Im Juli 2023 kamen noch immer 66% des Gasimports aus Russland, im Gesamtjahr 2023 werden es wohl weiterhin rund 50% (plus) sein, die wir via Ukraine von der Gazprom aus Russland bezogen haben. Da fließen wiederum einige Milliarden Euro nach Russland, dessen (kriegsführender und diktatorischer) Staat 50% der Gazprom besitzt.
Erst jüngst gab es da diplomatische Verstimmung nachdem der EU-Botschafter in Österreich, Martin Selmayr, dieses Geld als "Blutgeld" bezeichnet hat. Für einen Diplomaten zwar eine eher undiplomatische Formulierung - die aber den Nagel auf den Kopf trifft.
Auch wenn die via Russland bezogene Gasmenge 2023 wohl sinken wird, der Gasverbrauch bisweilen (ob mildem Winter und auch ob starkem Ausbau der Solarenergie in Österreich, welche den Gaseinsatz zwecks Stromerzeugung in den sonnigen Monaten schön reduzieren konnte) ebenfalls sinkt - die Politik hat es bisweilen ziemlich verabsäumt, die Gasversorgung Österreichs auf breitere Beine zu stellen und Alternativen anzugehen.
Kein Wunder: Die eine Partei (Grüne) in der Regierung würde ja gerne sofort aus dem Gas komplett aussteigen (was aber leider unmöglich ist) - die andere tendiert dieser Tage schon wieder dazu, Gesetzesvorhaben (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz) zu verzögern bzw. zu verfälschen.
Die gute Nachricht: Die Gaslager in Österreich sind fast voll (ca. 93% Füllstand - entspricht mehr als dem Jahresverbrauch Österreichs), in Europa sind sie das ebenfalls (ca. 95%) und auch in Deutschland hat man die Lagerstätten schon zu 94% angefüllt (was aber nur rund 27% des Jahresverbrauchs in Germany ausmacht). Bezüglich der kommenden Wintersaison musste man sich 2022 um die gleiche Zeit noch mehr Sorgen machen.
Auch für die Gaskunden hat sich die Lage schon deutlich entspannt: Gab es 2022 (und auch noch 2023) bei den Gaspreisen noch Verfielfachungen (teilweise mehr als der fünffache Preis), haben die meisten Landesversorger die Tarife mittlerweile schon deutlich gesenkt bzw. senken diese gerade. Der aktuelle Winter wird also ziemlich sicher günstiger als der letzte Winter - und jedenfalls sollte man sich als Gasverbraucher dieser Tage auch um einen Alternativanbieter umsehen. Diese sind bei durchschnittlichem Verbrauch oft sogar um 1.000 Euro oder mehr günstiger als der Landesversorger!
Auch wenn sich die Gaslager gefüllt haben und die schlechte Weltkonjunktur eigentlich eher zu weiter niedrigen Gaspreisen führen sollte/könnte: Sicher sollte man sich nicht sein, dass die Megawattstunde Gas weiterhin um die 35 bis 40 Euro (wie aktuell an der CEGH) gehandelt wird. Denn ein strenger Winter könnte die Gaslagerstätten (deren Inhalt auch zu großen Teilen Unternehmen aus dem Ausland gehört) schneller leeren als uns lieb ist.
Darüber hinaus könnte auch der Transit über die Ukraine 2024 enden bzw. Russland auf die Idee kommen, sowieso den Gasexport nach Europa gänzlich zu stoppen. Dann sind auch wieder Gaspreise von 200 oder 300 Euro pro MWh (wie im Sommer 2022 gesehen) nicht unmöglich und gerade Österreich hängt weiterhin stark am russischen Gashahn.
Wer der aktuellen Ruhe nicht traut, liegt also wohl gar nicht so falsch, sich derzeit von Floatertarifen fern zu halten und eher auf Fixpreise zu setzen. Dass diese dann nach der Vertragsbindung (z.B. 1 Jahr) auch wieder angehoben werden können, ist natürlich möglich.
Viele Großeinkäufer von Gas (z.B. die Landesversorger) haben aber wohl derzeit noch ziemlich teure Einstandspreise im 2022 befüllten "Gaslager" - daher resultieren auch die derzeit noch höheren Preise (im Vergleich zu vielen Alternativanbietern) für die Endkunden.
Noch eines zum Thema "Blutgeld": Aus dem Ölimport aus Russland hat sich Österreich zwar schon verabschiedet, die Hauptimportländer Kasachstan, Libyen, Irak, Jemen, Algerien oder Aserbaidschan sind aber auch nicht gerade lupenreine Demokratien.
Milliarden für Öl fließen auch 2023 (sowie noch lange Jahre) massenhaft in dubiose Staaten - ein Abschied von den Fossilen ist zwar ein guter Vorsatz, dieser gerät aber heuer politisch schon wieder deutlich in Vergessenheit und wird sich daher noch deutlich länger strecken, als man hoffen mag...
Ad hoc-Meldung - September 2023