Vor einigen Jahren startete die Geldmarie mit Kleinbeträgen Tests bei den baltischen p2p-Kreditportalen Bondora und Mintos. Bei dieser Gelegenheit wurde auch gleich noch ein Portal aus dem crowdfundingbegeisterten Baltikum entdeckt: EstateGuru aus Tartu, Estland.
Nachdem in Österreich gerade das Crowdinvesting in Immobilien so richtig loslegte und EstateGuru eine sehr ähnliche Variante davon anbietet, wurde ab Oktober 2017 auch EstateGuru mit ein paar hundert Euro getestet. Und bisweilen läuft dieser Test (Zahlen ganz unten) auch fein, mittlerweile wurde (auch zwecks Vergleichbarkeit mit anderen Portalen) auf genau 1.000 Euro Kapitaleinsatz aufgestockt...
EstateGuru (Unternehmen: Estateguru OÜ aus Tartu in Estland) ist ein 2014 gegründetes Kreditvermittlungsportal, welches sich primär auf die Finanzierung von diversen Immobilienprojekten spezialisiert hat. Das können Neubauten von Häusern, Wohnanlagen etc. aber auch Renovierungen von Bestandsimmobilien sein - auch Finanzierungen von Gewerbeobjekten wurden schon gesehen.
Hauptsächlich werden seitens EstateGuru Immobilienprojekte in Estland zur Finanzierung angeboten, aber auch in Lettland oder in Litauen werden immer wieder Fundings durchgeführt.
Liefen die ersten Jahre des Portals noch eher zäh an, ging es ab 2016 so richtig los: Im Oktober 2016 waren schon 12 Mio. Euro finanziert, im Oktober 2017 32 Millionen, im November 2018 82 Millionen, im Oktober 2019 151 Mio. und im April 2021 hat man insgesamt 340 Mio. Euro an Krediten vergeben. Im Oktober 2022 waren es schon 642 Mio. Euro - das Portal boomte also ziemlich fein. Im für Immobilien grausamen Jahr 2023 sowie auch 2024 verlangsamte sich dann dieser Boom - 798 Mio. Volumen bis April 2024 zeigen, dass so mancher drohende Ausfall die Investoren ein wenig zurückhaltender macht.
Anfang 2019 war die Nachfrage so hoch, dass man "händisch" (so man nicht laufend bei Estateguru reinsieht) fast keine Projekte mehr zwecks Investition "erwischt" - die automatischen Anlagen via "Auto Invest" führten dazu, dass neue Projekte nur sehr kurz online waren.
Der Hauptgrund der Anleger in unseren Breiten, in solche Immobilienkredite zu investieren: Hohe Zinsen von 10-12% für Laufzeiten von zumeist 1 bis 3 Jahren locken. Da das Bankwesen im Baltikum noch immer in den Kinderschuhen steckt, werden solche Zinssätze auch gezahlt...
Noch ein Vorteil (neben den höheren Zinsen) gegenüber dem heimischen Immobiliencrowdfunding: Während bei heimischen Immobilienprojekten die Bank sich sämtliche Sicherheiten schnappt und man mit der Finanzierungsform "Nachrangdarlehen" im Pleitefall auch ziemlich sicher einen 100%igen Totalausfall hinnehmen muss, sind bei EstateGuru fast alle Kredite erstrangig (via Grundbuch) besichert! Im Pleitefall ist demnach bei einer erstrangiger Besicherung auch mit einer "Insolvenzquote" zu rechnen - und nicht das ganze Geld weg. Bei einigen Krediten konnte hier schon zumindest die Kreditsumme gerettet werden!
Seit Oktober 2017 läuft der Test von EstateGuru und das Portal weist mir (Stand 4/2024) eine Nettorendite von 10,07% aus.
Aber natürlich muss man auch hier mit Ausfällen rechnen - ob die Anlage bei EstateGuru wirklich so fein ist, wie sie auf den ersten Blick derzeit wirkt, kann man wohl erst in einigen Jahren (und vielleicht nach einer Immobilienkrise, die auf die Corona-Wirtschaftskrise durchaus folgen kann) seriös beurteilen*. Auch wird sich dann zeigen, wie positiv sich die Erstrangigkeit bei den (meisten) Krediten im Vergleich zu den österreichischen Immobiliencrowdinvestingportalen auswirkt bzw. auch, wie professionell die Prüfung der zu vergebenden Kredite vorgenommen wird.
