Das aufgrund von Landtagswahlen (Wien, Steiermark) weit nach hinten verschobene und mit Spannung erwartete Sparpaket für 2011 liegt nun endlich vor und wird gerade kräftig zerpflückt. Zumeist nur populistisch (Parteien), oft persönlich (Interessensvertreter und betroffene Bevölkerung) - aber nur selten mit einem leichten Blick über den Tellerrand hinaus.
Hier der Versuch einer Kurzanalyse des Budgetsanierungspaketes 2011:
Der größte Brocken des Sanierungspaketes (ca. 500 Mio. Euro werden erwartet) entfällt auf die lange schon angekündigte "Bankensteuer".
Die nach Bilanzsumme der Banken gestaffelte Abgabe (0,04% bis 0,08%) war eine starke Forderung der SPÖ. Aufgrund der in der Bevölkerung herrschenden Meinung ("Die Banken sind an der Finanzkrise schuld") konnte da auch die ÖVP (mit mehr Bankennähe) nicht aus und gab nach.
Dass eine derartige Steuer eher zur Bewältigung weiterer Bankenkrisen (die da durchaus wieder kommen werden) dienen sollte (z.B. via Einzahlung in einen Bankenpool) denn als Budgetsanierungsbestandteil (das Geld verschwindet im Budgetloch), steht auf einem anderen Blatt.
Und wer wird diese Steuer am Ende des Tages bezahlen? Richtig: Die Bankkunden. Die, die so vehement für eine Bankensteuer sind...
Die 0,04 - 0,08% werden sich wunderbar in den Spannen verstecken lassen - keiner hat's gesehen...
Wie lange man diese Finanzkrisen-Steuer beibehalten wird, ist noch nicht absehbar - wohl aber noch länger.
Wenn es um den Spirtpreis geht, sind die heimischen Autofahrer sehr sensibel. Plus 5 Cent auf Diesel und plus 4 Cent auf Benzin sollen knapp über 400 Mio. Euro pro Jahr ins Budget spülen.
Die Autofahrer und Autofahrerclubs müssen zwar nun natürlich maulen - kaum jemand wirft aber einen Blick zurück oder über die heimischen Grenzen: Spirt kostete schon vor Jahrzehnten (inflationsbereinigt) wesentlich mehr als heute - Tanken ist in Österreich derzeit vergleichsweise billig.
Das spült auch Jahr für Jahr einige Milliarden Euro aus dem Tanktourismus in die heimischen Kassen - die Erhöhung wurde daher auch sehr moderat gewählt. Auch nach der MÖSt.-Erhöhung wird man in Österreich weiterhin recht günstig tanken können.
50 bis 100 Euro wird diese Erhöhung dem Durchschnittsautofahrer im Jahr kosten - und die heimische Klimabilanz bleibt weiterhin stark negativ.
Die MÖSt.-Erhöhung wurde eher seitens ÖVP betrieben (auch wenn dadurch auch Handel und Gewerbe belastet werden) - die SPÖ reklamierte aber eine Erhöhung der (ohnehin schon jetzt zu hohen) Pendlerpauschale rein, was dem Fiskus ca. 50 Mio. Euro kosten wird.
Auch die Normverbrauchsabgabe (NOVA) wird wieder leicht angehoben, was zusätzliche 25 Mio. Euro erbringt.
Die Erhöhung der MÖSt. scheint der Geldmarie fast noch zu gering - spekuliert aber man mit den Einnahmen aus dem Tanktourismus (welche so bleiben werden), ergeben die 4 bis 5 Cent Erhöhung durchaus Sinn. Die Erhöhung der Pendlerpauschale ist allerdings völlig unnötig und eine ökologische Bankrotterklärung.
Ein paar Millionen hätte man dafür z.B. für den Ausbau der Infrastruktur in Sachen Elektroauto spendieren können...
Wer Auto fährt und Raucher ist, darf über die Budgetsanierung besonders raunzen: 20 bis 25 Cent pro Packung wird das Packerl Tschik im nächsten Jahr mehr kosten.
Damit ist man europaweit bei den Zigarettenpreisen aber immer noch im Mittelfeld (wenn nicht auch andere Länder noch anheben).
