Mit 282 Euro pro Megawattstunde Gas (Gasbörse CEGH, für Dienstag, 23. August) sowie mehr als 600 Euro für die Megawattstunde Strom (Strombörse EXAA) sind die Gas- und Strompreise in den letzten Augusttagen 2022 weiterhin auf hohem Niveau, ja sogar teils auf Rekordniveau.
Einzig der Preis für Rohöl hat sich in den letzten Wochen etwas beruhigt und liegt aktuell bei 98 Euro pro Barrel (WTI) - ein Preisniveau, welches man schon vor einigen Jahren mehrmals erreicht hat. Wiewohl der fallende Euro (gegenüber dem Dollar) die Rohölpreise für Europa natürlich verteuert hat und die Raffenerien und Händler von Ölprodukten sich derzeit über hohe Spannen die Hände reiben - bei Öl kann sich Europa auf mehrere Lieferanten stützen.
Der hohe Strompreis resultiert derzeit primär aus dem evidenten Mangel an Gas. Wiewohl derzeit kein Gasmangel in Europa vorherrscht, so fürchtet sich der Markt derzeit weiterhin vor einem Lieferstop aus Russland - was viele Länder (und insbesondere deren Industrie) massive Probleme bereiten würde. Ein solcher Gasengpass im kommenden Winter schien in den Preisen schon (ab Kriegsbeginn in der Ukraine) eingepreist - die diversen Spielchen Putins mit den Gashähnen lässt aber die Märkte sowie die Politik weiter zittern.
Zurecht?
Schwer zu beurteilen - denn wer weiß schon, was ein offensichtlich Größenwahnsinniger in den nächsten Tagen/Wochen/Monaten/Jahren plant...
Würde das in Österreich schon bis jetzt eingelagerte Gas auch in Österreich verwendet werden, müsste man sich jedenfalls für den kommenden Winter wenig Sorgen machen: Mit 59,75 TWh Speicherstand sind die heimischen Speicher zu 62,53% voll (Wert: 21.8.2022) - die eingespeicherte Menge entspricht 60,93% eines Jahresverbrauches.
Zum Vergleich: Am 17.10.2021 waren in den österreichischen Speichern gerade einmal 54,24 TWh eingespeichert - sehr wenig, denn da hoffte man seitens Gashändler noch, dass die Preise wieder fallen würden und man später billiger nachkaufen kann. Eine Rechnung, die ohne Putin gemacht wurde...
Würde das in Österreich schon gelagerte Gas (plus das, das aktuell noch bis Oktober eingespeist wird) nur in Österreich verkauft bzw. verbraucht werden, müsste man sich wohl um den Winter 2022/2023 wenig bis keine Sorgen machen. Keine Sorgen bezüglich Gasversorgung müssen sich jetzt schon die Haushalte machen - vielmehr aber in Sachen künftige Gasrechnung. Denn die aktuellen (hohen) Preise bilden noch immer nicht die aktuelle Marktsituation ab und es werden wohl noch weitere Erhöhungen folgen...
Mehr Sorgen muss man sich allerdings in Deutschland machen: Die aktuellen Speicherstände von 80,14% klingen zwar toll - Deutschland hat damit aber gerade einmal 19,65% vom Jahresverbrauch in seinen Speichern. Da die Speicherkapazitäten in Deutschland gering sind, ist man auf laufende Versorgung aus ausländischen Pipelines (bzw. auch via Flüssiggas-Schiffen) angewiesen. Ein starker Winter und ein russischer Lieferstopp wirken sich da wohl deutlich rascher negativ auf die Industrie bzw. vielleicht sogar auf die Stromversorgung aus...
Auswirkungen, die sich dann vom Exportkaiser Deutschland natürlich auch auf die gesamte Wirtschaft Europas negativ übertragen - Österreich wird also wohl auch trachten müssen, die Gasstränge nach Deutschland zu befüllen.
Hat Deutschland nur noch wenig Gas, wirkt sich dies natürlich auch weiterhin massiv auf die Strompreise aus (Österreich importiert viel Strom aus Germany) - kein Wunder also, dass man in Deutschland diskutiert, die restlichen Atomkraftwerke nicht (wie geplant zum Jahresende) vom Netz zu nehmen und auch Kohle wieder verstärkt zu verstromen.
Auch wenn man in Österreich den für Oktober angestrebten Füllstand der Gasspeicher von 80% wohl nicht ganz erreicht: Haushalte, kleinere Firmen und die Stromproduzenten werden wohl im kommenden Winter ausreichend Gas zur Verfügung haben - auch wenn Putin die Lage eskalieren lässt.
Denn auch im Winter fließt normalerweise immer Gas aus Russland nach Österreich - wiewohl in geringeren Mengen.
Aber auch wenn die 80% Füllstand erreicht werden, ist es durchaus möglich, dass manchen gasintensiven Industrieunternehmen der Gashahn in Österreich zugedreht werden muss: Dreht die Gazprom den Nachschub ab, kommt ein besonders kalter Winter und wird viel Gas ins Ausland verkauft, können die heimischen Lager in den ersten Monaten 2022 wohl ziemlich leer werden.
Und sind die einmal leer, ist die Abhängigkeit von Russland nach wie vor riesengroß! Das "heitere Gashahndrehen" wird leider wohl ähnlich lange dauern wie der aktive Krieg in der Ukraine dauert - so rasch kann sich Österreich nämlich nicht vom Gas verabschieden. Ein zynisches "Danke" dafür an unsere Politiker sowie Wirtschaftskapitäne der vergangenen Jahre und Jahrzehnte...
Kalt wird es den Gasheizungsbesitzern in Österreich im Winter 22/23 wohl nicht werden - heiße Ohren setzt es dann aber jedenfalls mit jeder Gas- und Stromrechnung...
Meine Einschätzung: Putin & Co. werden wohl weiterhin den Gaspreis hoch halten (kaum gibt es eine Abdrehdrohung, steigt der Preis) - damit kann man ja auch mit weniger Gas mehr Geld machen...
Das böse Spiel funktioniert aber nur einige Zeit - mit dieser Taktik treibt Putin die europäischen Länder aus dem Gas (das Klima wirds langfristig danken, auch wenn derzeit wieder auf Kohle und Atom gesetzt wird) und in die Erneuerbaren bzw. zu Flüssiggas aus anderen Ländern.
Auch wenn der Umbau des europäischen Energiesystems noch viele Jahre braucht (Gas wäre hier ja eigentlich das geringste Übel gewesen) - Putin zerstört hier den Russen den wichtigsten Exportmarkt und begibt sich in die Hände von China, Indien & Co. Langfristig gesehen wohl der nächste schwere Fehler des russischen Napoleons...
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - August 2022