Das Jahr 2023 beginnt an der Energiefront durchaus angenehm: Schon wochenlang herrschen in weiten Teilen Europas hohe Temperaturen vor - so auch in Österreich. Was eigentlich eine (negative) Bestätigung des weit fortgeschrittenen Klimawandels ist, kommt Europa im Winter 2022/2023 in Sachen Energieverbrauch sehr zugute. Insbesondere am besonders heiklen Gasmarkt ist vorerst einmal Durchatmen angesagt.
Wurde im Vorjahr an der Gasbörse CEGH die Megawattstunde Gas noch zumeist zwischen 100 und 200 Euro gehandelt (an Spitzentagen sogar noch teurer), so liegt dieser Preis aktuell bei bescheidenen 69 Euro - und damit sogar tiefer, als vor einem Jahr.
Hier gilt es aber unbedingt zu beachten (so man nicht gerade im Dienste einer Krawallzeitung oder einer Krawallpartei steht...), dass es sich bei diesen Notierungen um Preise handelt, die aktuelle Gaslieferungen (die 69 Euro beziehen sich auf Gaslieferungen am nächsten Tag) betreffen.
Die Gaslagerstätten Österreichs (und Europas) wurden aber zu größten Teilen von Frühling 2022 bis Herbst 2022 gefüllt - allesamt zu Preisen, die 2x, 3x oder 4x so hoch sind, wie aktuelle Börsenotierungen von Kleinmengen, die tagtäglich gehandelt werden. Und gerade in der Wintersaison erfolgt die Anlieferungen von Gas eher nur in kleinen Mengen. Der Durchschnittseinkaufspreis in den heimischen Speichern ist demnach nach wie vor extrem hoch.
Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass die Preise für alle Gaskunden massiv angestiegen sind und dass sie das teilweise noch immer tun. So kosteten im April 2021 14.000 kWh Gas in Wien bei einem Alternativanbieter nette 800 Euro. Im Oktober 2021 war ein anderer Alternativanbieter mit 1.000 Euro noch die billigste Wahl. Im April 2022 (als 2 Monate nach Kriegsbeginn in der Ukraine) hatten sich schon die meisten Alternativanbieter aus dem Reigen der Bestbieter entfernt und die Wien Energie verlangte noch 1.310 Euro.
Im Oktober 2022 war die Wien Energie mit einer starken Verdoppelung des Preises (auf 2.720 Euro) immer noch Bestbieter - auf einem Markt, der ziemlich einsam geworden ist. Darüber hinaus wurde dieser Preis nur noch Bestandskunden angeboten. Aktuell ist Wien Energie in Wien (lt. E-Control-Rechner) nach wie vor die billigste Variante, Gas zu beziehen.
Schön langsam kommen aber wieder etwas Schwung in den Gasmarkt: Der aktuelle Gaspreisvergleich zeigt, dass sich die Alternativanbieter schön langsam wieder den Landesversorgern nähern.
Diese "Privaten Gasanbieter" waren im Vorjahr häufig in Pleitenähe - schließlich verfügen die meisten Anbieter über keine eigenen Gaslager und mussten günstige Garantieverträge einhalten (was sie nicht immer taten - die Gerichte sind damit beschäftigt), die sie mit teuren Gaseinkäufen am Tagesmarkt erfüllen konnten.
Aktuell ist es in den meisten Fällen noch sinnvoll, beim Landesversorger zu bleiben - im Burgenland hat aber (nach einer deftigen Preiserhöhung, die ob Wahlen nach hinten verschoben wurde) schon ein Privater an die Spitze geschafft.
Auch die ersten Floater (=Tarife, die sich an einen Gaspreisindex anpassen, bei Wien Energie z.b. an den CEGH FM 22) tauchen beim E-Control-Vergleich wieder im Vorderfeld auf - kann durchaus sein, dass diese nach der nächsten Indexanpassung schon günstiger sind als die Normaltarife.
Auf Floater sollten sich aber derzeit nur Menschen einlassen, die etwas größeren finanziellen Spielraum haben und risikobereit sind - die Weiterentwicklung der Gaspreise ist nämlich noch ziemlich unsicher.
