In Sachen Ausbau der Erneuerbaren zählt Deutschland ja seit dem Beschluss des Atomausstiegs zu den europäischen Musterschülern. Wiewohl es hier immer noch anzumerken gilt, dass Germany nach wie vor einen sehr hohen Anteil an Stromproduktion aus Kohle aufweist. Ein Anteil, der ob der Verwerfungen am Energiemarkt 2022 sogar etwas größer geworden ist. Ein Ausstieg aus der Kohle anno 2030 scheint also sehr ambitioniert...
Rund 437 Terawattstunden Strom wurden in Deutschland bis 23.11.2022 laut ISE Fraunhofer produziert - auf das Jahr hochgerechnet wird das (einen normalen Dezember vorausgesetzt) eine Stromproduktion von rund 490 bis 495 Terawattstunden ergeben. 2021 waren es noch 495 TWh, 2020 wurden 486 TWh erfasst.
Litt 2021 die Stromproduktion bei den Erneuerbaren noch stark am enttäuschenden Windaufkommen, sieht das 2022 schon deutlich besser aus:
50,8% der bisherigen Jahresproduktion entfallen auf Erneuerbare (2021: 45,6%), 42,4% werden den Fossilen zugeordnet (2021: 41,2%) und 6,7% entfallen auf Atomstrom (2021: 13,2%). Hier lässt sich schon deutlich erkennen, dass der Wegfall von Atomkraftwerken sowohl durch Erneuerbare als auch durch Fossile kompensiert wurde. Und nachdem die aktuellen 6,7% Atomstrom im Winter nicht so einfach ersetzbar sind, scheint es auch verständlich, dass man seitens Deutschland ob der Energiekrise die verbleibenden 3 Atomkraftwerke erst ein paar Monate später (am 15.4.2023) vom Netz nehmen wird.
Nachtrag 31.12.22: Rund 492 TWh Stromerzeugung sollten es dann im Jahr 2022 werden - 49,5% Erneuerbar, 43,8% Fossil und 6,7% Atom.
Während in Österreich 2022 wohl ein ziemlich trauriges Jahr bezüglich erneuerbarer Stromproduktion droht (sehr schlechte Wasserstände und auch geringer Ausbau bei der Windkraft bzw. nur mittelprächtiges Windaufkommen) und die Stromimporte Österreichs wohl wieder auf Rekordniveau liegen werden, zeigen sich in Deutschland schön langsam die Früchte des Ausbaus der Erneuerbaren.
Schon seit 2019 ist die Windkraft in Deutschland Nr. 1 in Sachen Stromerzeugung! Das hat sich seither auch nicht geändert (auch wenn 2021 ein schwaches Windjahr war) und auch die Anteile der Fossilen gedrückt.
Im bisherigen Jahr 2022 liegt die Windkraft mit einem Anteil an der Stromerzeugung wieder deutlich vorne: 25% der Stromerzeugung Deutschlands kommen aus On- und Offshore-Windkraftwerken - im Vorjahr waren es noch 22,6%.
Auf Platz 2 der Energiequellen für Strom liegt die Braunkohle. 21,8% entfallen auf diese - die deutschen Kohlekraftwerke haben 2022 wieder mehr zu tun. Im Vorjahr lag der Anteil der Braunkohle-Stromproduktion noch bei 20,1%.
Aktuell noch drittwichtigster Stromproduzent ist die Photovoltaik: Solarstrom kommt bisweilen auf 11,9% und liegt mit einer bisherigen Jahresproduktion von 56,6 TWh (inklusive Selbstverbrauch) schon jetzt klar über den Rekordwerten der Vorjahre. Ob geringem Sonnenaufkommen im November und Dezember ist aber davon auszugehen, dass hier nicht mehr viel Produktion dazukommt und der Stockerlplatz noch abhanden kommt. Ein zweistelliger Anteil scheint aber erstmals fix zu sein. Nachtrag 31.12.22: 11,7% sollten es dann werden!
