Fein - die EU hat sich also auf einen Notfallplan bezüglich Gassparen für den nächsten Winter ("Save gas for a safe winter") geeinigt. Ob uns im Winter 2022/2023 das Gas ausgeht, kann aber leider weiterhin nur der Putin bzw. die Gazprom bestimmen - zu hoch ist die Abhängigkeit von Industrie, Stromerzeugung und Privathaushalten von Gaslieferungen aus Russland.
Sieht man sich derzeit bei der AGSI (siehe Linktipp unten) die aktuellen Gasspeicherstände in Europa und Österreich an und vergleicht diese mit 2021, so müsste man sich ja eigentlich einigermaßen beruhigt zurücklehnen:
Waren vor einem Jahr in Europa noch 602 TWh bevorratet, so waren es zuletzt schon 741 TWh - und damit immerhin schon 67% der möglichen Füllstände.
In Österreich waren vor einem Jahr 31,3 TWh Gas eingelagert, per 24.7.22 waren es aber schon 48,6 TWh - immerhin 51,25% der Speicherkapazitäten in Österreich.
Hier gilt es anzumerken, dass Österreich besonders große Speicher hat und auch Gas für Nachbarländer einspeichert. Mit den angestrebten 80% Füllstand bis Herbst käme für Österreich locker (einen normalen Winter vorausgesetzt) 1 Jahr durch - das in den heimischen Speichern gelagerte Gas ist aber seitens Gashändler nicht nur für Österreich bestimmt!
In "Gassicherheit" darf man sich also auch nicht wiegen, sollten wir die angepeilten 80% Speicherstand bis Ende September erreichen...
Leider noch fix: Dreht Putin ziemlich ganz Europa den Gashahn ab (sowohl North-Stream 1 als auch die Pipeline über die Ukraine, aus der Österreich primär Gas bezieht und auch weiterleitet), so entsteht aktuell zumindest wirtschaftlicher Schaden:
Privathaushalte mit Gasheizung und wohl auch die Stromversorgung (wo halt derzeit leider Kohle und Atom wieder an Bedeutung gewinnen) scheinen schon jetzt sicher (wiewohl teuer) über den nächsten Winter zu kommen - bei der Industrie muss man wohl noch weiter zittern.
Denn auch wenn die europäischen Gaslagerstätten zu 80% oder zu 100% gefüllt wären: Die Gasspeicher in Europa sind schlichtweg zu klein für einen Jahresvorrat. Wenn nicht weiterhin (auch im Herbst, im Winter und im Frühling 2023) russisches Gas fließt, sind die Gaslagerstätten früher oder später leer. Da helfen auch die neuen LNG-Terminals nicht - die können die Pipelinelieferungen noch lange Jahre nicht kompensieren...
Das weiß natürlich die russische Führung genau und spielt daher mit Europa ein Arschlochspiel: Der aktuelle "Turbinenschmäh" (als Begründung für Reduktionen) dient -leicht durchschaubar- ausschließlich nur der künstlichen Verknappung des Angebots und führt somit ruckzuck zu höheren Gaspreisen an den Börsen bzw. Terminmärkten.
Und wenn ich (als Gazprom/Russland) nur noch 20% der vereinbarten Menge liefere und damit sogar mehr Einnahmen lukriere als noch vor 2 Jahren, verschiebt sich zumindest der finanzielle Kollaps meines energieexportabhängigen Landes weiter nach hinten. Das gibt Zeit, die Ukraine weiter zu plätten...
Sehr leicht zu durchschauen, der Putin-Poker - aber nicht gerade förderlich für die zukünftigen Beziehungen mit dem demokratischen Europa: Die Gasabhängigkeit in Europa von Russland lässt sich zwar wohl nicht heute oder morgen beseitigen - aber schon übermorgen (= in ein paar Jahren) wird Russland (mit welcher Regierung auch immer) feststellen müssen, dass man sich hier verpokert hat. Den Oligarchen wirds einigermaßen wurscht sein, zahlen tun derartige Rechnungen immer die ärmeren Schichten...