Diese Zeilen schreibt übrigens ein Raucher - der sich auch 2011 in Österreich mit Zigaretten eindecken wird. Der Zigarettenschmuggel wird (auch ob der auslaufenden Zollbestimmungen) aber wieder stärker aufblühen. Ob die 100 Millionen Mehrerlös erreicht werden können, wird sich noch weisen - denn Raucher aus den einkommensschwachen Schichten werden sich ihr Laster bald kaum mehr leisten können.
Raucher bleiben wohl auch in Zukunft eine interessante Einnahmequelle - welche aber auch (fairerweise gesagt) gehörige Kosten verursacht.
Wohl eine durchaus vernünftige Anhebung über die sich fast niemand wirklich aufregt - die Raucherlobby in Österreich ist sehr klein geworden.
Die Besteuerung von realisierten Kursgewinnen (unter Abschaffung der einjährigen Spekulationsfrist) ist eine langjährige Forderung der Geldmarie.
Die für Investments ab 2011 geltende Steuer soll im ersten Jahr ca. 30 Mio. Euro einbringen - später könnten es dann schon einmal 250 Mio. Euro/Jahr oder mehr werden.
Der Erfolg dieser Maßnahmen wird aber hauptsächlich von der Kooperation mit den Banken abhängen: Schon bisher waren Spekulationsgewinne innerhalb der Jahresfrist steuerpflichtig - die meisten Steuerzahler haben aber wohl auf die Angabe der Gewinne "vergessen".
Werden hinkünftig alle Transaktionen an den Fiskus gemeldet oder auch nur ein Depotauszug per Jahresende an das Finanzamt übermittelt, wird hier wohl die Steuerehrlichkeit stark ansteigen...
Eine der wenigen wirklich sinnvollen Maßnahmen, deren Erfolg jedoch stark von der effektiven Durchführung abhängen wird.
Um 8 (Europa-Flüge) über 20 Euro (Mittelstrecke) bis zu 35 Euro (Langstrecke) wird ab 1.1.2011 ein Flugticket via Österreich teurer werden. Die heimische Politik kopiert damit eine in Deutschland schon geltende Abgabe und erhofft sich dadurch Mehreinnahmen von 60 Mio. Euro/Jahr.
Die sich derzeit wieder im Aufwind befindlichen Fluglinien sind darob naturgemäß weniger erfreut und befürchten Umsatzrückgänge bzw. Ausweichen von Billigfluggästen ins benachbarte Ausland (z.B. Bratislava). Auch Negativfolgen für den Tourmismus werden in Schwarz an die Wand gemalt.
Zahlen muss die Abgabe aber natürlich der Fluggast (oder die Firma des Passagiers).
Die Flugticketabgabe ist eine Neuerfindung aus Deutschland - und sollte eigentlich europaweit geregelt werden. Zuschläge auf Kerosin wären wohl wesentlich sinnvoller - weil ökologisch zutreffender.
Ein durchaus beachtlichen Brocken zur Budgetsanierung geht auch zulasten von Familien und Studierenden.
Ab 2011 wird die Familienbeihilfe nur noch bis zum vollendeten 24. Lebensjahr (vorher: 26. LJ) ausbezahlt. Darüber hinaus wird die 13. Familienbeihilfe (erst anlässlich der Wahl 2008 populistisch eingeführt) auf 100 Euro gekürzt und nur noch für Schulkinder von 6 bis 15 Jahren ausbezahlt.
Auch die Familienbeihilfe für arbeitsuchende Kinder zwischen 18 und 21 sowie nach der Berufsausbildung fällt hinkünfig weg.
Diese Maßnahmen stoßen auf ziemlich laute Kritik - über die man auch durchaus unterschiedlicher Ansicht sein kann. Die 13. Familienbeihilfe war z.B. ohnehin nur ein Wahlkampfgag - und mit 24 (so Finanzminister Pröll) kann man auch schon selber für ein Zusatzeinkommen sorgen.
Ca. 240 Millionen Euro spart sich der Staat durch diese Kürzungen/Streichungen.
Weitere 125 Millionen Euro resultieren aus dem Wegfall des Alleinverdienerabsetzbetrages für Familien ohne Kinder (ohnehin ein ziemlicher Unsinn) und dem Wegfall des Mehrkinderzuschlages ab dem dritten Kind.
