abhängigkeiten bezüglich fossiler Energien, die nicht sofort zu allen möglichen (und eigentlich angebrachten) Sanktionen führen.
Die eigene Erpressbarkeit wird hier gerade Österreich vor Augen geführt - immerhin kommen 10% des heimischen Ölverbrauchs aus Russland, beim Gas sind es gar 80%, die via Russland (oft über die Ukraine) zu uns kommen.
Putin/Russland/Gazprom hat auch schon mehrfach betont, weiterhin Gas nach Europa liefern zu wollen - schließlich ist Russland ja wirtschaftlich massiv von Gas- und Ölexporten abhängig. Russland weiß aber auch, dass der "Gashunger" Europas gewaltig ist - gerade aktuell werden da und dort viele Kohlekraftwerke geschlossen und Gas ist hier die etwas weniger umweltschädliche Alternative in Sachen Stromerzeugung.
Ohne Gas aus Russland stehen in Österreich spätestens ab April 2022 so manche Industriebetriebe still - rund 50% des heimischen Gasverbrauches fallen nämlich in der Industrie an, ein großer Anteil wird aber auch in der heimischen Stromerzeugung benötigt.
Gas ist jetzt schon extrem teuer geworden - und wird es auch über das Gesamtjahr 2022 bleiben. Mit ziemlicher Sicherheit wird Russland großes Interesse haben, die Gaslager Europas im Frühling/Sommer 2022 zu hohen Preisen wieder zu befüllen - schließlich lässt sich das russische Gas (mangels schon vorhandener Leitungen) ja nicht ruckzuck nach Asien zum neuen Freund China umleiten...
Europa ist nun doppelt gefragt: Die Gasleitung Northstream II ist wohl für die nächsten Jahre gestorben (wiewohl schon fertig verlegt), mit Gas wurde in den nächsten Jahren bzw. Jahrzehnten aber in Sachen Energiewende durchaus noch geplant. Das russische Gas 1:1 zu ersetzen, würde wohl Jahre dauern - und auch sehr teuer werden (LNG-Flüssiggas ist viel teurer als russisches Pipelinegas).
Wiewohl wir russisches Gas also noch lange benötigen, sollte man nunmehr den langfristig geplanten Gasausstieg deutlich vorantreiben und abkürzen. Das erfordert rasche politische Entscheidungen (wie z.B. den Stop von Gasheizungen im Neubau).
Gerade in der Stromerzeugung kann man binnen weniger Jahre sehr viel in Sachen Solarenergie erreichen (da hinkt Österreich z.B. Deutschland noch schwer hinterher), eine Verzehnfachung dieser mittlerweile sehr günstigen Stromerzeugungsform ist anzustreben. Auch die Windkraft sollte man schon in den nächsten Jahren verdoppeln und zwecks Speicherung von Überschussstrom aus Erneuerbaren auch nicht auf die Pumpspeicherkraftwerke vergessen.
Ganz massiv sollte man sich auch wieder verstärkt um Biomasse kümmern: Schließlich gibts in Österreich selbst genug Wald - der einerseits für Fernwärme (derzeit auch sehr stark mit Gas befeuert) sorgen kann, andererseits in der Stromerzeugung (ob recht hoher Kosten) in Österreich ziemlich ins Abseits gedrängt wurde. Gerade Strom aus Biomasse ist ausgesprochen Grundlasttauglich - in Deutschland wurde 2021 fast 9% des Stroms aus Biomasse erzeugt und damit auch der Wegfall des einen oder anderen Atomkraftwerks kompensiert. In Österreich grundelt man da gerade einmal bei 1-2% herum...
Leider gilt es aber festzustellen, dass eine Umstellung unserer Energieversorgung (die zumeist aus Halb- oder Volldiktaturen a la Russland erfolgt) eine Jahrzehnteprojekt ist. Postiv hier aber jedenfalls, dass unsere Politik vielleicht endlich kapiert, wie leicht erpressbar wir sind und durch Abhängigkeiten mundtod gemacht werden.
Diesbezüglich gilt es aber rasch politisch zu reagieren - schon um ein klares Zeichen zu setzen. Die nächsten Jahre ist man allerdings sicher noch vom russischen Gashahn abhängig.
Wirtschaftlich wird es zweifelsohne auch 2022 schwer negative Auswirkungen auf die europäische bzw. heimische Wirtschaft geben - horrende Energiepreise sind vorprogrammiert und werden wohl länger anhalten. Die Inflation wird 2022 wohl fast überall über 5% steigen...
Die einzige (realitstische) Möglichkeit der westlichen Demokratie sich zu wehren, liegen in wirtschaftlichen Sanktionen. Eine direkte militärische Konfrontation zwischen dem demokratischen Westen und Halb- bzw. Volldiktaturen a la Russland oder China ist mittlerweile unvorstellbar geworden.
Im Westen bzw. in Demokratien mit westlichen Werten sollte man sich (und muss man sich) aber sehr wohl die Frage stellen, wie man in Zukunft mit völlig undemokratischen Ländern umgeht.
In einer globalisierten Welt haben Sanktionen natürlich auch für die eigene Wirtschaft negative Folgen - sie sind aber der einzige friedliche Weg.
Während Russland seit dem Zerfall der Sowjetunion in Sachen Wirtschaftsleistung eigentlich gar nichts zusammengebracht hat und stark vom Export von Fossilen bzw. einigen Rohstoffen abhängig ist (das Geld teilen sich dann ein paar Oligarchen, die meisten Russen haben genau nix davon), hat China mittlerweile die weltweite "Billigfabrikfunktion" übernommen.
Was von China politisch zu halten ist, zeigt sich dieser Tage deutlich: China reiht sich in die kleine Riege der Russlandfreunde ein - kein Wunder, wer viel produziert, braucht auch viel Energie aus Russland...
Hier zeichnet sich nicht mehr oder weniger eine neue politische Weltordnung ab: Das relativ kleine (aber militärisch starke) Russland und der Big Brother China sind eine wenig vertrauenserweckende und schwer fragwürdige Koalition, die wohl die nächsten Jahrzehnte ziemlich eng sein wird.
Ein klarer Schluss dazu: China möchte natürlich weiterhin den Weltmarkt erobern - ohne weiteres Wirtschaftswachstum grummelt es nämlich auch in totalitären Systemen irgendwann gewaltig.
Aber muss wirklich jeder Dreck dieser Tage in China produziert werden? Wäre es (aus europäischer Sicht) nicht sinnvoller, mehr auf europäische Länder in Osteuropa (Polen, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Bosnien, Albanien etc.) zu setzen bzw. mit Investments auch den afrikanischen Kontinent (deutlich näher) zu fördern?
Demokratie und Frieden sind dort am ehesten gewährleistet, wo es den Menschen gut geht, wo sie auch Arbeit haben und ein würdiges Leben leben können.
Das bestimmt neben den Politikern sehr wohl auch die Wirtschaft. Und die ist mir als Macht dann doch deutlich lieber als Panzer und Raketen.
Ad hoc-Meldung - Februar 2022