So zynisch das auch klingen mag: A la longue hat diese Erpressung auch positive Folgen. Europa diversifiziert endlich seine Energieversorgung und hat nun wohl endlich erkannt, dass die Abhängigkeit von Fossilen (und damit von deren fragwürdigen -zumeist undemokratischen- Exportländern) rasch beendet werden muss. Dabei war der Putin somit sogar noch "hilfreicher" bzw. effektiver als die Greta und jede Hitzewelle...
Während in der Ukraine täglich viele Menschen sterben (ja, auch viele Russen, die der Putin da nonchalant über den Jordan wandern lässt) und der weltweite Hunger wieder in Schwung kommt, spielen also Putin und Gazprom weiter Monopoly mit Gas.
Volltrottel Nr. 2 ist hier derzeit die europäische Rechte - insbesondere in Gestalt des rechtsopportunistischen Orbans. EU-Förderungen kassieren und korrupt an die Haberer verteilen, der EU Dauerstress in Sachen Einstimmigkeit machen, dem Putin in den Allerwertesten kriechen, ein bisserl Judenhass und sowieso ausländerfeinlich sein und pausenloses Provozieren der europäischen Demokratie sollten eigentlich demnächst einmal Folgen haben.
Ein Land, dass diesen Vollpfosten erst im Vorjahr wieder mit klarer Mehrheit ausgestattet hat, ist in einer fortschrittlichen EU eigentlich nur Bremser und Unruhestifter. Wird Zeit, dass hier diverse EU-Verfahren vorangetrieben werden, Förderungen gekürzt oder eingestellt werden und vielleicht auch, dass man schon bald überlegt, ob man die Einstimmigkeit bei demokratisch wichtigen Angelegenheiten nicht aussetzt. Die EU ist ein wichtiges Demokratieprojekt - da sind Leute wie Orban fehl am Platz und es darf hier auch nicht die letzte Konsequenz ausgeschlossen werden: Länder, die nicht wollen, früher oder später aus der EU zu verabschieden!
Auch die heimische Rechte (in Gestalt der FPÖ) kotzt -nach dem ersten Schock über den Ukraine-Überfall seitens Russland - wieder aus ihren Löchern und bietet grauslichen Populismus ohne Rückgrad pur. Wer jetzt immer noch nicht versteht, dass man sich nicht mit Putin ins Bett legt, hat im Leben nicht viel kapiert.
Diesbezüglich schon ein wenig geläutert gaben sich anfangs die Vertreter von Wirtschaftskammer und Industrie: Nach einer minimalen Phase der Demut und es Erkennens der Abhängigkeit von russischem Gas wird man dieser Tage wieder lauter (und peinlicher) und nervt Ministerin Gewessler kräftig. Als ob diese wissen würde, ob und wann der Putin den Gashahn wirklich zudreht...
Ja, es ist natürlich Aufgabe von Industrie- und Wirtschaftsvertretern für Klarheiten zu schaffen - der Ton macht aber die Musik. Und es ist zweifelsohne schon ziemlich zynisch-bösartig, dass sich hier Wirtschaftslobbyisten bei einer Frau von den Grünen über Zustände beschweren, an denen sie selbst bzw. ihre Vorgänger die Hauptschuld tragen: Der riesigen Abhängigkeit von russischem Gas! Weils halt billig war, hat keiner gefragt - Profit rules...
Ja, es bleibt spannend, im "Gaskrieg". Eine Prognose ist natürlich sehr schwer abzugeben - denn wer kann schon einen historisch verblendeten KGB-Psychopathen seriös einschätzen? Hat aber Putin noch einen Rest an Realitätssinn, so wird wohl nun einmal der Osten der Ukraine noch eingenommen und dann startet ein längerer und neuer "kalter Krieg".
Sind die starken Kriegshandlungen beendet, wird sich der Gas- und Ölpreis wieder etwas beruhigen und Putin muss damit auch die Leitungen wieder stärker aufdrehen...
PS: Aktuell Brennholz zu hamstern, ist sinnlos. Ein Wintervorrat reicht - nächstes Jahr gibt es wieder genug Holz in Österreich, nur die "Hamsterei" hat hier zu einem Engpass und der Preisexplosion geführt!
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - Juli 2022