Man stelle sich den Aufschrei vor: Die Pensionen bleiben am Monatsersten aus. Wohl ähnlich laut: Die E-Card gilt ab morgen für alle Österreicher nicht mehr - die Patienten müssen auf unbestimmte Zeit beim Arzt nun bar bezahlen. Ein riesengroßer Politskandal und wohl bald schon schwere Proteste der betroffenen Bevölkerung wäre vorprogrammiert.
Ab 1.6.2010 befinden sich ca. 410.000 SVA-Versicherte (Versicherung der gewerblichen Wirtschaft) im vertragslosen Zustand. Trotz pünktlicher Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge müssen diese z.B. bei Allgemeinmedizinern ("Hausarzt") sowie bei Fachgästen die Ärztehonorare bar bezahlen.
Weiterhin mit der E-Card kann man bei Zahnärzten, Apotheken, Ergotherapeuten, Logotherapeuten, Insituten, Bandagisten, Physiotherapeuten u.ä. zahlen - für genauere Informationen unbedingt die Homepage der SVA besuchen bzw. die eingerichtete Hotline befragen.
Die ca. 410.000 "Sachleister" der SVA bekommen zwar dann einige Zeit nach Vorlage der Ärztehonorare 80% der SVA-Tariftabelle refundiert (auch gegenwärtig zahlen SVA-Versicherte in der "Sachleistungs-Gruppe" 20% der Rechnungen aus der eigenen Tasche), diese 80% werden aber lt. aktueller SVA-Tariftabelle berechnet - und nicht nach den schon bald bis zu 20% höheren Arztrechnungen. Tatsächlich höhere Selbstbehalte sind daher wahrscheinlich.
Glück hat, wer neben der SVA auch einen anderen Krankenversicherungsträger hat. Für die wenigen "Geldleister" der SVA ändert sich vordergründig wenig - diese haben ohnehin schon bisweilen immer bar bezahlt und erhielten dann 80% zurück. Aber auch hier könnte der Tarifstreit große finanzielle Nachteile erbringen - denn auch hier wird von der SVA lt. eigener Tariftabelle abgerechnet.
Wer sich aus finanziellen Gründen eine Vorauszahlung nicht leisten kann, sollte unbedingt ein Ambulatorium mit SVA-Vertrag besuchen, die SVA kontaktieren bzw. einen Arztkostenzuschuss beantragen.
Ein Ausstieg aus der SVA-Versicherung ist übrigens nicht möglich.
Der Tarifstreit zwischen SVA und Ärztekammer eskaliert nun also tatsächlich. Komplett verhärtete Fronten, welche auch durch das heutige "Millionenangebot" (genauere Summen wurden nicht ruchbar) der SVA nicht gelöst werden konnten.
Die SVA fordert eine Senkung der ohnehin schon zu hohen Ärztetarife sowie Kosten für Laboruntersuchungen (Versicherte der Gebietskrankenkassen zahlen weniger), die Ärztekammer besteht auf einer Tariferhöhung.
Sogar der ansonsten als Verhandler recht beliebte WK-Präsident Leitl konnte als Chefverhandler der SVA keine Annäherung erzielen. Was seitens einiger SVA-Versicherter durchaus auch auf Verständnis stoßen könnte - denn wer zahlt gerne bei der nächsten SVA-Vorschreibung deutlich mehr Beiträge als andere Berufsgruppen bzw. Sozialversicherte mit gleichem Einkommen dies tun müssen.
Seitens Ärztekammer leistet man sich derzeit ohnehin nur Arroganz und Ignoranz und kündigte vor einigen Tagen an, dass die Zeit dränge - denn man werde bald auf Urlaub fahren... In allen anderen Bereichen wohl ein klarer Kündigungsgrund: Arbeitsverweigerung in schweren Krisenzeiten auf dem Rücken der SVA-Versicherten. 4% höhere Tarife bei einer gleichzeitigen Senkung der extrem überhöhten Laborkosten waren zuletzt das Angebot seitens Ärztekammer.
Dass sich hier einige Herren nicht ganz koscher sind, ist evident. Dass so mancher SVA-Versicherte die Welt nicht mehr versteht ebenfalls.
Eine baldige Lösung ist derzeit nicht in Sicht - verwunderlich nur, dass seitens Politik hier kaum Notiz von einer halben Million WählerInnen genommen wird. Diese werden ab morgen zwar sicher nicht streiken, sind aber bei Krankheit bzw. bei Routineuntersuchungen plötzlich mit neuen (oft auch finanziellen) Hürden konfrontiert. Und das merkt man sich. Pröll, Faymann? Ruhe.
Und man stellt sich die Frage, warum man im Staate Österreich noch immer 22 unterschiedliche Sozialversicherungsträger benötigt, dort unterschiedliche Beiträge für gleiche Leistungen zahlt und nicht in eine private Krankenversicherung (wie in Deutschland) wechseln darf.
Wer der SVA Dampf machen möchte oder sich über den Ausnahmezustand erkundigen möchte, besucht die Homepage der SVA. Wer den Damen und Herren der Ärztekammer seinen Frust mitteilen möchte, findet untenstehend die Seite der Ärztekammer. Wenn dort nicht alle gerade auf Urlaub sind...
Geldmarie-Linktipps:
Ad hoc-Meldung - Mai 2010