Jüngst ging durch die Photovoltaik-Fan-Community eine kleine Schockwelle: Die Einspeisetarife werden bei den meisten Abnehmern von Sonnenstrom immer geringer und die Strompreise fallen - das wirft natürlich die Kalkulation so mancher Anlage (inklusive Stromspeicher) nach hinten. Der starke Ausbau der Photovoltaik in Österreich sowie auch ausgezeichnete Wasserführung der heimischen Flüsse und auch guter Wind im ersten Halbjahr haben den Strompreis an den Börsen wieder deutlich beruhigt - und dieser Börsenstrompreis kommt dann (mit ein wenig Verzögerung) auch in den Haushalten an.
Der Ausbau der Erneuerbaren (und insbesondere bei Photovoltaik) führt nun 2024 dazu, dass es an sonnigen Tagen bzw. in Zeiten von wenig Strombedarf (niedriger Stromlast) an den Strombörsen oft sogar zu Negativpreisen kommt - es ist schlichtweg zu viel Strom im Netz und das Netz benötigt dringend Abnehmer.
Zwar haben wir in Österreich das Privileg von vielen Speicherkraftwerken (dort wird dann mit Überschussstrom Wasser hochgepumpt, welches dann bei Strombedarf wieder nach unten abgelassen wird) - diese kommen aber bei zu viel Ökostrom mittlerweile schon an ihre Kapazitätsgrenzen. Darüber hinaus hinkt der Netzausbau bzw. der Neubau von Speicherkraftwerken dem Ausbau der Erneuerbaren an manchen Tagen schon deutlich hinterher. Strom muss dann -oft ziemlich billig- auch exportiert werden.
Konnten die Verbraucher früher mit Fixtarifen bzw. auch mit Floatern nur sehr gering von niedrigen oder gar negativen Strompreisen profitieren, so tut sich nun mit dem Aufkommen von "Dynamischen Stundentarifen" eine neue Chance auf:
Haben viele Verbraucher einen derartigen Stromtarif, so kann in Zeiten des Stromüberschusses (= niedrige oder gar negative Preise) der Verbrauch via niedriger (oder negativer) Preise gesteuert werden. "Verbrauchssteuerung" via Preis.
Ist der Strompreis niedrig oder negativ, nutzen Inhaber eines solchen Tarifes den Billigstrom zum Laden des Elektroautos, dem Aufheizen des Pools, der Versorgung der Wärmepumpe in Sachen Heizung oder Warmwasser oder auch schalten sie schlicht den Geschirrspüler oder die Waschmaschine ein...
Aktuell nutzen nur sehr wenige Menschen einen solchen Tarif (was ob der extrem hohen Strompreise 2022 oder 2023 auch nicht verwunderlich ist, da waren Fixtarife deutlich mehr gefragt) - in der Energiewirtschaft zerbrechen sich die Produktentwickler aber wohl allerorten die Köpfe über einen neuen Stundentarif.
Fast alle größeren Anbieter haben ohnehin schon einen Floatertarif (mit zumeist einer Anpassung 1x pro Monat) im Angebot - nachdem in Österreich aber schon rund 80% mit einem Smart Meter (der die Stundenabrechnung möglich macht) ausgestattet sind und die Preise an den Strombörsen derzeit ziemlich niedrig liegen, wird das Interesse an "dynamic pricing" immer höher.
So dürfte ein Pionier der Szenerie, aWATTar, nach einigen harten Zeiten nun die Früchte ernten und sich über viele neue Stromkunden freuen. Auch die Anbieter smartenergy, Spotty oder EWW (Wels Strom) haben schon Stundentarife im Angebot - und es werden laufend mehr Energieunternehmen, die dynamische Stundentarife anbieten.
Wie das funktioniert?
Bei aWATTar ist z.B. die Berechnungsbasis der Strombörsentarif EPEX Spot AT 60 min, day ahed (= 1 Tag vorher fixiert) - man kann sich dann also am Verbrauchstag gut (bzw. schon am Tag davor, ab dem frühen Nachmittag) ansehen, in welchen Stunden man Strom verbrauchen kann/soll und wann eher nicht. Zu diesen Stundenpreisen kommen bei aWATTar derzeit noch 3% Zuschlag sowie 1,5 Cent/kWh "Beschaffungskosten" hinzu, Netzkosten und Steuern verstehen sich von selbst.
Nachdem die meisten Privatkunden natürlich nicht über die Zeit verfügen, täglich die Strompreise zu beobachten, ist hier natürlich eine App-Lösung von Vorteil - in Verbindung mit Photovoltaikanlage und Batteriespeicher sind solche Rechnungen dann ohnehin schon höhere Mathematik...
Man darf also davon ausgehen, dass sich die Anzahl der Anbieter von dynamischer Strompreisgestaltung bald vervielfachen - und hat man einen solchen Tarif, so ist moderne Haustechnik bzw. eine App durchaus von Vorteil.
Ob sich beim "dynamic pricing" a la longue ein klarer Preisvorteil gegenüber Fixtarifen oder Floatern ausgeht, ist natürlich nicht fix (aber anzunehmen) - in Sachen Verbrauchssteuerung könnte dadurch in Zukunft aber eine "Glättung" beim Stromverbrauch resultieren. Bei einem Strom-Überangebot und folglich bei niedrigen Preisen erhöht sich dann auch der Stromverbrauch seitens Inhaber von dynamischen Tarifen - das entlastet dann auch wieder die Netze.
Einige Gedanken bzw. Anregungen zu den unterschiedlichen Stromtarifen finden Sie hier: Stromtarife im Vergleich
Geldmarie-Linktipps:
Ad hoc-Meldung - Juni 2024