Die Anzahl der guten Nachrichten ist ja dieser Tage eher überschaubar und auch die aktuellen Steuerzuckerln der scheidenden Regierung verursachen eigentlich bei alle zukunftsorientierten Menschen eher Schmerzen. Die aktuellen Zahlen aus der heimischen Strombranche sind allerdings eine Jubelmeldung wert: Österreich ist 2024 in der Stromproduktion bisweilen Exporteuer und zum Halbjahr 2024 hätte man in der Stromproduktion sogar schon die diesbezügliche Klimaziele für 2030 erreicht!
Lt. ISE Fraunhofer (Daten ENTSO-E) wurden in Österreich im 1. Halbjahr 2024 31,47 TWh Strom produziert, der Stromverbrauch lag hingegen nur bei 27,62 TWh. 90,7% der Produktion entfielen auf Erneuerbare (Laufwasser, Speicher, Wind, Solar oder Biomasse).
Und nachdem die Gesamtproduktion via Erneuerbaren Energieträgern in den ersten 6 Monaten bei 28,56 TWh lag, liegt man damit derzeit rechnerisch sogar schon über den Zielen (=Erneuerbarenproduktion rechnerisch höher als Verbrauch), welche man für 2030 anstrebt! Fette 110% wären das derzeit...
Als Jubelmeldung für die Regierung taugt dies aber nur sehr beschränkt - vielmehr traten gleich mehrere "Glücksfälle" bzw. Zufälligkeiten auf, die diese tolle Halbjahresbilanz begünstigen:
Primär gilt es natürlich die sensantionelle Wasserführung in den heimischen Bächen und Flüssen hervorzuheben, die im ersten Halbjahr für 16,96 TWh Stromproduktion sorgte - das sind 53,9% der Gesamtproduktion.
Auch der Wind blies bisweilen ausgezeichnet und deutlich über dem Durchschnitt: Mit 5,17 TWh Produktion entfielen im 1. Halbjahr 16,4% der heimischen Stromerzeugung auf Windkraft. Der Ausbau verläuft aber hier noch eher zäh und mit Blick auf die Wintermonate (höherer Strombedarf und oft gutes Windaufkommen) ist die Politik hier nach wie vor gefragt...
Sensationell schon auf Platz 3 in der heimischen Stromproduktion liegt zum Halbjahr 2024 die Photovoltaik (bzw. Solarkraft): 2,99 TWh Produktion entsprechen schon 9,5% Anteil. Zum Halbjahr 2023 waren es noch 1,02 TWh bzw. 3,74%, im Gesamtjahr 2023 dann 2,34 TWh bzw. 4,31%. Die Jahresproduktion 2023 ist somit schon jetzt deutlich überboten und könnte im Jahresvergleich sogar zu einer Verdreifachung kommen.
In der Photovoltaik noch gar nicht einbezogen: Die vielen Stromspeicher (Batterien), die 2022, 2023 und 2024 in die heimischen Häuser gekommen sind und welche den Stromverbrauch Österreichs auch zu kleinen Teilen senken. Vom Frühjahr bis in den Herbst sind damit viele Häuser sogar fast täglich "autark".
Diese tollen Zahlen sind allerdings nur zu kleinen Teilen der Politik (via Förderungen und MWSt-Wegfall) zu verdanken: Vielmehr haben die extremen Strom- und Gaspreise ob des Russen-Überfalls auf die Ukraine viele Haushalte zum Rechnen gebracht. Ökologische Motive waren da wohl zumeist gar nicht die Hauptüberlegung.
Der große Vorteil von sehr viel Stromerzeugung via Erneuerbarer: Erdgas muss derzeit fast nie zur Stromerzeugung eingesetzt werden - das hält die Strompreise niedrig, den Gasverbrauch ebenso und die Gaslagerstätten können sich fein für die nächste kalte Jahreszeit (wo Gas leider noch viele Jahre auch zur Stromproduktion dienen wird) befüllen. Der Gasanteil in der österreichischen Stromproduktion lag im ersten Halbjahr bei fast bescheidenen 8,3% (2,60 TWh).
