Am Wochenende wurden die Gespräche zwischen EU/IWF und Ungarn (Vertreter der Mehrheitspartei Fidesz) ergebnislos abgebrochen. Die EU und der IWF sahen seitens Fidesz-Regierung zu wenig (bzw. gar keine) Strukturreform - und diese wäre in Ungarn wohl an der Tagesordnung.
Die aktuelle Tranche des seinerzeitig vereinbarten 20-Milliarden-Euro-Notpaketes für Ungarn hängt somit derzeit am seidenen Faden. Spekulanten in aller Welt wetzen wohl schon wieder die Messer - denn Ungarn scheint mit dem Forint (der zwischenzeitlich schon deutlich an Wert verloren hat) sehr schwach aufgestellt.
Erst vor einigen Monaten ging der Mitte-Rechts-Populist Vikor Orban mit seiner Fidesz als klarer Wahlsieger in Ungarn hervor und sicherte seiner Partei die absolute Mehrheit im ungarischen Parlament. Das von Korruptionsskandalen erschütterte Ungarn wählte sogar die Rechtsradikale Partei Jobbik an die 3. Stelle der Wählergunst. Klares Zeichen, dass der Frust in Ungarn riesengroß geworden ist.
Nun stellt der Populist Orban (wohl um seine Stärke zu demonstrieren) der EU und dem IWF einen Baum auf und möchte die nationalen Strukturprobleme mit "ungarischen Mitteln" bewältigen: Bankensteuer, Flat Tax und Gehaltsminus für Beamte wären die Fidesz-Pläne.
EU und IWF sehen darin aber keine nachhaltigen Reformen (welche Ungarn dringend notwendig hätte) und kritisieren auch einige "ungarische Lösungen" wie z.B. das geplante Verbot von Fremdwährungskrediten, Steuerausnahmen für gewisse (der Partei nahestehenden) Unternehmen, keine Schnapssteuer bis 50 Liter etc.
Darüber hinaus ist zwar eine Flat Tax geplant (wohl nach dem slowakischen Modell) - die Finanzierung dieser neueren Steuer ist aber noch nicht klar.
Schon wieder scheinen Freunderlwirtschaft und Korruption in Ungarn in die Verlängerung zu gehen - auch der neue Besen kehrt schlecht (mit alten Mitteln).
In Ungarn nimmt man die starren Fronten gegenüber EU/IWF hingegen mehrheitlich positiv auf (die Geldmarie hat das verlängerte Wochenende gerade in Ungarn verbracht und mit einigen Ungarn darüber geplaudert). Klarerweise befürworten Ungarn eher die ungarischen Vorschläge zur Reform - dass diese weder nachhaltig noch ausgegoren sind, wird weniger gern verstanden.
Während viele ehemalige Ost-Staaten schon bald nach der Wende Strukturreformen eingeleitet haben, hat Ungarn noch sehr lange vom Gulasch-Kommunismus (der leichtere Kommunismus) profitiert. Tourismus und Grenzverkehr, Immobilienverkauf sowie die günstigen Löhne für Betriebe brachten Ungarn in den 1990ern durchaus gute Jahre.
Strukturreformen blieben jedoch aus, die Korruption blühte, Investoren wanderten in andere (noch billigere) Länder ab, der Tourismus brach (in Zeiten der Billigflüge) ein, Einkaufen in Ungarn wurde langweilig, Fremdwährungskredite wurden durch den Forint-Verfall zur Schuldenfalle, ausländische Investitionen in Grund und Boden brachen (teilweise ob einiger behördlicher Schikanen) fast gänzlich weg, Ungarn gingen in Massen in den Westen arbeiten.
Mit einer national orientierten Regierung und ohne nachhaltige Budgetplanung wird man es kaum schaffen, dem Teufelskreis zu entkommen. Natürlich stöhnen die Ungarn schon jetzt unter der Last der letzten politischen Verfehlungen - wegsehen und populistisch agieren (wie gerade jetzt mit der EU bzw. dem IWF) wird aber nicht ausreichen.
Vielmehr sollte man auch in Ungarn einmal Wahrheiten aussprechen und die Bevölkerung um Mithilfe bei einem großen Reformakt bitten. Gerade eine Regierung mit absoluter Mehrheit sollte das am Anfang ihrer Regierungszeit schaffen. Es sieht aber leider derzeit nicht danach aus...
10,3% Arbeitslosigkeit und eine Gesamtverschuldung von 78,9% des BIP (für ein Land aus dem ehemaligen Ostblock schon sehr viel!) sind sehr negative Vorzeichen - ein Nullwachstum für 2010 ist ebenso katastrophal. Die für heuer prognostizierte Neuverschuldung von 4,1% des BIP ist da ja fast noch positiv zu bewerten (nur dabei liegt man europaweit halbwegs solide).
Investitoren aus dem Ausland wird man mit der national orientierten Politik aber ebensowenig gewinnen wie Touristen und Einkäufer. Und wer mag schon gerne die rechtsradikalen Jobbik-Buben (wie im schlechten Film) marschieren sehen...
Vielmehr sollte Ungarn jetzt einige Forint in eine Positiv-Kampagne ("Urlaub in Ungarn ist wieder günstig") investieren und möglichen Investoren keine allzu großen Prügel vor die Beine werfen.
Urlaub in Ungarn ist übrigens wirklich wieder sehr günstig geworden - auch der Einkauf in Grenznähe läuft dieser Tage stressfreier ab als noch vor einigen Jahren. Irgendwie dürfte sich der Wegfall der Grenzen nach Ungarn (früher lange Wartezeiten an der Grenze) sich noch nicht gänzlich herumgesprochen haben.
Abschließend ein Tipp: Beim Tesco in Sopron (ca. 15 Minuten von der Grenze entfernt am Stadtrand von Sopron) erhalten Sie so ziemlich alle Waren zu wesentlich günstigeren Preisen als hierzulande. Tanken in Ungarn zahlt sich aber nicht mehr wirklich aus - ein Faktum, welches dem heimischen Finanzminister (angesichts ebenso unerledigigter Budgetaufgaben) zu denken geben sollte...
Ad hoc-Meldung - Juli 2010