Musikkonsum hat sich seit einigen Jahren deutlich in Richtung Streaming verlagert. Und hier hat -erfreulicherweise- kein US-Riese a la Apple, Google, oder Amazon die Nase vorne sondern ein Unternehmen aus Europa: Spotify unter Führung von Mitgründer Daniel Ek.
Das 2006 gegründete Unternehmen mit Sitz in Stockholm hat tatsächlich den Mitbewerb ziemlich abgehängt und trotz einiger schwer unpopulärer Maßnahmen (Preiserhöhungen, viel Geld für umstrittene Podcasts, 1000-Stream-Grenze oder zuletzt massive Kündigungen) die Marktführerschaft erlangt.
Und das Streaming noch immer Wachstumspotenzial hat, zeigen auch die jüngsten Zahlen des Unternehmens:
602 Mio. User waren im letzten Quartal via Spotify aktiv - das ist ein starkes Plus von 23% gegenüber dem letzten Quartal 2022.
Dieses Plus liegt vor allem an dem starken Zuwachs bei den "Ad-Supported-Usern" (die kein Bezahlabo haben, sich daher vor Musik/Podcast/Hörbuch Werbung anhören müssen), wo mit 379 Mio. Usern ein Plus von 28% gezählt wurde.
Aber auch die "Premium-User" (mit Bezahlabo) zogen um 15% auf nunmehr 236 Mio. User an - auch Preiserhöhungen konnten den deutlichen Anstieg bei Spotify-Abos nicht verhindern.
Wie relevant die Bezahlabos sind, zeigen auch die Einnahmen: 3,17 Milliarden Euro konnte Spotify im letzten Quartal 2023 mit Abos erzielen (+17% gegenüber dem 4. Vorjahresquartal), die "Werbungsabos" erbrachten mit 501 Mio. Euro (+12%) deutlich weniger.
In Summe konnte man aber den Umsatz im 4. Quartal 2023 mit 3,671 Mrd. Euro gegenüber dem 4. Quartal 2022 um nette 16% steigern.
Klar ist natürlich, dass Spotify die werbefinanzierten Hörer früher oder später in Bezahlabos überführen möchte - auch 2023 war hier noch deutlich von der Tatsache geprägt, dass es vordergründig um Marktanteile geht und Spotify hier noch weltweit seine Dominanz ausbauen möchte.
Das zeigt sich auch am Ergebnis für das 4. Quartal 2023, welches mit einem Minus von 75 Mio. Euro endete.
Ebenso deutlich sichtbar: Spotify möchte neben Europa und Nordamerika auch die Welt erobern: Von den 602 Mio. aktiven Usern des letzten Quartals stammen schon 32% aus "Rest of World" (Tendenz steigend), 28% aus Europa (Prozentanteile fallend), 22% aus Lateinamerika (Anteil stabil) und 19% aus Nordamerika (Tendenz fallend). Spotify weiß natürlich, wo die meisten Menschen leben - und forciert daher auch recht günstige Angebote in Asien...
Bei den Premium-Abos ist hingegen Europa mit 38% nach wie vor führend, dahinter Nordamerika mit 27%, Lateinamerika mit 22% und der "Rest der Welt" kommt da erst auf 13%. Gerade im Segment "Rest der Welt" will Spotify natürlich hinkünftig noch mehr Bezahlabos abschließen.
Der Quartalsverlust von 75 Mio. Euro (prognostiziert wurden 93 bis 108 Mio. Euro) schreckt die Aktionäre von Spotify nicht - denn diese sind ja Kummer gewohnt bzw. üben sich in Geduld: Betrug der Nettoverlust 2022 noch 430 Mio. Euro, so liegt dieser 2023 gar bei 532 Mio. Euro.
Für das 1. Quartal 2024 gibt sich Spotify aber optimistisch und möchte neben dem Ausbau der Abozahlen (auf insgesamt 628 Mio., davon 239 Mio. Premiumuser) wieder rund 3,6 Mrd. Euro umsetzen und unter dem Strich soll dann aber ein Gewinn von 180 Mio. Euro stehen.
Das lässt die Fantasie der Aktionäre natürlich an Gewinne denken (die Spotify bisweilen noch in keinem gesamten Geschäftsjahr hatte) und nachdem das Unternehmen im letzten Quartal auch rund 1.500 Mitarbeiter gekündigt hat und auch bei den Musikschaffenden die Daumenschrauben angedreht hat (siehe weiter unten), krachen die Kurse wieder nach oben.
