Angenommen, Sie betreiben ein kleines Einzelunternehmen und möchten expandieren:
Was machen Sie?
Sie stecken die Gewinne in die Expansion, borgen sich ein wenig Geld von der Bank aus oder fragen gar den reichen Papa, ob er nicht ein wenig in den Nachwuchs investieren möchte.
Eine weitere Möglichkeit:
Sie gründen mit dem Herrn Papa, mit Freunden, mit Investoren, selbst oder auch mit der Bank (die ja auch manchmal ein Freund sein
kann) eine Aktiengesellschaft (AG).
Hiezu bedarf es 70.000 Euro Grundkapital und einer Eintragung ins Firmenbuch.
Das werden Sie wahrscheinlich nicht machen, denn der Aufwand der Gründung und die rechtlichen Verpflichtungen einer AG sind für Kleinbetriebe kaum zu empfehlen - der Nutzen einer AG-Gründung ist also bisweilen noch fraglich.
Sollte sich der Kleinbetrieb jedoch zu einem Mittel- oder Großbetrieb entwickeln, so kann es schon durchaus Sinn machen, die Gesellschaftsform "AG" zu wählen.
Denn ab einer gewissen Größenordnung benötigt ein Betrieb ab und an eine Geldspritze:
Manchmal, um finanzielle Engpässe zu umgehen - manchmal aber auch, um kräftig zu wachsen bzw. den Mitbewerb vom
Markt zu kaufen.
Und da gibt es für Aktiengesellschaften das wunderbare Mittel der Kaptialerhöhung.
Der wesentliche Vorteil: Der Verkauf von neuen Anteilen am Unternehmen bringt frisches Kapital in das Unternehmen. Abgesehen von den (gar nicht so geringen) Kosten eines Börsenganges hat man den wesentlichen Vorteil, für dieses Kapital keine Zinsen (wie bei Bankkrediten, bei Unternehmensanleihen bzw. anderen Gläubigern) aufbringen zu müssen.
Ein weiterer Vorteil: Wenn eine institutioneller Investor oder ein neuer Partner in die AG geholt wird, wird dieser wohl bei den wesentlichen Entscheidungen auch mitsprechen bzw. mitbestimmen wollen. Bei einen Börsengang holt man sich zwar auch viele (oft lästige) Kleinaktionäre an Board - deren Einfluss auf die Leitung einer AG ist aber endenwollend.
Die AG kann also mit den Mitteln der Kapitalerhöhung wunderbar Schulden tilgen (Eigenkaptital erhöhen) oder kräftig investieren.
Auch bei einem Ausstieg von Miteigentümern bzw. bei einer Umschichtung der Besitzverhältnisse (Reduktion der Anteile) kann sich so mancher Miteigentümer mittels Börsengang gutes Geld holen - welches ansonsten z.B. mittels Kreditaufnahme finanziert hätte werden müssen.
Nachteil: Es gibt nun eine Menge Mitaktionäre, die bei der Hauptversammlung lästige (aber oft gar nicht so dumme) Fragen zu Geschäftsgebarung an den Vorstand oder den Aufsichtsrat richten können und auch ein Stimmrecht besitzen. Ja - und ein Buffet bzw. ein kleines Präsent erwarten sie auch noch, die undankbaren Aktionärsgfrasta!;-)
Dieser Nachteil wird aber bei den meisten heimischen börsenotierenden Aktiengesellschaften in Grenzen gehalten: Kaum eine AG hat einen Streubesitz (=frei gehandelte Aktien von oft nichtinstitutionellen Anlegern) von über 50 % - viele Aktiengesellschaften bleiben sogar weit unter der rechtlich wichtigen Marke von 25% Streubesitz.
Diese eher aktionärsfeindliche Gebarung ist nach wie vor ein wesentliches Problem für den Finanzplatz Österreich: Nur etwa 100-150 Betriebe aus Österreich sind überhaupt an der Wiener Börse notierend. Davon eine Menge ehemaliger Staatsbetriebe, die nur zwecks Budgetkonsolidierung verscherbelt (teilweise weit unter Wert) wurden.
Risikokapital für Klein- und Mittelstandsbetriebe in Form von Aktienemissionen sind hierzulande fast völlig unbekannt. Kein Wunder also, dass so mancher expandierender Mittelstandsbetrieb auch eine andere Börse wählt und die Aktionärskultur in Österreich noch immer in den Kinderschuhen steckt.
Ein weiterer Nachteil: Durch den Börsengang bzw. die Börsennotiz entstehen einerseits Mehrkosten - andererseits verpflichtet sich die AG auch, Kapitalmarktvorschriften (wie z.B. regelmäßige Zwischenbilanzen etc.) einzuhalten.
Was Sie als Anleger bei einer Neuemission oder Kapitalerhöhung beachten sollten:
Eine AG, die nur an die Börse geht bzw. eine Kapitalerhöhung durchführt um Schulden zu tilgen, könnte sich schon bald als wertloser Lottoschein herausstellen. Manchmal darf dies ja schon dazu dienen, um eine konjukturbedingte Flaute zu überbrücken bzw. zu reorganisieren - ein Dauerzustand sollte dies (Kapitalerhöhung) aber nicht sein.
Sehen Sie sich also auch ein wenig die Bilanzen bzw. die Kommentare von Fachleuten an, wenn es frische Aktien bzw. Kapitalerhöhungen gibt. Natürlich können auch diese irren bzw. falsche Schlüsse zulassen.
Kapitalerhöhungen sind aber ohnehin zumeist nur erfolgreich, wenn das Unternehmen vorher halbwegs brauchbare Bilanzen gelegt hat bzw. Perspektiven vorhanden sind. Es kann aber auch durchaus möglich sein, dass Alteigentümer bei gutem Wind nur Kasse machen wollen.
Darüber hinaus ist es durchaus möglich, daß eine AG, die mit der Kapitalerhöhung in neue Märkte investiert bzw. andere Firmen übernimmt, über einige Jahre weniger bzw. keine Gewinne macht bzw. (daraus resultierend) weniger Gewinne an die Aktionäre ausschüttet. Das kann dann schon ab und an zu einer Geduldsprobe für Aktionäre werden.
In Summe betrachtet:
Der Börsengang macht für so manches Unternehmen absolut Sinn. Nur ein wenig mehr Macht (in Form von Streubesitz) müsste man in Österreichs AG's schon abzugeben bereit sein. Aber da spielt ja sehr oft die liebe Politik noch Ihre Machtspielchen - und Aktien an der Börse sind in Österreich noch immer ein wenig "böse"...