Sehr wichtig bei unserer Stromstatistik auch Speicherwasser: 7,2% Anteil (2,27 TWh Produktion) sind besonders dann im Einsatz, wenn wenig Produktion vorhanden ist. Das ist im Sommer neuerdings (ob der vielen Photovoltaikanlagen) eher in den Morgenstunden oder in den Abendstunden der Fall - die einstige Mittagsspitze wird man wohl maximal noch im Winter bzw. bei längeren trüben Wetterphasen sehen...
Nur ein kleiner (aber feiner, weil konstanter) Anteil der Stromerzeugung in Österreich entfällt auf Biomasse: Immerhin 0,94 TWh (bei 3% Gesamtanteil) wurden via Biomasse beigesteuert.
Nach den "Schockpreisen" 2022 (die auch noch 2023 zu sehen waren und sich sogar noch bis 2024 zogen) haben sich die Strompreise 2024 schon massiv beruhigt. An den Terminmärkten gibt es bei kurzfristigen Kontrakten (z.B. "day ahead" - also für den nächsten Tag) sogar stundenweise Negativpreise. Insbesondere an sehr sonnigen Tagen bzw. am Wochenende (mit weniger Stromverbrauch) ist dies seit dem Frühling häufig zu beobachten.
Während sich viele Neubesitzer von Photovoltaikanlagen Sorgen um ihre Einspeisetarife (die massiv nach unten gehen) machen, sind Stromüberschüsse in Österreich natürlich erfreulich für die Handelsbilanz, welche 2024 sogar einmal ins Plus kommen könnte.
Die Negativpreise dürften aber schon sehr bald weniger werden: Immerhin ist das erste Halbjahr 2024 bisweilen ein absolutes Ausnahmejahr. Derart feine Wasserführung ist so rasch wohl kaum mehr zu erwarten (und die nächste Hitzewelle bzw. Trockenperiode kommt sicher), der Wind weht auch nicht ständig und die Erträge der Solaranlagen werden in der 2. Jahreshälfte laufend weniger. Auch wenn noch immer viele neue Anlagen hinzukommen.
Dann muss wieder mehr Erdgas in die Stromerzeugung fließen und auch mehr Strom importiert werden. Die Gaspreise haben an den Börsen ohnehin schon zugelegt - und in Österreich wird die Gasbeschaffung 2025 dann wohl auch teurer und komplizierter. Dass nämlich auch noch 2025 Russengas durch die Ukraine fließt, ist nicht sehr wahrscheinlich - und da darf man der Ukraine wohl auch nicht böse sein...
In Zukunft werden die Schwankungen an den Strommärkten sich wohl noch mehr an den Jahreszeiten orientieren - in Österreich gilt es diesbezüglich natürlich nicht nur auf die Sonne und den Wind zu blicken, vielmehr sind die Wasserstände nach wie vor besonders wichtig.
Nachdem diese im 2. Halbjahr wohl ziemlich sicher deutlich niedriger sein werden als im 1. Halbjahr 2024, scheint auch ein Anstieg der Strompreise durchaus wahrscheinlich. Und erfängt sich die lahmende Wirtschaft in Europa bzw. Österreich ein wenig, wird Energie insgesamt nicht billiger...
Sich jetzt einen günstigen Fix-Stromtarif zu sichern erscheint der Geldmarie derzeit fast sinnvoller, als einen Floatertarif zu wählen.
Wohin die Reise bei Strom und Gas auch geht: Dass 2024 in der österreichischen Stromproduktion ein Topjahr wird und dass es tatsächlich gelingen könnte, rechnerische 100% Ökostrom zu erzeugen, ist schon hocherfreulich. Besagt aber noch lange nicht, dass dies in den nächsten Jahren oder auch zum Zieljahr 2030 wieder gelingt. Es ist ein Ausnahmejahr.
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - Juli 2024