Auf Platz 4 feiert auch die Steinkohle ein kleines (wiewohl zeitlich wohl limitiertes) Comeback: Schon jetzt wurde mehr Steinkohlestrom erzeugt als im gesamten Vorjahr und der Anteil an der Jahresstromproduktion liegt bei 10,7% (Vorjahr 9,4%). Da Braun- und Steinkohle für konstante Stromproduktion sorgen, wird leider 2022 in Deutschland auch wieder mehr Dreckstrom produziert. Hier wird natürlich auch der Wegfall von Atomstrom kompensiert.
Das Comeback von Braun- und Steinkohle hat natürlich auch sehr stark mit dem Ukraine-Krieg zu tun: Putins Gaseskapaden führten dazu, dass Deutschland 2022 deutlich weniger Gas verstromt hat: 8,8% der Jahresproduktion wurden bisweilen mit Gas erzeugt, 2021 waren es noch 10,5%, 2020 noch 11,9%.
Die Angst der Deutschen vor einem Gasnotstand war ob geringer Speicherkapazitäten (die deutschen Lager sind zwar 99% voll, die fassen aber nur 27% eines Jahresverbrauches) noch größer als in Österreich (derzeit Lager zu 95% voll, 101% des Jahresverbrauchs). Bei Gas hat sich die Situation aber nun etwas entschärft und es scheint fix, dass es zumindest einmal im Winter 22/23 (so dieser nicht zu übel kalt wird) bei uns und in Deutschland warm bleibt.
Sehr konstant auch 2022 die Nr. 6 in der deutschen Stromproduktion: Biomasse kommt auf 8,6% der Gesamtproduktion und ist damit auch ein relevanter Teil des sehr bunten Strommixes. Hier ist der Zubau wohl nur noch bescheiden - gut möglich, dass Biomasse aber schon bald Gas überholen kann.
Auf Rang 7 zurückgefallen ist 2022 der Atomstrom. 6,7% der Produktion werden Mitte 2023 wohl gänzlich wegfallen, 2010 war Atomstrom in Deutschland mit einem Anteil von 24,8% noch Nr. 1 in der Stromproduktion! 2021 wurden noch 13,2% der Gesamtstromproduktion Deutschlands mit Atomstrom hergestellt.
Damit wird die Wasserkraft 2023 wohl Platz 7 erben - mit bescheidenen 3,1% an der Gesamtproduktion ist Wasserkraft in Deutschland ziemlich unbedeutend.
Auch aus Müll wird in Deutschland Strom gewonnen - die Müllverbrennung trägt bisweilen zu rund 1,7% der Gesamtproduktion bei und wird wohl im Gesamtanteil weiter ein bescheidenes Dasein fristen.
Während man sich in Österreich noch immer auf die Wasserkraft verlässt (die 2022 ziemlich schwach läuft) und den Ausbau der Erneuerbaren durch Gesetze (seltsame Raumordnungen etc.) und Bürgerprotesten massiv blockiert bzw. verlangsamt, sind in Deutschland seit dem Atomausstieg die Weichen auf Grünstrom gestellt.
Auch 2023 werden sich die Anteile von Windstrom und Photovoltaik (Solar) wohl wieder erhöhen, das Zusperren der restlichen 3 Atomkraftwerke wird aber wohl dazu führen, dass auch Braunkohle und Steinkohle weiter sehr stark beansprucht werden und auch 2023 wohl wieder ein kleines Wachstum verzeichnen.
Wären Putin & Haberer nicht einem Machtrausch verfallen, hätte man in Deutschland wohl die Kohlestromproduktion (auch) sehr häufig durch Gas ersetzt ( für die Umwelt das geringere Übel) - dieser Zug dürfte aber nun für die Gazprom ziemlich abgefahren sein.
Gas wird aber auch für die Industrie sowie für Haushalte (als Heizform) noch lange Jahre eine relevante Rolle spielen - so in der Ukraine dereinst die Waffen ruhen (leider noch nicht absehbar), wird wohl auch wieder das russische Gas in Mengen nach Europa fließen...
Der geplante Ausstieg aus der Kohle in der deutschen Stromproduktion anno 2030 scheint aber (schon angesichts einer aktuellen Stromproduktion von 32,5 Prozent) ziemlich unwahrscheinlich bis unmöglich.
Ad hoc-Meldung - November 2022Geldmarie-Linktipp: