Auch wenn sich derzeit auf den Strom- und Gasbörsen leichte Entspannung abzeichnet (die guten Füllstände der Gasspeicher und das Erschließen neuer Liefermöglichkeiten sorgen hier für psychologische Effekte preissenkender Natur) - die ganze Wahrheit bezüglich Strompreis ist noch lange nicht in den heimischen Haushalten angekommen.
Der Stromeinkauf solider Stromanbieter passiert ja im Normalfall schon lange vor dessen Lieferung - in der Regel sichern sich Stromverkäufer die benötigten Mengen schon das eine oder andere Jahr im Voraus. Daraus resultiert auch die Annahme, dass die jetzt verbrauchten Mengen schon länger (und noch zu günstigeren Preisen) eingekauft wurden.
Nachdem die Strompreise 2022 aber fast geistesgestört nach oben gerast sind (eine Megawattstunde wurde da noch vor einigen Wochen -man erinnere sich an die Troubles der Wien Energie- um 1.000 Euro gehandelt, vor 1-2 Jahren gabs diese Menge noch um 20 bis 70 Euro...), darf man mit Sicherheit annehmen, dass schon sehr bald einige Anbieter die Preise wieder nach oben ziehen werden (und müssen).
Insbesondere Anbieter, die deutlich mehr Strom verkaufen als sie selbst produzieren und Anbieter, die Strom primär aus Gas produzieren, sind hier sehr gefordert und werden die Preise wohl früher in die Höhe ziehen müssen als Anbieter, die viel Strom produzieren und diesen primär aus Erneuerbaren (Wasser, Wind, Sonne...) herstellen.
Sieht man sich die aktuellen Strompreise in den Landeshauptstädten Österreichs an, merkt man dieses "Preisgefälle" schon jetzt deutlich - gut möglich, dass sich dieses 2023 noch verstärkt.
So ist der Strompreis derzeit insbesondere im Osten des Landes besonders hoch: Beim Preischeck via E-Control-Rechner (siehe Linktipps) kosten 5.000 Kilowattstunden bei der Wien Energie für Bestandskunden derzeit 1.840,47 Euro. Noch teurer ist die gleiche Menge in Niederösterreich, wo die EVN satte 2.036,78 Euro verlangt und damit derzeit den Höchstpreis der Landes- bzw. Stadtversorger hat.
Wer jetzt meint: "Dann wechsle ich halt zu einem anderen Anbieter", wird enttäuscht sein. Denn die billigsten Preise sind in allen Bundesländern nur noch von den Landesversorgern - und diese bieten diese Preise nur noch bestehenden Kunden an. Möchte man wechseln bzw. muss dieser Tage einen Stromanschluss neu anmelden, so kommen überall die "Normaltarife" zur Anwendung, die noch deutlich teurer sind und zeigen, wohin die Reise bei den Strompreisen noch gehen könnte.
Ein Beispiel: In Wien kosteten 5.000 kWh bei der Wien-Energie im April noch 1.217 Euro. Aktuell errechnet die E-Control einen Preis von 1.840 Euro, (37 Cent pro kWh) für Bestandskunden und von 2.569 Euro (51 Cent pro kWh) für Neukunden. Alternativen zur Wien Energie? Gibts keine - z.B. würde der Verbund zwar Strom für neue Wiener Kunden anbieten, verlangt dafür aber fette 3.040 Euro...
Noch teurer als in Wien kommt der Strom derzeit den Kunden der EVN: 2.036 Euro für 5.000 kWh errechnet hier die E-Control, für Neukunden wäre man mit 2.384 Euro ja fast günstig.
Die große Ausnahme im Osten Österreichs stellt die Burgenland Energie dar: 1.178,20 Euro sind nach wie vor ein Diskontpreis für Strom, Bestandskunden werden somit 2022 ziemlich geschont. Ob das mit den gerade stattgefundenen Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen etwas zu tun hat...?;-) Auch im Burgenland muss man wohl schon bald mit einer kräftigen Preiserhöhung rechnen.