Die Politik gesteht damit wohl ein, dass die Familienförderung via Beihilfen nicht effektiv funktioniert - man sollte sich ohnehin überlegen, ob man hier nicht endlich von der Gießkanne zur Individualförderung kommen möchte.
Während man gerade eine Pensionserhöhung mit Mehrkosten von ca. 330 Mio. Euro durchgewunken hat, erspart man sich bei den Pensionen durch die Einführung einer einjährigen Wartefrist (vor der ersten Erhöhung) fortan ca. 20 Mio. Euro.
"Kleinere" Beträge spart sich der Staat hinkünftig auch durch erschwerten Zugang beim Pflegegeld. Bei Pflegestufe 1 bedarf es hinkünftig eines Pflegeaufwandes von 60 Stunden pro Monat (vorher 50 Stunden), bei Pflegestufe 2 müssen es in Zukunft 85 Stunden (nach 75) sein. Die 18 Euro Bonus für die Pflegestufe 6 sind hier nur ein Trostpflaster.
Das "Feindbild Stiftungen" trägt auch ein wenig zur Budgetkonsolidierung bei: 50 Mio. Euro sollen hier lukriert werden.
Auch bei der umstrittenen "Hacklerregelung" wird marginal gespart (Verschärfung beim Nachkauf von Versicherungszeiten), bei Invaliditätspensionen soll durch Rehamaßnahmen der Zugang erschwert werden.
Neben einer Erhöhung der Pendlerpauschale und einem kleinen Plus beim Pflegegeld (Stufe 6) gibt es nur wenige Bereiche, wo ab 2011 mehr Geld fließen darf bzw. auf Steuern verzichtet wird.
Das Highlight ist hier wohl sicher der Wegfall der Kreditvertragsgebühr - ca. 150 Millionen sparen sich hier zukünftige Kreditnehmer. Auch die Banken werden über den Wegfall dieser Abgabe sicher nicht böse sein - das erleichert die Administration im Kreditgeschäft.
Mehr Geld für Schulen und Unis (+80 Mio. Euro, allerdings verbunden mit der Einführung einer "Studieneingangsphase") wird in Summe noch vom Plus für die Bereiche "Forschung" und "Thermische Sanierung" (je 100 Mio) getopt.
Das der Selbstbehalt bei den Schulbüchern wegfällt, fällt finanziell nicht sehr ins Gewicht - bringt aber administrative Erleichterung für viele Beteiligten.
Auch wenn Kanzler Faymann über das Durchsetzen von vielen SP-Forderungen frohlockte: Das Budget ist für das SP-Klientel wohl ein Selbstfaller.
Während man viele Massensteuern erhöht bzw. einführt (MÖSt., Tabaksteuer, Flugticketabgabe, auf Umwegen auch die Bankenabgabe etc.), bleibt Eigentum und Vermögen nahezu unangetastet. Die Masse zur Kasse!
In Zeiten laufend höherer Fixkosten (Miete, Energie etc.) und stagnierender Einkommen bzw. Pensionen wird die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer und Strache-Wähler mehren sich wohl auch hinkünftig von Tag zu Tag.
Faymann und Pröll haben hier ein trauriges und ideenlosen (durch die heuer halbwegs gut verlaufende Konjunktur noch begünstigtes) Alibisanierungskonzept abgeliefert - für welches sie wohl jeder unpolitische Aufsichtsrat umgehend feuern würde.
Die Sanierung des "Unternehmen Österreich" wird verschleppt - wieder einmal auf Kosten der jüngeren Menschen.
Die Vorgangsweise bei der aktuellen Pensionsanpassung 2011 (und der wohl ähnlich ausfallenden Beamtenlohnrunde) sagt wohl alles - wirkliche Reformen (Bundesländer, Steuern, Beamte, Krankenkassen, Pensionskassen, Landwirtschaft etc.) finden in den nächsten 3 Jahren (soweit es die schwache Konjunktur nicht via EU-Budgetermahnung erzwingt) mit einiger Sicherheit nicht statt.
Eigentlich eine Bankrotterklärung.
Ad hoc-Meldung - Oktober 2010