Die EZB tagt zwar erst am Donnerstag - die Spatzen pfeifen es aber schon vom Dach: Wohl wird EZB-Chefin Christine Lagarde die nächste Zinserhöhung verkünden, welche mit einem Plus von 0,75% auf den Leitzins sogar ziemlich deftig ausfallen könnte (Nachtrag 8.9. - +0,75% sind bestätigt).
Der Leitzinssatz erhöht sich damit (voraussichtlich) von 0,50% auf 1,25% - und ist dann damit immer noch vergleichsweise niedrig. Man darf aber nicht vergessen, dass die EZB sehr lange Zeit an der Nullzinspolitik festgehalten hat. Auch eine Erhöhung um 0,50 Prozentpunkte ist im Vorfeld der EZB-Entscheidung im Gespräch, die 0,75% scheinen aber wahrscheinlicher.
Nicht nur der Leitzinssatz wird hochgezogen, auch die Einlagezinsen für Banken verlassen die Nulllinie: Nach akutellen 0,0 Prozent für bei der EZB geparkten Bankeinlagen gibt es dann 0,75% (oder 0,50%).
Das wird dann auch die Diskussion um "Verwahrentgelte für Einlagen" bzw. Negativzinsen wohl endgültig beenden - in Österreich war dies bisweilen nur für Firmeneinlagen möglich, in Deutschland waren Negativzinsen schon deutlich weiter verbreitet.
Und wer weiß: Vielleicht verlassen auch die Zinsen für Tagesgeld (täglich fällige Spareinlagen), Festgeld (gebundene Spareinlagen) oder für Sparbücher aller Art schön langsam die Zeitzone, in welcher lange Jahre schon ein Nuller vor dem Komma steht.
Mit wirklich fetten Zinsen für Spareinlagen derzeit zwar nicht rechnen (und wohl auch nicht in den nächsten Jahren) - und angesichts der da und dort in Europa schon zweistelligen Inflationsrate war es nur eine Frage der Zeit bis die EZB von der Nullzinsenpolitik abweichen muss.
Die Bekämpfung der Inflation ist demnach aktuell der Hauptgrund für die Leitzinserhöhung - mit welcher man sich ob der hohen Staatsschulden vieler Länder der EU bzw. Eurozone auch extrem lang Zeit gelassen hat. Denn höhere Zinsen treiben die Staatsverschuldung noch weiter in die Höhe - insbesondere Länder wie Italien oder Frankreich galt es diesbezüglich zu schonen.
Mit Leitzinsen von 1,25% wird man aber wohl noch keine Staatsschuldenkrise verursachen - trotzdem gibt es derzeit recht wenig Anlass zu Optimismus:
Derzeit mehren sich nämlich die Rezessionsängste massiv - und kommt es schon diesen Winter zu einer Energieknappheit (hier spielt der Putin gerade wieder seine grausamen Spiele) in Europa, ist eine schwere Rezession sowieso nicht zu vermeiden.
Während man viele Firmen durch die erste Corona-Zeit quasi "durchgefüttert" hat, werden der Wegfall von Beihilfen sowie die hohen Energiepreise bzw. so manche Beschaffungsprobleme sich bezüglich Pleitenstatistik deutlich auswirken. Auch höhere Zinssätze für Kredite bzw. rückläufiger Privatkonsum (auch ob der Energiepreise) sind natürlich für viele Branchen ein Riesenproblem.
Eine Branche, deren beste Jahre wohl auch vorbei sind, ist wohl die Immobilienbranche: Eine Rezession gepaart mit höheren Kreditzinsen bringt wohl schon dieser Tage bzw. 2023 so manchen Immokredit (der sich in den letzten Jahren noch gerade ausgegangen ist) in Schwierigkeiten, neue Finanzierungen wurden schon zur Jahresmitte 2022 mit höheren Auflagen (=mehr Eigenkapitalanteil) verbunden.
Wer jetzt schon mit den gestiegenen Energiekosten kämpft (die Stromkostenbremse und weitere Staatshilfen sind da oft nur ein Tropfen auf dem heißen Stein) und sich früher gerade noch die Kreditrate leisten hat können, wird mit den nun sehr bald folgenden Zinserhöhungen wohl einige Probleme bekommen. Die "Non-performing-loads-Quote" (=Kredite, die aktuell nicht rückgeführt werden) der Banken wird schon sehr bald deutlich steigen - befindet sich aber akutell noch auf sehr niedrigem Niveau.
Die Zinserhöhung wird sich wohl inflationsbremsend auswirken - das Wirtschaftswachstum wird aber 2023 deutlich geringer ausfallen als man es sich vielleicht wünschen würde. Extrem viel hängt aber natürlich weiterhin vom Geisteszustand des Herrn Putin ab - und der ist ja bekanntlicherweise sehr schwer einzuschätzen.
Ad hoc-Meldung - September 2022