Den günstigsten Strom gibt es derzeit in Vorarlberg, wo die VKW den Bregenzern (und auch anderen Ländle-Bewohnern und VKW-Kunden) die 5.000 kWh um bescheidene 911,64 Euro (18,23 Cent!) anbietet. Auch in Innsbruck kann man den Strombezug mit 954,02 Euro quasi noch genießen. Ein Strompreis "wie damals". Noch.
Die genannten Preise gelten selbstverständlich nur für Bestandsverträge - wer wechseln möchte oder einen neuen Anschluss beantragt, zahlt den "Normaltarif", der sich in allen Bundesländern irgendwo zwischen 2.000 und 3.000 Euro bewegt! Ein Anbieterwechsel ist somit derzeit ziemlich sinnbefreit.
Neben den Vorarlbergern, Tirolern und Burgenländern sind auch die weiteren Bundesländer noch mit einigermaßen leistbaren "Bestandstarifen" gesegnet: In Graz zahlt man derzeit als Bestandskunde 1.217 Euro, in Klagenfurt 1.172 Euro, in Linz 1.263 Euro und in Salzburg sind es 1.095 Euro für 5.000 Kilowattstunden.
Dass diese Preise aber wohl spätenstens 2023 Geschichte sind, scheint ob der extrem hohen Großhandelspreise anno 2022 ziemlich klar - die Landes- und Stadtversorger werden wohl jeweils die nächste tarifliche Möglichkeit wahrnehmen, die Preise deutlich nach oben zu schieben.
Schon jetzt zeigt sich klar, dass Anbieter mit viel nachhaltiger Eigenproduktion (=zumeist hoher Wasserkraftanteil) hier einen massiven Wettbewerbsvorteil gegenüber den "Fossilverstromern" haben - durchaus wahrscheinlich, dass dies auch 2023 zu großen Preisunterschieden im Lande führen wird. Der Wettbewerb wird da aber wohl auf der Strecke bleiben - wohl werden die westlichen Versorger weiterhin kein interesse an (östlichen) Neukunden haben.
Wieweit das fair und wettbewerbsrechtlich in Ordnung ist, lasse ich einmal offen...
Die Bilanzen von manchen Energiekonzernen (OMV, Verbund etc.) werden 2022 wohl ziemlich prächtig ausfallen, so manches Unternehmen profitiert von den stark gestiegenen Energiepreisen massiv.
Neben den Öl- und Gasproduzenten sind dies aber auch Erzeuger von Ökostrom, dessen Erzeugung und Verkauf mittlerweile auch ohne Förderungen schwer profitabel geworden ist.
Dass man nun auch solche Unternehmen mit einer "Übergewinnsteuer" belegen möchte, hat natürlich einen fahlen Beigeschmack - denn damit verringert man natürlich auch die für den (notwendigen) weiteren Ausbau von Erneuerbaren benötigte Kapitalkraft.
Ob der (via Putin massiv gesteuerten) Explosion der Gaspreise und folglich (ob der umstrittenen Merit-Order, bei welcher die teuerste Stromerzeugung den Preis macht) der Explosion der Strompreise sind derartige "Übergewinne" aber wirklich (sozial) fragwürdig. Auch wenn die Geldmarie selbst ein paar Investments in Grünstromerzeuger getätigt hat und eine solche Steuer natürlich die Gewinne schmälert, halte ich diese temporär durchaus für vertretbar.
Man darf schon sehr gespannt sein, wie (und ob) diese national umgesetzt wird - Freibeträge bzw. niedrigere Besteuerung für bzw. bei zukünftigen Investitionen in Erneuerbare wären durchaus sinnvoll.
Unter: Strompreise vergleichen finden Sie 1x im Quartal die günstigsten Strompreise in allen Bundesländern Österreichs - aktuell bieten diese ausschließlich die Stadt- bzw. Landesversorger.
Geldmarie-Linktipps:
Ad hoc-Meldung - Oktober 2022