Waren es im Vorjahr noch die Börsen, die sich (mangels Alternativen und niedriger Zinsen) auf Rekordjagd befanden, so trifft das 2022 auf die Energiepreise zu: Der Überfall der offensichtlich größenwahnsinnig gewordenen Russen (damit ist primär deren Führung gemeint) auf die Ukraine lässt die Energiepreise weltweit gerade Tag für Tag explodieren - und Europa sieht sich mit einem -jederzeit möglichen- Energieengpass bzw. schon jetzt massiv steigenden Energiepreisen (Gas, Öl, Strom, Kohle) konfrontiert. Und derzeit ist diesbezüglich kein Ende ist in Sicht...
1,80 Euro pro Liter Benzin oder Diesel, 160 Euro für 100 Liter Heizöl - an der Tankstelle bzw. beim Ölhändler ist man schon tagesaktuell mit der Panik an den Märkten konfrontiert.
Die hat aber durchaus noch Expansionspotenzial: Brent-Ölpreis (für Europa relevant) heute zwischen 125 und 140 Dollar pro Barrel und Gaspreise von 280 Euro pro MWh (lt. CEGH) und Strompreise von 570-940 Euro/MWh - da geht es in den nächsten Tagen für die Endkunden bei Ölprodukten wohl noch weiter rauf, und bei Gas und bei Strom waren die letzten Preiserhöhungen fast ein freundschaftlicher Akt!
Nur zur Verdeutlichung: Für die Kilowattstunde zahlt man derzeit in Österrreich (je nach Anbieter) inklusiver aller Steuern und Abgaben rund 25 bis 30 Cent. Die oben erwähnten 570 bis 940 Euro pro MWh wären ein reiner Strompreis von 57 bis 94 Cent pro kWh. Und nachdem die Stromkomponente bald nur noch ein Drittel des Gesamtpreises ausmacht (was sich bei höheren Strompreisen dann natürlich etwas verschieben wird), sollte einem schon ein wenig das Grauen vor der nächsten Strompreiserhöhung (die da 2022 bei den meisten Anbieter wohl noch sicher kommen muss) kommen.
Der aktuelle Höhenflug der Energiepreise hat durch die Diskussion, alle Öl- und Gasimporte aus Russland einzustellen, noch einen gewaltigen Auftrieb erhalten - dreht man nämlich von dieser oder jener Seite den russischen Gashahn zu, kommt 2022 auf Europa (und insbesondere auf Österreich) ein wirtschaftlich sehr mieses Jahr zu:
Rund 80% des heimischen Gasbedarfs werden nämlich via Russland bezogen (in Deutschland sind es rund 50%) - damit ist man die letzten Jahre zwar immer recht günstig gefahren, hat sich aber in eine gefährliche Abhängigkeit begeben, die uns erst jetzt sehr schmerzlich bewusst wird. Wäre man nicht derart abhängig vom Gas aus Russland, hätte man schon längst des Putins Haupteinahmequelle abdrehen können. Und die ist Russland ja sehr bewusst: Trotz starker Sanktionen plus angedeuteter Atomkriegszenarien lassen die Russen das Gas noch immer fließen - sie wissen also sehr wohl, dass sich auch später noch Geld benötigen werden. Irgendwie ja fast sogar etwas beruhigend, dass man auch in Russland ein wenig an die Zukunft denkt...
Weniger beruhigend, dass die österreichischen Gaslager mit aktuell nur noch 15% der Speichermöglichkeit besonders schwach gefüllt sind. Man betont hier zwar, dass das Gas für die Haushalte bis in den April hinein reicht (und es dann eh warm wird...), für die Industrie, das Gewerbe sowie die Energieversorgung kann es aber schon recht bald eng werden! Insbesondere, wenn der März kalt bleibt bzw. wenig bzw. gar kein Gas nach kommt.
Schon der geringe Lagerstand im Herbst (hier wurde von den Gasfirmen schlichtweg spekuliert, dass die Preise 2022 wieder fallen werden) war beunruhigend (zum Glück war der Winter relativ mild), nachgeliefert wurde seitens Russland/Gazprom sehr wenig (aber angeblich wurden die Verpflichtungen von Gazprom erfüllt, was auch niemand bestreitet) und nun gilt es zu hoffen, dass im April und in der warmen Jahreszeit (wo sich im Normalfall dann die Lager wieder füllen und bis in den Herbst angefüllt sind) entsprechende Verträge erfüllt werden.
Abgesehen davon, dass es politisch grob fahrlässig ist/war ("Danke" ÖVP&SPÖ..."pipifeine und vorausschauende" Energiepolitik), dass es hier nie eine Verpflichtung zur Mindesteinlagerung gab und auch große Gaslager in Österreich seitens Gazprom betrieben werden (die heuer "zufällig" besonders leer sind...) wäre es wohl auch an der Zeit, zu veröffentlichen, wie denn die vereinbarten Liefermengen für das Jahr 2022 aussehen. Das nun zu beschließende "Gasvorsorgegesetz" kommt jedenfalls deutlich zu spät.
Fließt kein russisches Gas mehr nach Österreich bzw. Europa ist (schon sehr bald in Österreich) da und dort in der Industrie schon bald der Ofen aus - und auch im Bereich Gewerbe und Stromproduktion kommt es hierzulande rasch zu gröberen Verwerfungen.