*Update Oktober 2024: Bei einer Gesamtsumme von 1.339 Euro sind derzeit 600 Euro "in Einholung" - es hat somit wohl viele Kreditprojekte mehr oder weniger erwischt. Im Restjahr 2024 und 2025 wird sich wohl zeigen, wie stark die ab 2023 wirklich spürbare Immobilienkrise sich negativ auf das Zahlenwerk dieser Investitionen auswirkt!
Halbjährlich wird auf der Geldmarie (in der Ad-hoc-Rubrik) über die Entwicklung des Testportfolios berichtet (wie auch über Mintos, Reinvest24 und Lande). So Sie auch hier reinschnuppern wollen: Die Registrierung ist sehr einfach und die folgende Überweisung nach Estland ist rasch auf dem Konto verbucht. Setzen Sie aber keinesfalls zu viel auf eine Karte - und vielleicht testen Sie auch (wie ich) mit Kleinbeträgen! Ein Verlustrisiko ist natürlich vorhanden (das sollte vernünftigen Menschen schon ob der hohen Zinsen klar sein!), etwaige Gewinne müsste man hierzulande versteuern!
Was mir persönlich sehr gut gefällt: Man kann sich (auch wenn es eine Auto-Invest-Möglichkeit gibt) die Kredite selbst aussuchen. Auch wenn wir wohl alle keine echten Immobilienprofis sind und die Baustellen nicht so leicht wie in Österreich besichtigen können - durchaus eine nette Möglichkeit.
Was mir weniger gut gefällt: Per 1.11.2023 führte Estateguru eine Gebühr wie folgt ein: Die monatliche Gebühr (Kursdifferenz, Spanne) beträgt 0,05 % (z. B. 0,5 € pro 1.000 €) des Kapitalsaldos bei laufenden Krediten und gilt nur für Anleger, die innerhalb des jeweiligen Monats Erträge aus ihrem ausstehenden, laufenden Kapital erhalten. Mit anderen Worten: Die Gebühr gilt nur, wenn man Erträge aus Krediten erwirtschaftet. Anleger mit größeren Portfolios, die ein Kapital von 100.000 € oder mehr aufweisen, unterliegen der AUM-Gebührenberechnung zu den gleichen Bedingungen wie alle anderen Anleger, wobei die monatliche Gebühr in keinem Fall eine Gebührenobergrenze von 50 € überschreiten darf.
Hier die Zahlen des Tests von EstateGuru, auch das Gesamtvolumen aller finanzierten Projekte des Portals ist hier aufgelistet.
Datum | Nettorendite % aktuell | Volumen EstateGuru in Mio. Euro |
---|---|---|
10.2017 | o.W. | 32 |
04.2018 | 12,44 | o.W. |
10.2018 | 11,14 | 78 |
01.2019 | 12,19 | 95 |
10.2019 | 11,32 | 151 |
04.2020 | 10,47 | 201 |
10.2020 | 10,90 | 245 |
04.2021 | 10,59 | 340 |
10.2021 | 10,58 | 439 |
04.2022 | 10,93 | 550 |
10.2022 | 10,93 | 642 |
04.2023 | 10,34 | 702 |
10.2023 | 10,20 | 751 |
04.2024 | 10,20 | 798 |
10.2024 | 9,99 | 838 |
Die Zahlen sind natürlich beeindruckend, durch Abläufe und Wiederveranlagung von Immobilienkrediten kommt es natürlich zu unterschiedlichen (aktuellen) Renditen. Erst wenn es zu vielen Ausfällen kommt, wird sich zeigen, wie gut die Sicherheiten sind und verwertet werden können und ob die Rendite im zweistelligen Bereich bleiben kann. Stand Oktober 2024 sind schon viele Kredite gefährdet.
Geldmarie-Linktipp: