Bei der Fussball-WM in Südafrika wurden mittlerweile mehr als die Hälfte der Spiele absolviert. In wenigen Wochen ist das alle 4 Jahre in Szene gehende Sportspektakel (die größte Veranstaltung der Welt) vorbei und in Südafrika wird wieder -mehr oder minder- der Alltag Einzug halten.
Keine Frage: Eine Fußball-Weltmeisterschaft bewegt gewaltige Massen und Summen. Wirtschaftsforscher streiten allerdings bei vor, nach und bei jeder Großveranstaltung über den tatsächlichen Wert einer Fussball-WM oder -EM.
Im Regelfall wird den Veranstalterländern ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,1% bis 0,5% (je nach Größe des Landes und der Veranstaltung) prognostiziert. Diese Zahlen werden dann ebenso regelmäßig angezweifelt - mit durchaus interessanten Thesen und Fakten, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten:
Im Vorfeld einer EM oder WM kommen einige Branchen wieder stark ins Bild: Sportartikelhersteller und Sportgeschäfte, Reiseveranstalter, Wettbüros, Biererzeuger, Fluglinien, Bahn, Knabbergebäckhersteller bzw. auch Schokoladeproduzenten erwarten sich (wie auch Lokale in aller Welt) starke Impulse.
Aber auch die Bauindustrie boomt in vielen Ländern vor einer Fussball-Großveranstaltung: Zumeist werden nämlich neue Stadien gebaut bzw. alte Stadien adaptiert. Auch bei der Fussball-EM-2008 in Österreich (gemeinsam mit der Schweiz ausgetragen) wurden Millionen in den Umbau von Stadien investiert - das schöne Wörtherseestadion in Klagenfurt wurde sogar eigens für die EM errichtet.
Auch der Ausbau der U2 zum Wiener Stadion wurde ob der bevorstehenden EM sehr rasch vorangetrieben und noch rechtzeitig abgeschlossen. Die Wochen der Veranstaltung sorgen auch für einige (wenn auch kurzfristige) neue Beschäftigungsverhältnisse - immerhin benötigt man jede Menge Ordner, Verkaufspersonal, Reinigungspersonal etc. Telefongesellschaften freuen sich über viele Telefonate - bevorzugt natürlich mit Roaminggebühren.
Auch so mancher neuer Flatscreen-Fernseher wird im Vorfeld eines Fussballereignisses neu angeschafft - ob Privat oder für ein Lokal ist hier dem Handel ziemlich egal.
Neuigkeiten wie die "Vuvuzela" (sehr lautes, in Südamerika auf Fussballplätzen übliches Blasinstrument) entwickeln sich zum Verkaufsschlager.
Präsentiert sich ein Land sympathisch, wird auch der Tourismus (jedenfalls auf längere Sicht) davon sehr profitieren.
Eine WM oder eine EM haben aber nicht nur Vorteile für das Veranstalterland (bzw. auch für andere Volkswirtschaften).
Bei den letzten Weltmeisterschaften kam es in Sachen Industrieproduktion in den Austragungsländern (und auch teilweise in anderen Ländern - zumeist bei am Ereignis teilnehmenden Nationen) sogar zu leichten Rückgängen. Die Industrie sitzt (wie auch viele Dienstleister) einfach sehr lange vor dem TV-Gerät; zu intensive Nachbesprechungen (bei vielen alkoholischen Getränken) führen auch am Folgetag der Spiele oft zu Ausfällen.
Auch die Investitionen in die Infrastruktur sollte man nicht überbewerten - sogar Kritik muss hier oft erlaubt sein. Sieht man sich z.B. die Auslastung des Kärntner Wörtherseestadions an, so muss man wohl sagen, dass hier sehr viel Steuergeld ziemlich umsonst investiert wurde. Auch dieses Geld muss anderswo wieder hereingebracht werden...
Auch andere Stadien (Innsbruck, Salzburg) sind nach dem Umbau nicht ausreichend ausgelastet und verursachen dadurch unnötige Mehrkosten. Auch ein Rückbau der Stadien kostet Geld und wird daher derzeit noch vermieden - die Hoffnung auf bessere (Fussball-)Tage lebt...
Ein Großteil der direkten Einnahmen (Tickets, Sponsoring, Werbeverträge, Lizenzen) bei einer EM oder WM wird ohnehin durch die FIFA abgeschöpft. Viel bleibt dann den Veranstalterländern nicht übrig...
Eine Fussballveranstaltung ist darüber hinaus auch immer mit hohen Sicherheitsrisken verbunden: Der Einsatz der Polizeitruppen und Security-Leute kostet viel Geld. Auch viele Ärzte müssen für ihre Bereitschaft bezahlt werden.
Auch wenn man den starken Fan-Tourismus immer wieder betont - hier dürfte es sich eher um ein "Nullsummenspiel" handeln. Der Tourismus in Südafrika sollte zwar von der WM durchaus profitieren (bisweilen gab es auch noch keine nennenswerten unrühmlichen Vorfälle) - aber nicht in allen Ländern der Welt ist eine Fußballveranstaltung ein Magnet für Touristen.
Wien wurde z.B. von den klassischen Wien-Besuchern während der EM 2008 eher gemieden. Der klassische Wien-Tourist geht es nämlich lieber etwas ruhiger an und meidet nach Möglichkeit laut brüllende und besoffene Fanhorden. Durch die zentrale Lage und die hohe Sicherheit im Lande war aber die EM in Österreich und der Schweiz durchaus gut besucht und fast restlos ausverkauft.
In Südafrika sind da schon sehr viele Tribünenplätze leer geblieben (und wurden billig im Land verkauft) - sollte die WM aber weiter ziemlich reibungslos ablaufen, kann Südafrika auch in Folge mit viel mehr Tourismus (und Aufmerksamkeit) rechnen. In Österreich war die EM für den Tourismus aber eher unbedeutend - Österreich war ohnehin schon vorher DAS klassische Tourismusland und konnte mit Werbung durch den Fussball kaum punkten.
Wie man es auch immer drehen und wenden mag: In den meisten Fällen kommt nach der Veranstaltung die Ernüchterungsphase (im doppelten Sinn). Der Wirtschaftsmotor brummt zwar in einigen Branchen (Sportartikel, Sportwetten, Getränke, Lokale etc.) gewaltig - die direkten Kosten sowie auch die Folgekosten einer WM ode EM (mehr Schulden im Veranstalterland) sollte man aber auch nicht unterschätzen.
Auf der einen Seite eine leichte Konsumsteigerung - auf der anderen Seite eine mehr oder minder (je nach Erfolg der bevorzugten Teams) schwächere Produktivität. Wohl ein ziemliches Nullsummenspiel.
Ad hoc-Meldung - Juni 2010