Dass die Strompreise gerade in Österreich an den Terminmärkten (für kurzfristige Lieferungen) derzeit durch die Decke gehen, liegt natürlich auch primär am hohen Gaspreis und den geringen Lagerbeständen: So wird aktuell rund ein Drittel der heimischen Stromerzeugung mit (viel) Gas geleistet - unser so feiner Strom aus Wasserkraft ist ob sehr geringer Pegelstände nämlich dieser Tage (und wohl noch einige Tage länger) besonders rar.
Darum muss derzeit auch extrem viel Strom aus dem Ausland (teuer) importiert werden - billiger Überschussstrom für unsere Pumpspeicher ist derzeit sehr rar. Gerade wenn Deutschland viel Wind hat und damit in den Nachtstunden Überschüsse im Netz hat, sind die Strompreise noch einigermaßen erträglich.
In Österreich hat man sich viel zu lange auf Strom aus Wasserkraft verlassen und die Gas- bzw. Energieabhängigkeit nie seriös hinterfragt - und hat auch den Ausbau der Erneuerbaren sträflich vernachlässigt! Wenn dieser Tage WKO-Typen wie Mahrer oder Kopf Forderungen aufstellen und ÖVP-Politiker laut nach Erneuerbaren schreiben, geht mir eigentlich ein bisserl sehr das Geimpfte auf...!
Ja, es wäre absolut gerechtfertigt und wünschenswert, SÄMTLICHE Handelbeziehungen mit Russland SOFORT einzufrieren - und damit auch den russischen Gashahn seitens Europa abzudrehen. Wie schon gesagt: Jeder Cent/Euro/Dollar, der da noch nach Russland fließt ist zu vermeiden. Die europäische Front der Solidarität bröckelt hier aber (eh wieder einmal ob der Ungarn) ohnehin schon gewaltig.
Kalt würde uns dadurch zwar nicht bald werden - aber für nächsten Winter könnte man dies schon nicht garantieren. Die 80% Russengas könnten (auch ob der anderen Märkte, die sich umorientieren müssten) keinesfalls 1:1 durch LNG (Flüssiggas) aus anderen Ländern ersetzt werden.
Und schwere Produktionsausfälle in der Industrie (Stahlbranche, Papierbranche, Chemiebranche etc.) wären schon sehr bald zu erwarten - solche Ausfälle wirken sich dann natürlich zweitversetzt auch rasch auf andere Branchen negativ aus.
Auch die Stromversorgung in Österreich und in Europa würde noch mehr unter Druck kommen - wohl müsste auch das eine oder andere Atomkraftwerk (Deutschland) noch länger laufen und das Aus für Kohle würde sich deutlich nach hinten schieben. Die Stromimporte Österreich würden massiv ansteigen.
Gas sorgt in Österreich für rund 20% der gesamten Energieversorung, in Europa sind es rund 10%. So rasch lässt sich dieser hohe Anteil nicht durch Erneuerbare ersetzen (schon gar nicht in Österreich) - mit LNG-Gas bzw. Gaslieferungen aus anderen Ländern kann man 2022 gerade einmal eine "Notversorgung" bewerkstelligen. Da wird auch ein Besuch von Nehammer und Co. in den VAE bzw. in Katar nicht viel ändern.
Unter den Fossilen (Kohle, Öl, Gas) ist Gas ja noch die "umweltfreundlichste" Alternative - so mancher Klimaplan in Europa (auch Deutschland) hat daher auch stark auf Gas gesetzt. Ein Umdenken ist hier (leider) rasch gefordert - schließlich ist zu erwarten, dass sich das Klima mit Russland auch in den nächsten Wochen und Monaten nicht bessert und es (soweit es dort keinen kompletten Regierungswechsel gibt, was eher nicht zu erwarten ist) eher nach einem neuen "kalten Krieg" riecht. Gas werden die Russen wohl auch weiterhin nach Europa liefern wollen (dazu sind sie finanziell zu abhängig von Rohstoffexporten) - ihnen immer weniger abzunehmen scheint aber Gebot der Stunde und der nächsten Jahre.
Sich aktuell Sorgen zu machen und Szenarien zu planen, falls der russische Gashahn (temporär, zu lange werden sich das die Russen nicht leisten können) zugedreht wird, ist natürlich politische Pflicht - neben dem Notprogramm gilt es aber endlich die Hausaufgaben zu machen und die fatale Energieversorung Österreichs zu reformieren.
Dass das ein (anfangs teures) Jahrzehnteprojekt ist, steht außer Frage - aber dass man dieses nun endlich und rasch massiv angeht, ebenso.
Es war übrigens nicht nur die Wirtschaftskammer, die die "ach so teuren Förderungen der Erneuerbaren" in den letzten Jahren immer sehr stark kritisiert hat - auch das "Pendant", die Arbeiterkammer, hat die letzten Jahrzehnte immer sehr gerne billig und populär "Gas" gegeben. Kein Wunder, ist ja auch das Rote Wien schwer vom dereinst billigen Gas abhängig - sowohl in der Stromerzeugung als auch in Sachen Raumwärme.
Die Gasfetischisten sind dieser Tage ganz leise geworden - und die AK betätigt sich dieser Tage als Marktschreier in Sachen Energiezuschüsse. Ohne solche wird es 2022 wohl nicht ganz gehen - statt "Almosen für alle" sollte man hier aber nicht schon wieder nur die Gießkanne übers Volk ausschütten sondern nur Förderungen für wirklich einkommensschwache Haushalte vorsehen, welche man auch beim Finanzamt beantragen muss!
Was wir als Konsumenten derzeit tun können: Leider nur abwarten, für die Ukraine spenden bzw. selbst helfen UND (immer ganz wichtig, jetzt besonders): Mit Energie sparsam und intelligent umgehen!
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - März 2022