Es sind ja eigentlich -kurzfristig gesehen- sehr erfreuliche Nachrichten: Schon Mitte Mai 2024 kann man davon ausgehen, dass Österreich 2024 nach vielen Jahren endlich wieder einmal zum Stromexporteur wird. Haben viele Regierungen den Ausbau der Erneuerbaren stets stiefmütterlich behandelt ("wir haben ja eh billiges Gas aus Russland"), so brauchte es den Energiepreisschock 2022/2023 sodass auf dem Stromsektor endlich etwas passiert.
Die extrem hohen Strompreise führten nicht nur zu hoher Inflation (die sich nur langsam einbremst) - so mancher Eigenheimbesitzer begann auch zu rechnen und orderte eine Photovoltaikanlage. Oft auch in Verbindung mit einem Speichersystem sowie der Umstellung des Heizsystems auf Wärmepumpe.
War es nach dem Russen-Überfall auf die Ukraine 2022 noch fast unmöglich, einen lieferfähigen Installateur- bzw. Elektrikerbetrieb zu finden (die Modul-Lieferketten aus Asien waren noch von Covid "geschwächt"), kam es 2023 schon zu einem massiven Zubau an Photovoltaikmodulen und auch 2024 wird wohl (auch ob der Mehrwertsteuerbefreiung) ein Top-Jahr für den Ausbau der Photovoltaik.
Nur ein paar Zahlen zur Verdeutlichung: 2022 betrug der Anteil an Solar/Photovoltaik-Stromerzeugung in Österreich an der Nettostromproduktion (lt. ISE Fraunhofer) noch bescheidene 1,96%, 2023 waren es schon 4,4% und 2024 liegen wir derzeit (Mitte Mai) schon bei 7,6%. Tendenz weiter stark steigend - gut möglich, dass 2025 schon mehr als 10% des Stroms via Photovoltaik erzeugt werden. Da kommt dann aber auch noch viel Strom dazu, der nicht ins Netz eingespeist wird (sondern selbst verbraucht wird) bzw. auch Strom, der in Batteriesystemen zwischengespeichert wird.
Schon jetzt ist deutlich sichtbar, wie die Photovoltaik den Strommarkt ziemlich auf den Kopf stellt:
Waren die kurzfristigen Strompreise an den Spotmärkten/Strombörsen bis vor einem Jahr noch mittags immer hoch, so ist diese "Mittagsspitze" sowohl beim Verbrauch als auch bei den Preisen ziemlich weggebrochen. Schließlich brummen da zur Mittagszeit (sowie auch um 13h, 14h oder 15h) die Wechselrichter ob viel Sonne besonders stark - schon fast 5.000 MW Leistung kommen dieser Tage (so sie in ganz Österreich sonnig sind) nur aus der Solarstromproduktion! Bei einer Stromlast (Verbrauch an Werktagen) von 6.000 bis 7.500 MW zeigt das schon ziemlich deutlich, dass die Sonnenkraft dann plötzlich zur dominierenden Stromquelle wird!
Weht dazu dann auch noch der Wind kräftig und die Flüsse mit Laufwasserkraftwerken sind gut befüllt, so entsteht hier laufend ein Stromüberschuss. Den gilt es dann entweder zu speichern (z.B. in Pumpspeicherkraftwerken, die man via Netz auch erreicht) oder zum exportieren. Da aber auch z.B. in Deutschland die Sonne scheint und dort ebenso ab und an kräftige Stromüberschüsse ob Photovoltaik gegeben sind, sinken an solchen Tagen die kurzfristigen Strompreise stundenweise häufig ins Minus. Insbesondere am Wochenende ist dies derzeit fast ständig der Fall.
Für Stromerzeuger, welche Strommengen außerhalb langfristiger Abnahmeverträge oder geförderter Tarife ins Netz einspeisen, bedeutet das ein Minusgeschäft. So hat aktuell auch die KWG Kraftwerk Glatzing-Rüstorf (eine Energiegemeinschaft aus Oberösterreich) darauf hingewiesen, dass es nun schon 7 Tage hintereinander stundenweise negative Strompreise im kurzfristigen Stromhandel gegeben hat. Da müsste man sein Kraftwerk ja dann eigentlich vom Netz nehmen...
Vorab sei gesagt: 2024 war bisweilen ein Ausnahmejahr - insbesondere in Österreich. Denn prinzipiell konnten wir uns ob der vielen Wasserkraftwerke (plus Speicher-KW plus Pumpspeicher-KW) ja lange wunderbar auf eine solide Grundversorgung via Wasserkraft-Strom verlassen.
Die "Ökobilanz" in der Stromerzeugung war absolut von der Wasserführung im Lande abhängig (und ist es nach wie vor). In den letzten Jahren war die Wasserführung sehr traurig - im Winter 2023/2024 zeigten sich die heimischen Flüsse aber wieder sehr solide und lieferten die wunderbare Basis für unseren Strommix.
Noch dazu wehte der Wind 2024 bisweilen besonders kräftig und dazu kommt noch ein bisher sehr sonniges Jahr, in welchem auch täglich die Anzahl an Photovoltaikanlagen zunimmt und im Sommer fast täglich den Strommix (in den Sonnenstunden) dominiert bzw. stark beeinflusst.
Während der Ausbau von Wasserkraftwerken und Windkraftwerken nur sehr langsam (zu langsam!) vorankommt (Windkraft ist insbesondere in der kalten Jahreszeit sehr wichtig - da gibt es deutlich weniger Solarenergie), gilt es nun aber schon relativ dringend, Lösungen für den Stromüberschuss zu finden.