Die nächsten Monate öfter einmal den Vergleichsrechner der E-Control oder von Durchblicker (siehe Linktipps) zu verwenden, ist aber sicher sinnvoll - insbesondere, wenn der Winter weiter mild bleibt und die Gaslager im April oder im Mai 2023 zu mehr als 50% voll sind...
Aktuell sind Bestandskunden mit schon länger zurückliegendem Vertragsabschluss bei Landesversorgern jedenfalls fast immer "begünstigt". Soweit man derzeit "günstig" in Sachen Gas überhaupt verwenden darf...
Man soll ja den Tag nicht vor dem Abend loben - das gilt dieses mal in Gasangelegenheiten auch für den Winter 2022/2023:
Sorgten die niedrigen Lagerstände des Winters 21/22 (damals spekulierten viele auf wieder niedrigere Gaspreise und kauften zu wenig ein) nach dem Überfall auf die Ukraine und einigen taktischen Aktionen von Putin & Co. an den Gasbörsen (und Strombörsen) noch für Panik, so hat sich diese nun scheinbar kräftig gelegt. Drohungen Putins werden von den Börsianern mittlerweile quasi ignoriert und verkehren sich teilweise sogar ins Gegenteil (= fallende Gas- und Ölpreise).
Im Dezember zeigte sich dann schön langsam, dass auch Länder mit weniger Gasspeicherkapazitäten (z.B. Deutschland) als Österreich ohne Gasengpässe durch den aktuellen Winter kommen werden und in den letzten 2 Wochen (also eigentlich mitten im Winter) konnten die Gaslagerstände sogar europaweit Zuwächse erzielen. Hinzu kommen auch neue LNG-Terminals (Deutschland), die erstmals mit Gas beliefert werden.
Wenig Betrieb in der Industrie über die Feiertage, weniger Gasverbrauch in den Haushalten durch warmes Wetter und auch deutlich weniger Gaseinsatz in Gaskraftwerken zur Stromerzeugung (aktuell viel Windstrom in Deutschland!) helfen Europa, den Winter 22/23 schon ziemlich fix ohne Gasmangel zu überstehen.
Die Füllstände per 2.1.2023: Europa 83,5%, Deutschland 90,6% (=ca. 25% des Jahresverbrauchs), Österreich 87,6% (=ca. 93% des Jahresverbrauchs).
Das sieht also derzeit ziemlich "safe" aus und wird wohl auch nach der kalten Jahreszeit schöne Restmengen in den Gaslagerstätten verbleiben lassen. Russland wird wohl weiterhin Gas liefern - so rasch lassen sich nämlich keine neuen Leitungen nach Asien (China, Indien...) verlegen...
Der laufende Ausstieg aus Gas (Industrie, Haushalte und Stromerzeugung) ist aber nach wie vor ausgesprochen wichtig. Noch lange werden wir nämlich Gas in großen Mengen benötigen - und Gas ist (im Vergleich zur Kohle oder zu Öl) mit Sicherheit das geringere Übel, die Zeiten bis zum endgültigen Ausstieg aus den Fossilen zu überbrücken. Das wird aber wohl noch Jahrzehnte dauern und Russland wird wohl noch länger ein unberechenbarer Staat bleiben.
Gerade in Österreich (früher noch zu 80% mit Russengas beliefert) sind deutlich mehr Anstrengungen in Richtung Gasausstieg zu unternehmen - es bleibt zu befürchten, dass eine Entspannung am Gasmarkt hier die Politik weiter träge agieren lässt.
Die Spitzen bei den Gaspreisen sollte jedenfalls (so nicht doch Väterchen Frost noch lange vorbeischaut) erreicht worden sein - die jetzt günstigeren Einkäufe wirken sich aber wohl erst frühestens im Herbst deutlich auf das Preisangebot aus.
In der Zwischenzeit könnte ein Wechsel zu einem Alternativanbieter bzw. ein "Pokerspiel" mit einem Floatertarif schon bald Sinn ergeben.
Geldmarie-Linktipps:
Ad hoc-Meldung - Jänner 2023