Nicht nur die Energierechnungen machen den heimischen Haushalten dieser Tage Sorge: Durch die steigenden Zinsen kommt aktuell so mancher Haushaltsplan ziemlich ins Trudeln - insbesondere wenn es im Haushalt diverse Kredite gibt.
Primärer Auslöser der steigenden Zinsen ist die Energiekrise, die weltweit die Inflationsraten in ungeahnte Höhen getrieben hat.
Nur langsam -dann aber deutlich- zog auch die EZB die Leitzinsen für den Euroraum kräftig an: Lag der Leitzinssatz der EZB von 2016 bis Juli 2022 noch bei genau Null Prozent, so erhöhte man diesen im Juli auf 0,50%, im September auf 1,25% und im Oktober auf 2,00%. Im Dezember 2022 dürfte die nächste Erhöhung kommen (die US-Fed liegt aktuell schon bei 3,75-4,00%) und der EZB-Leitzinssatz wird wohl bei 2,75% landen. Weitere Erhöhungen sind im ersten Halbjahr 2023 wohl nicht ausgeschlossen...
Mit diesen Zinssatzerhöhungen möchte man primär die Inflation bekämpfen, nimmt damit aber eine deutliche Abschwächung der Wirtschaft in Kauf: So verteuern sich damit auch die Kredite, die man in den letzten Jahren nahezu zum Nullzinssatz bekommen hat.
Insbesondere bei längeren Kreditlaufzeiten wie bei Immobilienkrediten wirkt sich dies dann doch recht unangenehm auf die monatlichen Raten aus: Durch die längeren Laufzeiten beinhaltet der Zinssatz nur wenig Kapitaltilgung, die Zinskomponente wirkt sich demnach stark auf die Rate aus.
Als Basis für den Zinssatz von Immobilienkrediten wird oft der Euriobor herangezogen, der Anfang 2022 noch bei -0,50% lag. Wollte die Bank da 1,5% Zinsmarge einbauen, zahlte man ziemlich feine Zinssätze von 1%...
Mit den Zinssatzerhöhugen der EZB zog aber natürlich auch der Euroibor deutlich nach oben, aktuell liegt der 3-Monate-Euribor schon bei 1,79%. Plus 1,5% wären das schon 3,29% Zinslast - und somit ein Vielfaches...
Die logische Folge: Schon im 2. Halbjahr 2022 gibt es für die (zuletzt jahrelang boomende) Immobranche einen fetten Dämpfer - und auch weil die Eigenkapitalanforderungen für Immo-Kreditnehmer verschärft wurden, dürfte der Immobilienboom ein jähes Ende nehmen.
Auch normale Privatkredite sowie Kontoüberziehungen wurden schon erheblich teurer (bei den Sparzinsen lässt man sich seitens Banken immer ein wenig Zeit - aber auch hier werden die Zinsen gerade fest erhöht) - daraus resultiert natürlich auch deutlich weniger Konsum.
Die Folge von Kreditzinsenerhöhungen: Weniger Kredite, weniger Immobilientransaktionen, weniger Privatkonsum, mehr Pleiten = Wirtschaftsabschwung, der auch eine Rezession nicht ausschließt.
Das wirkt sich aber im Normalfall auch senkend auf die Inflationsraten aus, welche aktuell aber ohnehin primär durch die Energiepreise getrieben wird.
Weniger Wirtschaftswachstum wirkt sich aber normalerweise auch preissenkend auf die Energiepreise aus (= auch deutlich weniger Industrieproduktion bzw. staatliche Investitionen in Infrastruktur), was uns vielleicht schon 2023 eine Entspannung bei der Inflationsrate bringen könnte.
Der Erfolg der Zinssatzerhöhungen hängt aber natürlich auch davon ab, wie sich die Energiekrise (bzw. der Krieg in der Ukraine) weiter entwickelt - wirkliche Prognosen sind da wirklich schwer.
So Europa gut über den Winter kommt (was derzeit eher wahrscheinlich ist), kommt 2023 inflationstechnisch auch der Basiseffekt (Energiepreise waren 2022 schon hoch, 2021 noch nicht) zum Tragen - eine anzunehmende Wirtschaftsflaute wird die Inflation ebenfalls drücken.
So man dadurch als Kreditnehmer nicht gerade seine Arbeit verliert, ist das gar keine so schlechte Nachricht: Bleiben die Energiepreise ähnlich hoch wie jetzt (oder fallen sogar) und kommt eine kleine Rezession, werden sich die Zinsen wieder ziemlich rasch beruhigen und wieder nach unten wandern.
Corona und die Energiekrise haben die Staatskassen allerorten ziemlich leer gemacht bzw. den Staatsschuldenberg noch ziemlich vergrößert - die meisten Staaten können sich damit höhere Zinsen nicht (bzw. nur ganz kurze Zeit) mehr leisten!
Sobald also das Inflationsgespenst gebannt ist (aus aktueller Sicht wohl spätenstens 2024), werden (bzw. müssen) die Zinsen dann auch wieder sinken. Länder wie Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland, Belgien oder Portugal haben daran größtes Interesse - und auch Deutschland, Österreich etc. haben einen gewaltigen Schuldenrucksack zu schleppen...
Die nächsten Monate werden jedenfalls für Kreditnehmer ziemlich unangenehm, Sparer hingegen können sich über das eine oder andere Prozent mehr an Zinsen erfreuen. Wiewohl Sparen mit Sparbuch, Festgeld oder Tagesgeld wohl auch in den nächsten Jahren einen Realwertverlust bedeutet.
Für Banken könnte hingegen ab 2023 wieder eine härtere Zeit anbrechen: Die schwache Wirtschaft führt zu vielen Pleiten (Firmen wie auch Privat) und damit (nach dem feinen Jahr 2022) wieder zu mehr Kreditabschreibungen bzw. Kreditvorsorgen. Wie stark hier die Delle ausfallen wird, hängt wohl auch sehr davon ab, wie stark der Immobiliensektor in Mitleidenschaft gezogen wird.
Bei vielen Aktien aus der Branche sind diese Ängste aber schon 2022 eingepreist worden - gibt es 2023 keine Rezession bzw. keine platzende Immobilienblase, könnte man derzeit sogar günstig einsteigen. Idealerweise aber nur, wenn man diese Aktien nicht auf Kredit kauft ;-)
Ad hoc-Meldung - November 2022