Was sich dieser Tage (und wohl auch in den nächsten Wochen) in Griechenland abspielt, sollte für europäische Politiker Warnung genug sein: Eine "Kopf-in-den-Sand-Politik" und massive Unregelmäßigkeiten in der Finanzgebarung des Landes kombiniert mit einer streiklustigen Bevölkerung und einem großen Haufen Chaoten kann eine Gesellschaft bzw. ein Land in schwere Nöte bringen - dass man damit im vereinten Europa vielleicht auch eine negative Kettenreaktion auslösen kann, sei nur nebenbei erwähnt.
Schon in den letzten Wochen wurde klar: Auf die Griechen kommen eine Unmenge an Belastungen zu. Belastungen, über welche sich wohl niemand in Griechenland freuen kann und welche man auch in Österreich mit Streiks beantworten würde. Dass das griechische Volk schon in der jüngeren Vergangenheit äußerst streikfreudig war (die Streikbereitschaft der zahlreichen Griechischer Beamten übersteigt deren Produktivität jedenfalls), war jedoch schon vor den Ankündigungen vieler Steuererhöhungen und Lohnkürzungen bekannt.
Da aber das griechische Budgetloch in den letzten Wochen laufend größer wurde, geriet die Griechische Regierung derart unter Zugzwang (insbesondere durch die EU, die die Griechen weiterhin gerne in der Euro-Zone sehen möchte), dass eine gemeinschaftliche Vorgangsweise mit der starken griechischen Gewerkschaft unmöglich wurde. Der (nicht unberechtigte) Hass vieler Griechen auf steuervermeidende Reiche schürte das Feuer weiter an.
Das logische Resultat präsentierte sich heute auf Griechenlands Straßen: Generalstreik, Tumulte und sogar Todesfälle. Schlimmer hätte es wohl kaum kommen können.
Politisch vermeidbar wären diese Folgen wohl nur in den letzten Jahrzehnten gewesen. Die Eskalation in Griechenland war vorprogrammiert, die Folgen sind derzeit noch nicht absehbar.
An der wirtschaftlichen Sanierung Griechenlands führt trotzdem kein Weg vorbei. Sehr wohl sollte man aber in den nächsten Tagen auch das Gespräch mit den Gewerkschaften suchen und mit der EU einen längerfristigeren Sanierungsplan aushandeln bzw. auch über einen Schuldenerlass bzw. Zinsstundungen sprechen. Das brächte Zeit - Zeit, welche Griechenland zur innenpolitischen Ruhe und Sanierung jedenfalls brauchen wird.
Bis nämlich die Griechen wieder zur Tagesordnung übergehen, werden noch einige Milliarden Euro verbrannt sein. Darüber hinaus werden die griechischen Sparmaßnahmen und die (fast logischen) Einbußen im Griechenland-Tourismus das Land wohl noch stärker belasten, als die EU derzeit annimmt.
Ein lange streikendes Griechenland wird mit Sicherheit 2010 mehr als -3,0% beim BIP einfahren - auch die -0,5% für 2011 sind wohl derzeit unrealistisch. Griechenland hat einen langen und steinigen Weg vor sich - welcher sicher nicht von Gewerkschaften gesteuert werden sollte. Kommen die Griechen nicht bald zur Einsicht und schaffen so etwas wie einen "nationalen Schulterschluss", ist das Euro-Aus für Griechenland sowie der logische Staatsbankrott in den nächsten Jahren keine Utopie.
Auch wenn sich Österreich im EU- bzw. Europavergleich (bzg. BIP, Staatsverschuldung, Wirtschaftswachstum etc.) immer wieder im (soliden) Mittelfeld bewegt: Auch hier stehen große Einschnitte bevor.
Es ist zwar in naher Zukunft nicht zu erwarten, dass die Streiks derart eskalieren wie in Griechenland - zu Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen wird und muss es aber auch in Österreich bald kommen. Die auf den Herbst vertagten Verhandlungen werden vielleicht sogar schon heuer für die ersten Streiks im Beamtenbereich sorgen. Auch wenn man es als gelernter Österreicher nicht vermuten würde: Zum Glück gibt es in Österreich nicht so viele Staatsdiener wie in Griechenland...
Politiker und Gewerkschaften in ganz Europa sollten sich rechtzeitig und intensiv auf Streikwellen in ganz Europa vorbereiten. Einige Einbußen im Sozialstaat sind wohl besser als blutige Köpfe. Apropos Gewalt in Griechenland: Bitte unbedingt europaweit Streikende und radikale Autonome trennen. Die haben unterschiedliche Motive.
Streiks schaden jedenfalls ohnehin schon angeschlagenen Ländern mehr, als sie helfen. Sollte Griechenland nun doch unter der Schuldenlast zusammenbrechen, sind große Folgeschäden über ganz Europa unvermeidlich.
Ad hoc-Meldung - Mai 2010