Anfang 2021 stieg der Kurs der Spotify-Aktie auf knapp über 300 Euro. Dann aber gab es für viele Tech-Unternehmen kräftige "Kurswatschen" - und auch Spotify gelangte in die Abwärtsbewegung der Tech-Branche. Auch sorgten Quartalsverluste laufend für trübe Stimmung und es wurde da und dort gefragt, ob der Streaminggigant je in die schwarzen Zahlen kommen würde. Ende 2022 konnte man die Aktie gar um bescheidene 70 Euro erwerben.
Wer das getan hat, darf sich dieser Tage über eine Verdreifachung des Kurses freuen: Aktuell wird die Spotify-Aktie um rund 215 Euro gehandelt.
Während Aktionäre also jubeln und auf ein erstes Gewinnjahr bei Spotify hoffen, hat Spotify MusikerInnen wieder einmal ziemlich verärgert:
Spotify möchte nämlich wohl den Verwaltungsaufwand deutlich reduzieren (das zeigt ja auch schon die Massenkündigung im Herbst 2023) und setzt auf Masse: Von 184 Mio. Songs, die man via Spotify streamen kann, sind nämlich 46 Mio. Songs gänzlich 1 Jahr ohne einzigen Stream geblieben.
Von den genannten 184 Mio. Liedern kommen 150 Mio. Lieder auf weniger als 1.000 Streams pro Jahr - und genau diesen 150 Mio. Songs soll es nun finanziell an den Kragen gehen: Für 2024 wurde angekündigt, dass man unter 1.000 Streams binnen der letzten 12 Monate für den Song keine Gelder mehr an die Labels/Künstler ausschüttet! Auch gilt es, eine (nicht genannte!) Mindestanzahl an Usern pro Song und pro letzte 12 Monate zu haben um anspruchsberechtigt zu sein.
Das ist natürlich für viele kleine KünstlerInnen eine kleine Katastrophe und betrifft oft das gesamte Oevre eines Musikers! Auch wenn die Einnahmen aus dem Streaming ohnehin schon sehr gering sind - eine CD kauft ja ob des Streamingbooms heute fast niemand mehr...
Spotify behauptet zwar, dass die Einnahmen der "Kleinkünstler" an die MusikerInnen gehen, die diese 1.000-Streams-Hürde schaffen - diese Umverteilung an die ohnehin schon priveligierten Labels/Künstler ist aber schwer ungerecht und macht es für die Kleinen noch schwieriger, zumindest ein paar Euro mit der eigenen Musik (die oft ohnehin x-mal besser ist als so mancher gehypte Musiktrend) zu lukrieren.
Spotify zahlt dann zwar gleich viel der Einnahmen aus - spart sich aber unzählige Abrechnungen und Banküberweisungen. Und genau hier liegt die Absicht von Spotify: Den Verwaltungsaufwand deutlich zu reduzieren.
Es ist aber nicht unmöglich, dass sich hier im Schatten eines Riesen einige neu Alternativen auftun, die kleinere Künstler (die ja vielleicht einmal größer werden) fairer behandeln - dass es aktuell unzählige Musiker gibt, die auf Spotify schwer angefressen sind, zeigen schon die Zahlen oben (150 Mio. Songs von insgesamt 184 Mio. Songs betroffen).
Solange die großen Major-Labels (Sony, Universal, Warner) dieses Spiel mitspielen und ihren Katalog weiterhin Spotify zur Verfügung stellen, wird sich wohl nicht so rasch etwas ändern. Aber auch diese Labels sollten sich die Frage stellen, ob es der Entwicklung junger Künstler dienlich ist, nur noch auf altbewährte Künstler (von Abba über Beatles bis hin zu Taylor Swift und Harry Styles) zu setzen.
Sobald es für junge Künstler nämlich Alternativen gibt und der Spotify-Katalog schrumpft, werden die Karten nämlich gänzlich neu gemischt. Und es sind schon Riesen ziemlich gestorben - man denke hier nur an die Suchmaschine Yahoo oder die Handyanbieter Nokia und Ericson. Vielleicht ja auch an den Autohersteller Tesla, der gerade seine E-Auto-Weltmarktführerschaft an China verliert...
Aktuell zeichnet sich aber noch keine Alternative zu Spotify ab und das Wachstum dürfte solide weitergehen. Ob hier auch schon Gewinne auf Jahressicht drin sind, wissen wir spätestens in einem Jahr.
Ad hoc-Meldung - Februar 2023