Die Kalte Progression ist der beste Freund des populistischen Politikers. Denn mit dieser kann er alle paar Jahre die "Größe Steuerreform in der Geschichte Österreichs" ankündigen. Und auch wenn alle Parlamentsparteien eigentlich ja für eine Abschaffung der kalten Progression wären - sie dominiert auch aktuell wieder die Diskussionen rund um die jüngst seitens der VP/Grünen-Koalition präsentierte "Ökosoziale Steuerreform".
Es hört sich recht fein an, was Kurz, Kogler & Co. am Sonntag als "Ökosoziale Steuerreform" präsentierten:
18 Milliarden steuerlich Entlastung bis 2025: 2 Lohn- bzw. Einkommensteuertarife werden gesenkt (Von 35% auf 30% am 1.7.22, von 42 auf 40% am 1.7.23), Mitarbeiterbeteiligung bis 3.000 Euro steuerfrei, Senkung der KV-Beiträge (vor allem für niedrigere Einkommen) per 1.7.22, Erhöhung des Familienbonus von 1.500 auf 2.000 Euro, Senkung der KÖSt. von 25 auf 24 und dann auf 23 Prozent, Investitionsfreibetrag, Anhebung Gewinnfreibetrag, Wiedereinführung Agrardiesel, geringwertige Wirtschaftsgüter Anhebung von 800 auf 1.000 Euro und dann auch noch der neue "Klimabonus" zur Abfederung der neuen CO2-Bepreisung.
Auch ökologische Förderungen zwecks Ausstieg aus Fossilen, Klimaticket, Sanierungsförderungen etc. lesen sich auf den ersten Blick durchaus solide.
Rechnet man dann ein wenig nach, wird man erkennen, dass wir einen Großteil des Volumens dieser Entlastung ohnehin schon ob kalter Progression in den letzten Jahren selbst bezahlt haben. Und bleibt dann doch noch die eine oder andere Milliarde über, so wird diese ab Gültigkeit der Tarifreform wiederum Jahr für Jahr von der kalten Progression aufgefressen.
Wirklich neu ist aber die ab 1.7.2022 beginnende (und längst notwendige) CO2-Bepreisung:
Wenn eine "Wirtschaftspartei" und eine "Umweltpartei" in einer Koalition sind, kann natürlich nur ein Kompromiss rauskommen, wenn es um die in Europa längst fällige CO2-Bepreisung geht. Viele sagen: Ein schlechter Kompromiss.
In typisch österreichischer Manier wird einem hier einerseits das Geld aus der Tasche gezogen, auf der anderen Seite gibts aber auch wieder etwas zurück. Dazwischen entsteht halt ein wenig Verwaltungsaufwand...
Ab 1.7.2022 wird in Österreich die CO2-Bepreisung eingeführt: 30 Euro pro Tonne CO2 sind es dann, die der "Inverkehrbringer" (also OMV & Co.) zu leisten hat und natürlich auf seine Kunden abwälzen wird. Auf der Tankstelle sind das dann ca. 8 bis 10 Cent pro Liter - damit ist Benzin und Diesel auch 2022 noch günstiger als in den meisten Nachbarländern (und insbesondere günstiger als in Deutschland)...
Auch wenn es auf Fossile natürlich schon lange hohe (direkte und indirekte) Steuern gibt (z.B. die Mineralölsteuer, die motorbezogene Versicherungssteuer, NOVA etc.) und man in vielen Bereichen nur die -eh schon vorhandenen- Steuern anheben hätte können, ist der CO2-Preis natürlich ein wichtiges Instrumentarium, Umweltverschmutzung nun einen Preis zu geben.
Den Klimaschützern sind diese 30 Euro naturgemäß deutlich zu gering, schon ab 2023 werden es aber 35 Euro sein, ab 2024 dann 45 und ab 2025 gar schon 55 Euro. Ein bisserl Verzögerungstaktik also (die ob der anstehenden Preisexplosion bei Gas und Strom aber durchaus berechtigt ist) - aber ein richtiger Schritt, der endlich getan wurde.
Wirklich seltsam wird es dann aber mit der Einführung des "regionalen Klimabonus": Die rund 5 Milliarden Euro Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollen dann fast 1:1 wieder an die Bevölkerung zurückgezahlt werden...
Der Stadtbewohner bekommt schon am 1.7.2022 eine Gutschrift von 100 Euro (wohl über das Finanzamt, Details noch in Arbeit), wer besonders abgelegen wohnt kriegt 200 Euro. Dazuwischen gibt es noch Abstufungen von 133 Euro und 167 Euro - die diesbezüglichen Daten kommen dann von der Statistik Austria. Für Kinder gibts dann die jeweilige Hälfte, steigt die CO2-Steuer an, werden auch diese Beträge anteilig erhöht...
Anstatt die Umweltsünder (=Vielfahrer) einfach ordentlich brennen zu lassen bzw. über die ohnehin schon vorhandenen Parameter Kilometergeld oder Pendlerpauschale zu agieren, lässt man hier wieder das Gießkannenprinzip walten.
Absolut unverständlich wieder einmal, dass das Dieselprivileg (niedrigere Steuer als für Benzin) nicht angetastet wurde - und auch die Wiedereinführung von Agrardiesel darf man zweifelsohne nur als populistische "Klientelpolitik" bezeichnen, der die wirklichen Probleme von kleineren Bauernhöfen (= weniger Förderungen für Großbauern, höhere Förderungen für Kleinbauern wären angebracht) nicht lösen wird.
Auch die Erhöhung des Familienbonus von 1.500 auf 2.000 Euro ist wieder einmal (nebstbei sozial ungerechte) Klientelpolitik und Gießkanne...
Wirklich wichtige Zukunftsthemen wie Pensionsreform, Pflege, Bildung, Vermögenssteuer, Wohnen oder Integration werden weiter auf die lange Bank geschoben ("weiterwursteln"), auch die längst fälligen Detailinfos zum Thema Ökostromausbau lassen noch auf sich warten.
Der "ökosozialen Steuerreform" gebe ich doch eine glatte Vier (von Fünf) - ähnliche "Steuerreformen" in Österreich gab es ja eigentlich schon immer: Ängstliche Tagespoltik, keiner schaut auch nur ein bisschen in Richtung Zukunft. Und wirklich schmerzlich wird es dann am 13.10. - da hält Finanzminister Blümel seine Budgetrede - mit Zahlen, die wohl weiterhin ziemlich grausam sein werden...
Ad hoc-Meldung - Oktober 2021