Es hat schon Tradition in Österreich: Wenn jemand errechnet, dass die Ausschüttung der heimischen ATX-Unternehmen zuletzt stark gestiegen ist (im letzten Geschäftsjahr von 2,8 auf 3,2 Mrd. Euro), dann jammern reflexartig die Gewerkschafter oder Linken darüber - ohne dem kleinen Sparer eine Anlagealternative anbieten zu können, die Realwertverluste vermeidet. Böse böse Unternehmen, böse Kapitalisten, böse Arbeitgeber. Kein Wunder, dass der Anteil der Direktaktionäre in Österreich immer noch bei lächerlichen 2% liegt...
Keine Frage: Aktien sind kein Sparbuch, bei Aktien bzw. Unternehmen sind Erträge nicht garantiert und Verluste natürlich möglich. Wie in vielen Rubriken der Geldmarie erwähnt, sollte man sich vor Aktieninvestments gründlich in die Materie eingelesen haben bzw. auch mit Alternativen wie Fonds oder Zertifikaten einmal reinschnuppern.
Die uns wohl bleibenden Niedrigzinsen vernichten via Sparbuch, Tagesgeld, Staatsanleihen, Festgeld etc. aber Jahr für Jahr Anlegermilliarden - da darf man schon darauf hinweisen, dass es durchaus Sinn ergibt, zukünftig einen Teil des Anlagevermögens in Aktien zu investieren. Denn so wie es aussieht, ist die Zeit des Sparbuchs längst vorbei...
War es vor Jahrzehnten noch so, dass man auf Sparbüchern deutlich höhere Zinsen erhielt und nach Abzug der KESt. sowie der Inflation noch ein Plus blieb, haben sich die Zeiten massiv geändert: Nunmehr resultiert bei Sparvarianten ein klares Minus, bei Aktien geht sich oft schon nur durch die Dividende des Unternehmens ein Plus aus (ungeachtet der Kursveränderung).
Die Dividendenrendite der Wiener ATX-Unternehmen betrug 2018 fette 3,8% und wird wohl auch 2019 ähnlich ausfallen - bei fast allen ATX-Unternehmen ist der Geschäftsgang auch 2019 solide bzw. gut.
Vor vielen Jahren lagen die Dividendenrenditen noch deutlich niedriger - der Aktienkäufer erwarb Aktien zumeist als Investment in die Zukunft: Laufen die Geschäfte zukünftig gut, steigen zukünftig auch die Kurse und man kann mit Gewinn verkaufen. Auf die Dividende blickte da fast niemand - die Renditen daraus lagen ja auch nur bei 1-2%, da zahlte ja jedes kurzfristige Sparbuch mehr. That was yesterday...
Keinesfalls sollte man sich ein Wertpapier aber nur wegen der aktuell hohen Dividende zulegen: Die Dividendenpolitik ist in den einzelnen Unternehmen nämlich äußerst unterschiedlich ausgeprägt. Manche Unternehmen schütten fast den gesamten Vorjahresgewinn aus, in schwächeren Jahren sogar mehr als den Gewinn (das geht natürlich auf die Substanz), andere wieder heben die Dividende Jahr für Jahr moderat an und belassen dabei aber große Teile des Gewinns im Unternehmen.
Dann gibt es auch noch die Zykliker (bei uns z.B. die voestalpine), deren Geschäftsgang sehr weltkonjunkturabhängig ist und die einmal mehr, einmal weniger an die Aktionäre ausschütten. Und vielleicht auch einmal das eine oder andere Jahr gar nichts - auch das kann passieren, Gewinne sind bei Unternehmen natürlich nicht garantiert. Auch sollte man bei der Dividendenbetrachtung nicht nur die Entwicklung der Dividendenhöhe und der Gewinne beachten - oft gibt es auch "Sonderdividenden", welche allerdings in der Regel nur kurzfristig oder einmalig ausbezahlt werden!
Hohe Dividendenrenditen (im ATX der Wiener Börse) weisen derzeit z.B. die Uniqa (6%!), die Post (5,5%!), die BAWAG, Lenzing, die Vienna Insurance Group, Raiffeisen Bank International oder die Erste Group Bank auf.
Hauptsächlich also Finanzunternehmen, deren Kurs in Erwartung schwächerer Zeiten eher niedrig ist, deren Dividende ob guter Vorjahre aber noch gut bzw. sogar hoch ist. Kommt die nächste Weltwirtschafts- oder Finanzkrise nicht so bald bzw. fällt diese nur moderat aus, fährt man mit den genannten Werten wohl gut.
Die Post ist als "Versorger" eigentlich ein sicherer Hafen - ob Verlust des Monopols (derzeit Stichwort "Amazon-Paketdienst") und Veränderungen am Briefmarkt sind aber auch hier Risken vorhanden. Gerade die Post hat aber bisweilen den Angriffen der neuen Konkurrenz gut standgehalten und zahlt als teilstaatliches Unternehmen auch sehr gerne besonders hohe Dividenden (die dann Privataktionäre und auch die Staatskassa erfreuen). Das Risiko ist hier also sehr überschaubar - früher oder später wird natürlich das laufende Dividendenerhöhen ein Ende haben.
Zellulosefaserproduzent Lenzing ist wiederum ein "global player", der sich den Weltmarktzyklen nicht so leicht entziehen kann wie die heimische Post - ob die hohe Dividende von jeweils 5 Euro in den 2 Vorjahren auch für 2019 gezahlt wird, darf man bezweifeln.
Auf dividendenchecker.at (siehe Linktipp, auch der DAX ist dort in Sachen Dividenden in Beobachtung) kann man sich alle ATX20-Unternehmen in Sachen Dividende bzw. Rendite der Vorjahre ansehen und auch einfach ordnen - lassen Sie sich aber keinesfalls von einer kurzfristig hohen Dividende beeindrucken und beachten Sie auch, wie das aktuelle Geschäftsjahr läuft (vierteljährliche Berichte gibt es von allen ATX-Unternehmen) und wie die Konjunkturaussichten in der jeweiligen Branche sind.
Mit 0,95% Dividendenrendite liegt die Verbund AG derzeit an letzter Stelle des Rankings - während die Aktie im Jahresranking 2019 ganz vorne liegt. Das erinnert eher an frühere Zeiten, als man einer Aktie an der Börse gute Zukunftsaussichten prognostizierte und daher auch zu sehr hohen Kursen kaufte - und der folgend hohe Kurs gemessen an der Vorjahresdividende ergibt dann eine schwache Dividendenrendite. Man kann beim Verbund davon ausgehen, dass sich hier einige Großanleger (Fonds etc.) einen "sicheren Hafen" (viel Grünstrom, Versorgertitel) gekauft haben und damit den Aktienkurs in die HÖhe getrieben haben.
Aktienkauf ist natürlich immer eine Hoffnung in die Zukunft des Unternehmens - dabei ist ein Blick in die Vergangenheit des Unternehmens bzw. insbesondere in das Zahlenwerk aber sicher nicht falsch. Und wie immer gilt: Aktien nur dann erwerben, wenn man das Geld hat (also keinesfalls auf Kredit) bzw. es auch längere Zeit nicht dringend braucht...
Geldmarie-Linktipp:
Ad hoc-Meldung - Oktober 2019