In den letzten Wochen sind private Krankenversicherungen durch die politische Forderung nach transparenten Wartelisten für planbare Operationen (im Internet) gehörig unter Druck gekommen. Denn als eines der Hauptargumente für den Abschluß einer privaten Krankenversicherung gilt nach wie vor die kurze Wartezeit vor Operationen.
Solche OP's werden ob der deutlich höheren Kostensätze gerne durch den Primar eines Spitals bzw. einer Abteilung selbst vorgenommen (auch die freie Arztwahl ist ein interessantes Argument für eine private Zusatzversicherung) - und da lässt sich (im Gegensatz zu "Normalversicherten") schon einmal ein rascherer Termin finden.
Dieser deutliche Hinweis auf eine existente Zweiklassenmedizin wird durch Ärztevertreter und Krankenkassen in der Regel damit verteidigt, dass man in den Sonderklassen viel leichter ein freies Bett hat als in der allgemeinen Klasse. Und bei tatsächlicher medizinischer Dringlichkeit bzw. Notwendigkeit würde man ohnehin so rasch wie möglich operieren.
Bei vielen klassischen Operationen wie z.B. bei Hüftoperationen, Knie-OP oder grauem Star macht sich dann aber tatsächlich die deutlich kürzere Wartezeit für Sonderklassepatienten bemerkbar - Krankenkassapatienten warten hier oft viele Monate.
Tatsächlich ist in Österreich aber die Sonderklasse noch in den Kinderschuhen - und das Ärztesystem (auch wenn es teuer und somit reformbedürftig ist) ist weltweit im Spitzenfeld. Nur wenige Menschen können und wollen sich eine teure Zusatzversicherung leisten - in den meisten Fällen gibt es in Österreich gute Versorgung. Selbst die allgemeine Klasse hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert.
Die bisherige Koexistenz von Sonderklasse und allgemeiner Klasse sollte jedoch aufkosten von politischen Kleingeld nicht so leicht aufs Spiel gesetzt werden: Tatsächlich trägt nämlich die Sonderklasse schon heute zu einem beträchtlichen Teil zum Funktionieren des Spital- und Ärztewesens bei!
Einerseits leisten Sonderklassepatienten einen wesentlichen Anteil des Einkommens von Primarärzten (man könnte nun böse sagen: diese bezahlen den Porsche) und verhindern damit das Abwandern von vielen guten Ärzten in Privatkrankenhäuser.
Gäbe es deutlich mehr Privatkrankenhäuser, wäre wohl auch in den öffentlichen Spitälern die (sicher von allen unerwünschte) Kuvertmedizin an der Tagesordnung. Und geht man heute als Sonderklasseversicherter in ein Privatspital, entlastet man damit die bestehenden Kapazitäten in der allgemeinen Klasse - der größte Teil dieser Behandlungskosten wird demnach vom Versicherten selbst geleistet und nur ein kleiner Teil von der Pflichtversicherung gezahlt.
Eine diesbezügliche Reform würde demnach recht bald ein Abwandern von Ärzten in Privatspitäler mit sich bringen - und die öffentlichen Kassen wären noch ein wenig schlimmer dran.
Bevor man hier ein kleines Stückchen Privatvorsorge (die auch der Allgemeinheit zugute kommt) zerstört, sollte man vielleicht vorher die (höchst notwendigen und heute vom IWF eingeforderten) Gesundheitsreformen (schlankerer und kostengünstigerer Apparat) umsetzen.
Der Wegfall von privaten Krankenversicherungen könnte nämlich teuer werden...
Ad hoc-Meldung - Juni 2011