Da ist vorrangig natürlich die APG (als überregionaler Stromnetzbetreiber) sowie die Politik gefragt - es wäre ja um jede Kilowattstunde schade, die nicht erzeugt bzw. gespeichert wird, weil die Produktion vermieden wird (bzw. ob Negativpreisen vermieden werden muss).
Weitere Speicherkraftwerke in den Alpen wären wohl dringend notwendig - insbesondere Pumpspeicherkraftwerke, die billigen Strom zu Überschusszeiten zum Hochpumpen verwenden und dieses Wasser dann verwenden, wenn wieder Strom im Netz benötigt wird.
Auch Förderungen für größere Speicheranlagen wären wohl sinnvoll - während man (bremst sich der Zuwachs an Überschussstrom mittelfristig nicht ein) bei den Förderungen für neue Photovoltaikanlagen vielleicht bald (z.B. nach einer Evaluierung des Gesamtjahres 2024) etwas auf die Bremsen steigen könnte. Das schreibt die Geldmarie übrigens zum ersten Mal - bisweilen war ich ein großer Fan von Förderungen. Seit 2022 rechnet sich aber eine neue Anlage längst auch ohne Förderungen und die meisten Menschen haben schon kapiert, dass sich eine Photovoltaikanlage über die Lebensdauer höchstwahrscheinlich wunderbar rentiert...
Ebenso sehr wichtig: Endlich die Technologie der Smart Meter (der "intelligenten" Stromzähler) nutzen und die Stromtarife deutlicher auf die neuen Gegebenheiten umstellen. Hier ist einerseits die Politik (in Sachen rechtlicher Rahmenbedingungen) gefragt, andererseits sind auch die Stromanbieter gefordert: Warum hat nicht jeder Energieversorger z.B. einen Tarif, welcher sich an den stündlichen Börsenstrompreisen orientiert.
Dieser "Stunden-Floater-Tarif" wäre eine Option für alle Haushalte mit Smart-Meter (diese sind inzwischen ohnehin schon fast flächendeckend installiert) - und man könnte dann nach einem kurzen Blick auf die "Strombörsen-App" die Stunden niedriger (oder gar negativer) Strompreise zum Wäschewaschen, Geschirrspülen, Kochen, Warmwasser-Aufbereiten, Heizen, E-Auto laden, Pool aufheizen uvm. nutzen...
Auch das E-Auto als Stromspeicher (in Verbindung mit Photovoltaik bzw. Smart-Meter und Floater-Tarifen) könnte noch zum "Game-Changer" werden - auch wenn die E-Cars derzeit ein wenig stagnieren. Aufladen dann, wenn viel billiger Strom da ist (vielleicht sogar zu Negativpreisen - also mit Gewinn...) - und dann im Haushalt verwenden, wenn der Strompreis teuer ist...
Gerade in der Technik liegt noch unglaublich viel Potenzial - gibt man den Verbrauchern (und der Industrie) Möglichkeiten der Einsparung, so wird dies auch (wiewohl oft auch nur zögerlich, siehe Ausbau der Photovoltaik, da hat es leider den Putin gebraucht...) angenommen.
Gleichfalls eine Variante, die man ob evidenter Stromüberschüsse in Betracht ziehen kann: Rascher Aufbau von "Wasserstoff-Clustern", welche bei guter Stromlage -günstiger als derzeit- Wasserstoff produzieren können, welcher in der Industrie verwendet werden kann. Das ist derzeit aber erst im Aufbau und es bleibt fraglich, ob bzw. wie schnell man hier marktreif agieren kann...
Aktuell haben wir jedenfalls das "Luxusproblem" der Stromüberschüsse, welches sich aber auch (aus Kundensicht) sehr positiv auf die zukünftigen Strompreise auswirkt. Ein Anbieterwechsel bei Strom und Gas ist übrigens nach wie vor in vielen Fällen zu empfehlen und kann sehr attraktiv ausfallen. Es gibt übrigens auch schon einige Tarife mit "Stundenfloatern" - das würde ich aber nur Menschen nahelegen, die das auch verstehen bzw. die auch plötzlich stark steigende Strompreise finaziell kurz verkraften könnten...
Die derzeit niedrigen Spotmarktpreise für Strom an den Börsen sollte man aber mit Vorsicht genießen: Im Sommer wird es wahrscheinlich wieder extrem heiß - was die Wasserstände der Flüsse massiv reduzieren wird. Dazu weht der Wind im Sommer auch deutlich weniger und an bewölkten Tagen ist auch die Sonnenstrom-Produktion deutlich niedriger. Da muss dann wieder Gas ran - und dann wird es wieder teurer.
Im Winter ist dann ohnehin weniger Sonnenstrom vorhanden, die Flüsse tendieren ob des Klimawandels ohnehin zu weniger Wasserführung und der Wind weht auch nicht immer.
Gas wird somit in der Stromerzeugung noch lange relevant bleiben. 2022 betrug der Gasanteil an der Stromerzeugung Östereichs noch 20,33%, 2023 waren es dann nur noch 11,81% und 2024 könnte man hier sogar einstellig werden. Eine gute Tendenz, Gas bleibt uns aber noch viele Jahrzehnte nicht erspart - wohl auch nicht in der Stromerzeugung.
Übrigens: Versiegen ab 2025 die russischen Gasflüsse via Ukraine nach Österreich, könnte dies auch auf die Strompreise wieder negativen Einfluss ausüben.
Fix ist nix - aber der Strommarkt bleibt wohl noch längere Zeit sehr volatil und das wichtigste Thema der nächsten Jahre auf dem Strommarkt werden wohl Stromspeicher aller Art sein...
Geldmarie-Linktipps:
Ad hoc-Meldung - Mai 2024