Nachdem sich die Politik in den letzten 2 Jahren primär einmal mit Covid-19 beschäftig hat, blieb das Regierungsprogramm von VP-Grün eher im Hintergrund. Der neue Finanzminister Magnus Brunner (macht übrigens in den ersten Wochen einen kompetenten Eindruck) hat nun dem Trend ein Interview gegeben und dabei auch eine "heiße Kartoffel" angefasst: Die KESt. auf Wertpapiergewinne, im Volksmund gerne auch Aktiensteuer benannt.
Diese Steuer beträgt derzeit 27,5% der realisierten Kursgewinne bei Wertpapieren aller Art, wobei im entsprechenden Kalenderjahr auch angefallene Verluste gegengerechnet werden können.
Die 2011 (damals noch 25% Steuersatz) eingeführte Steuer wird bei den meisten Wertpapierdepots (bei inländischen Brokern oder Banken sowieso) automatisch abgeführt und löste die für den Fiskus früher unbefriedigende Variante ab, welche besagte, dass man innerhalb eines Jahres vom Kauf zum Verkauf realisierte Kursgewinne mittels Einkommensteuererklärung zu versteuern habe. Was damals natürlich kaum jemand machte - es gab ja auch kaum Überprüfungen...
Auch wenn gerade in Österreich (leider) noch immer eine miserable Aktien- bzw. Beteiligungskultur vorherrscht, so kommen da in Jahren mit steigenden Börsen durchaus ein paar 100 Millionen durch die Besteuerung von Wertpapiererträgen herein und auch Dividendenerträge von Aktien werden mit dem selben Satz von 27,5% reduziert.
Dass dies die heimischen Anleger natürlich nicht erfreut, ist evident - dass sich dem Kapitalmarkt positiv gesinnte Menschen und deren Vertreter (z.B. die Wiener Börse) also für ein Wiedereinführung der Behaltefrist (ab der dann keine KESt. abzuführen ist) einsetzen, erscheint nur logisch.
Beim Thema Aktien, Unternehmen und Börse gibt es 2 Welten bzw. Lebensanschauungen - und dazwischen wenig Spielraum...
Ist für links orientierte Geister die Aktiengesellschaft eher ein Kapitalistenvehikel, dass Menschen zugunsten der reichen Aktionäre ausbeutet und das Anlegen an der Börse dient primär der (abzulehnenden) Spekulation, so ist der eher rechts denkende Mensch eher von der Anlage- bzw. Beteiligungsmöglichkeitsowie der Chance, sein Geld damit positiv arbeiten zu sehen überzeugt. Grob formuliert.
Beide haben damit natürlich recht - die Geldmarie neigt aber dazu, Anlagegelder lieber in Unternehmen bzw. Sachwerte zu investieren als dieses Banken zum Nullzins zu überlassen. Bringt der Wirtschaft mehr - und wie sauber und fair die Unternehmen arbeiten bzw. in welchem Bereich diese tätig sind, kann man sich ja zum Glück selbst aussuchen.
Relexartig beißen natürlich SPÖ und AK sofort dem Finanzminister rhetorisch ins Wadel und verweisen (nicht zu unrecht) auf in Österreich extrem niedrige Steuern auf Vermögen. Wobei man natürlich anmerken muss, dass es gerade die SPÖ in vielen Jahren der Kanzlerschaft nicht geschafft hat, höhere Vermögenssteuern einzuführen.
Die Wahrheit liegt wohl -wie häufig- in der Mitte: Die Steuer auf Wertpapiergewinne kann man ruhig bestehen lassen, eine Behaltefrist von einem Jahr scheint mir persönlich fast zu kurz. Wer aber in Unternehmen 5 oder mehr Jahre investiert bleibt, sollte keinesfalls als Spekulant bezeichnet werden. Vielleicht treffen sich ja Schwarz (vormals Türkis) und Grün ja irgendwo in der Mitte - das würde dem Kapitalmarkt in Österreich durchaus Auftrieb geben.
Gerade dieser Tage suchen viele Menschen verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten, die ihnen zumindest die Chance gibt, den jährlichen Wertverlust (Inflation) zu kompensieren. Aktien sind da für langfristig orientierte Anleger durchaus zu empfehlen (der Einstieg sollte hier aber in langjährige Qualitätswerte und auf mehrere Unternehmen aufgeteilt erfolgen) - so könnten z.B. viele heimische Landesversorger (Strom) ein paar Anteile an die Börse bringen und mit dem Erlös kräftig in den (höchst lukrativen) Ausbau der Erneuerbaren investieren. Damit wäre wohl allen geholfen. Außer Saudis, Putin & Co.
Auch eine Staffelung der Steuer könnte sich die Geldmarie vorstellen: Wer z.B. unter einem Jahr Gewinne realisiert, zahlt 30% Steuer, wer das Wertpapier 1-5 Jahr behält nur noch 15% und wer Wertpapiere mindestens 5 Jahre behält, hat keine Wertpapier-KESt. abzuführen.
Ad hoc-Meldung - Jänner 2022