Ende voriger Woche überraschte Wirtschaftskammer-Präsident Leitl (ÖVP) mit einem Vorstoß: Man möge doch notfalls auch im Alleingang eine Finanztransaktionssteuer in Österreich einführen. Ein durchaus mutiger Schritt der offensichtlich keinesfalls Parteilinie ist. Doch Christoph Leitl hat innerparteilich nichts zu verlieren - vor ein paar Wochen erst ging er als strahlender Sieger der WK-Wahlen vom Feld.
Leitl's Hintergedanke: Die EU-Finanzminister bringen seit dem Ausbruch der Finanzkrise nichts weiter - eine europaweite Besteuerung von Finanztransaktionen bzw. Spekulationen ist nach wie vor nicht in Sicht. Indessen bemerkte der volksnahe Politiker ein deutliches Rumoren an lokalen Wirtshaustischen - und zwar so deutlich, dass Leitl hier einen Vorstoß gegen die eigene Parteilinie wagte:
0,05% Steuer (wie diese dann auch immer benennt wird) auf börsliche und außenbörsliche Wertpapier- und Derivatgeschäfte schweben Christoph Leitl vor - Einnahmen von ca. 1,5 Mrd. sollen daraus für den Staatshaushalt resultieren.
Folgte einerseits Bestätigung aus der roten Reichhälfte (AK-Chef Tumpel, Kanzler Faymann, Finanzstaatssekretär Schieder), so bedurfte es nur einer kurzen Atempause innerhalb der ÖVP um deren Parteilinie zu bekräftigen. Lopatka und Vizekanzler Präll uniso: Finanztransaktionssteuern nur gemeinsam mit anderen Ländern bzw. europaweit.
Die Befürchtung der ÖVP (welche gegenüber einer solchen Spekulationssteuer nicht grundsätzlich negativ eingestellt ist): Der heimische Kaptialmarkt bzw. die heimische Börse würde unter einem Alleingang in Sachen Finanztransaktionssteuer massiv leiden. Die Wiener Börse sprach gar von einem zu erwartenden Minus von 2/3 des Umsatzes.
Conclusio: Die Finanztransaktionssteuer ist weiterhin auf die lange Bank geschoben. Realpolitiker Leitl hat der SPÖ einen kleinen Punktegewinn verschafft ist aber im Ansehen vieler Nicht-ÖVP-Wähler wählbarer geworden. Der Stillstand in der heimischen Politik wird tatsächlich bis in den Herbst verschoben - dass dann (trotz vieler Vorgeplänkel bezüglich Budgetsanierung) brauchbare Resultate folgen, darf weiterhin bezweifelt werden.
Ad hoc-Meldung - Mai 2010